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Abstürze der F-104 vor 53 JahrenTod im Starfighter - RTL erinnert an Katastrophe von Nörvenich

Lesezeit 5 Minuten

Harrys (Steve Windolf, l.) größte Leidenschaft ist seine Arbeit als Pilot der Luftwaffe.

Köln – Er war der Stolz der jungen Luftwaffe: der Starfighter F-104. Mehr als 900 Jets flogen für die Bundeswehr. Doch in den Geschichtsbüchern ist die Lockheed-Maschine vor allem als eines bekannt: als „Witwenmacher“. Bis zur Ausmusterung der Maschine in Deutschland im Jahre 1991 haben bei 269 Abstürzen 116 Piloten ihr Leben verloren.

RTL strahlt „Starfighter – Sie wollten den Himmel erobern“ an diesem Donnerstag, 12. 11., um 20.15 Uhr aus. Die begleitende Dokumentation „Mein Mann war Nummer 57“ wird im Anschluss an den Film um 22.45 Uhr gezeigt.

Schon vor drei Jahren erschien im „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine große Dokumentation („Dem Himmel so nah“) über den Absturz von vier Starfightern am 19. Juni 1962 bei Kerpen. Diese Recherche wurde 2013 mit dem Medienpreis „Luft- und Raumfahrt“ ausgezeichnet.

Die Schicksale der Witwen sind nun Thema im TV-Abendprogramm. Am Donnerstagabend strahlt RTL den Spielfilm „Starfighter – Sie wollten den Himmel erobern“ aus. Die Produktion der Kölner Firma Zeitsprung erzählt die Geschichte einer Frau, die für Gerechtigkeit kämpft. Ihre Gegner sind: die Bundeswehr, die den Angehörigen nicht einmal Unfallberichte aushändigen will; und die Firma Lockheed, die den Milliardenauftrag für ihre F-104 erhielt, als Franz Josef Strauß Verteidigungsminister war.

Die Jets bohrten sich nahezu senkrecht ins Erdreich

Die Verfilmung einer Staatsaffäre spielt auf dem Fliegerhorst Nörvenich bei Kerpen – und beginnt mit dem 19. Juni 1962. An diesem Tag ereignete sich eine Tragödie, die die Region bewegte. Vier Starfighter verunglückten bei einer Kunstflugübung, alle Piloten kamen ums Leben.

Der vorne fliegende Staffelführer hatte offenkundig bei einem Looping die Höhe falsch eingeschätzt. Als die Maschinen aus der unteren Wolkendecke stießen, war der Boden nur noch wenige hundert Meter entfernt. Die Jets bohrten sich nahezu senkrecht in das Erdreich am damaligen Tagebaurand.

Jets für Kunstflugmanöver nicht ausgelegt

Es war das schwerste Unglück in der Geschichte des Jets: anderntags sollte in Nörvenich das erste deutsche Starfighter-Geschwader feierlich in Dienst gestellt werden. Eine preisgekrönte Dokumentation des „Kölner Stadt-Anzeiger“, erschienen im Juni 2012, kam zu dem Schluss, dass die technisch überladenen Jets für Kunstflugmanöver gar nicht ausgelegt waren.

Unter dem Titel „Dem Himmel so nah“ hatte diese Zeitung erstmals anhand von Zeitzeugenberichten und bis dahin geheimen Unterlagen die Katastrophe vom 19. Juni 1962 beleuchten könnten. Allerdings werden die Ursachen für diese Tragödie in der TV-Umsetzung, die offensichtlich von der Dokumentation inspiriert wurde, leider nicht näher erklärt.

Sehen Sie im nächsten Abschnitt den Trailer des Films, erfahren Sie wieso dieser überzeugt und warum so viele damit abstürzten

Die Namen der Protagonisten in dem RTL-Film sind zwar frei erfunden – doch sind die Figuren eng angelehnt an die Wirklichkeit. Die Handlung ist, auch wenn sie ein wenig in zu grellen Farben erzählt wird, weitestgehend authentisch.

Unter den Todesopfern des 19. Juni 1962 war der junge Bernd Kuebart, einer der besten Piloten der Luftwaffe. Einer der Hauptdarsteller in dem „Eventmovie“ namens Dieter ist diesem Kuebart optisch sehr ähnlich, auch wenn der Filmprotagonist mit seinem Vorbild ansonsten nichts gemein hat – außer der Leidenschaft fürs Starfighter-Fliegen.

Abenteuer und Liebesgeschichte

Durchaus fesselnd entführt der Film, der Abenteuer und Liebesgeschichte zugleich ist, den Zuschauer in die 60er Jahre. Die sind knallbunt und sehr laut – vom beeindruckend imitierten Lärm der Flugzeuge bis zur musikalischen Untermalung mit Hits der Zeit.

Schnell lernt man die Hauptpersonen kennen: Betti, gespielt von der Kölnerin Picco von Grote, die den Nörvenicher Piloten Harry (Steve Windolf) kennenlernt. Der beste Flieger der Staffel, der schon mal Regeln missachtet – aber dessen Person doch seltsam blass bleibt. Die Unbefangenheit der Piloten und ihrer Angehörigen währt jedenfalls nicht lange, da ab Mitte der 60er Jahre immer häufiger Jets abstürzen.

Die im Film fliegenden Maschinen sind zwar animiert, aber das auf eine überzeugende Weise. Im Ungefähren bleibt in dem RTL-Drama die Motivation der jungen Männer, die zu einem großen Teil gegen Ende des Zweiten Weltkrieges geboren wurden und von denen viele den Starfighter und die junge Bundeswehr als Herausforderung und Abenteuer begriffen. Sie wollten den Himmel erobern – aber warum?

Über 2000 Stundenkilometer schnell

Ex-Piloten sagen noch heute, der Starfighter sei ihr liebstes Flugzeug gewesen, der modernste Jet seiner Epoche. Im Vergleich zu allen anderen Flugzeugen bis dahin war der Starfighter eine Rakete, über 2000 Stundenkilometer schnell. Vor allem in den ersten Jahren nach Einführung waren zahlreiche Unfälle auch auf Fehler der Piloten zurückzuführen. Die waren von Propellerflugzeugen auf Düsenjets umgestiegen, und ihre Schulung war oft nur kurz.Dass die Luftwaffenführung später fast alle Abstürze den Piloten zuschreiben wollte, war jedoch Vertuschungsstrategie.

Sonderwünsche der Luftwaffe veränderten den Charakter des Jets, machten ihn schwerer – nach Ansicht vieler Experten ein Grund für die hohe Absturzquote bei der Bundeswehr. „Aus einer Maschine haben wir praktisch drei gemacht: ein Jagdflugzeug, einen Kampfbomber und ein Aufklärungsflugzeug“, sagte Jörg Kuebart, Ex-Inspekteur der Luftwaffe und Bruder des getöteten Bernd Kuebart, dieser Zeitung.

Dass RTL den Film erst jetzt zeigt, hat einen traurigen Hintergrund. Der ursprüngliche Ausstrahlungstermin war der 2. April. Da wenige Tage zuvor aber ein Germanwings-Airbus über den Alpen vom Co-Piloten zum Absturz gebracht worden war und 150 Menschen starben, hatte sich RTL für eine Verschiebung entschieden.