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Alte A4-TrasseDie Geister-Autobahn im Rheinischen Braunkohlerevier bei Kerpen

Lesezeit 5 Minuten
Die alte Trasse der Autobahn 4 im Rheinischen Braunkohlerevier bei Manheim

Die alte Trasse der Autobahn 4 im Rheinischen Braunkohlerevier bei Manheim

Der Lost Place mitten im Rheinischen Revier bei Kerpen ist heute Ausflugsort, Fläche für Solaranlagen – und wird im See verschwinden.

Zufällig verirrt sich kaum jemand an diesen verlassenen Ort, obwohl er schon wegen seiner Ausmaße nur schwer zu übersehen ist. Doch auch zehn Jahre nach ihrer Stilllegung hat die alte Trasse der Autobahn 4 zwischen den Anschlussstellen Kerpen-Buir und Düren nichts von ihrer Faszination verloren.

Die Leitplanken stehen noch

Im September 2014 wegen des damals noch unaufhörlich fortschreitenden Braunkohle-Tagebaus Hambach abgeklemmt, liegt der größte Teil des rund 13 Kilometer langen Abschnitts still und verlassen da. Immer noch weitgehend erhalten mit seinem charakteristischen Mittelstreifen, der ihr einen Allee-Charakter verlieh. Seither sich selbst überlassen, sogar auf die Demontage der Leitplanken hat man verzichtet. Der Verkehr rollt längst über die neue A 4, die rund 1700 Meter weiter südlich verläuft. Als Ersatz für die alte Anschlussstelle Buir wurden Merzenich und Elsdorf gebaut.

Über eine der Brücken in der Nähe der Manheimer Kartbahn, von der man auf die alte Trasse herabblicken kann, donnern die Lastwagen mit Abraum-Material aus dem Tagebau, der an anderer Stelle gebraucht wird, um die Böschungen zu stabilisieren, die eines fernen Tages – rund 60 Jahre nach dem Ende der Kohleförderung im Jahr 2030 – das Ufer des Hambacher Sees bilden werden.

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Im September 2014 fuhr das letzte Auto

Auf eine große Feier hat man am 16. September 2014 bewusst verzichtet, als die alte Autobahn den Braunkohlebaggern zum Fraß vorgeworfen wurde. Der damalige NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) gab den neuen Abschnitt zusammen mit Matthias Hartung, dem ehemaligen Vorstandschef der RWE Power AG, frei. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) überließ diesen Job seinem Staatssekretär. Zu umstritten war das Bauprojekt damals, zu groß die Proteste von Umwelt- und Klimaschützern.

Zehn Jahre später steht die alte Trasse vor allem bei Menschen, die einen Faible für Lost Places haben, und bei Radfahrern hoch im Kurs. Bei Youtube hat sie ihre Fans, die immer wieder neue Videos posten und davon berichten, wie krass es ist, über eine Geister-Autobahn zu spazieren.

Die alte Trasse der Autobahn 4 im Rheinischen Braunkohlerevier bei Manheim

Auf diesem Abschnitt ist die Fahrbahn bereits verschwunden, der Mittelstreifen aber noch deutlich zu erkennen.

­­­Das gesamte Gelände befindet sich noch im Eigentum von RWE. Und das wird bis auf einen Abschnitt noch einige Jahre so bleiben. Gegen Ende des Jahrzehnts, wenn der im Oktober 2022 von der Landes- und der Bundesregierung gemeinsam mit dem Energiekonzern beschlossene vorgezogene Kohleausstieg in die Tat umgesetzt wird, werde man mit den Anrainerkommunen sprechen, wie es mit dem Areal weitergehen soll. „Wir haben noch keine Eile, weil wir den Tagebau Hambach ja noch bis 2030 betreiben“, sagt RWE-Sprecher Guido Steffen auf Anfrage. Beim Hambacher Forst werde das wohl schneller gehen. „Das gibt es ja schon andere Interessenten und wir wollen auch nicht dauerhaft der Besitzer bleiben.“

Alte Trasse bei Manheim wird ab 2024 abgetragen

Ein Abschnitt der alten Trasse zwischen dem Hambacher Forst und der Kartbahn wird schon bald verschwinden. In Höhe der bereits umgesiedelten Ortschaft Manheim, wo in Zukunft die Manheimer Bucht des Tagebausees entstehen soll, wird RWE nach Angaben des Sprechers in den Jahren 2024 und 2025 abtragen, „weil wir das Abraum-Material brauchen, um die steile Böschung an der Nordwand des Tagebaus in Höhe von Elsdorf abzuschrägen und zu stabilisieren“, sagt er. „Es wird schon jetzt Material aus dem Bereich der künftigen Manheimer Bucht abgefahren.“

Noch mindestens 20 Jahre überdauern wird hingegen ein knapp 620 Meter langes Autobahnstück im Ortsteil Ellen, der zu Niederzier im Kreis Düren gehört. Seit 2017 stehen dort auf dem alten Asphalt 2820 Solarmodule und liefern Strom für 210 Haushalte. Gemeinsam mit der Gemeinde nahmen RWE Power, Innogy und der Verteilnetzbetreiber Westnetz die Anlage in Betrieb, die pro Jahr immerhin 400 Tonnen CO₂ einspart. 710.000 Euro hat der Umbau der A4 zur Solarautobahn gekostet, die in 500 Tonnen Kies gebettet ist, der aus dem Tagebau stammt. „Die Anlage läuft seit dem ersten Tag problemlos“, sagt Steffen. „Die Idee war, diese Anlage auf die Autobahn zu stellen, weil man sie auf dem Asphalt verankern und nicht erst noch Gerüste aufbauen musste, wie das bei anderen Anlagen der Fall ist. Das war damals so eine Art Flächenrecycling für Solarstrom.“

Der Plan für einen Radfernweg kommt wohl nicht zustande

Ideen, was man mit der alten A4-Trasse sonst nach anfangen könnte, hat es nach ihrer Stilllegung etliche gegeben. Vor drei Jahren schlugen der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Landtagsabgeordnete der Grünen, Antje Grothus, damals aktiv bei der Initiative „Buirer für Buir“ vor, auf das Abbaggern von Manheim zu verzichten und die Wälder der Region einschließlich des Hambacher Forsts und des Merzenicher Erbwalds zu einem grünen Band zu vernetzen. Die alte A 4 könne als das Herzstück eines 77 Kilometer langen Radfernwegs zwischen Köln und Aachen werden. Dort solle der Radweg über 14 Kilometer verlaufen. Auf der ehemaligen Autobahn könnten Gemüsegärten entstehen, eine „Grünroute der Transformation“.

Aus den Manheimer Gärten wird wohl nichts werden, die Pläne für den gigantischen Tagebausee auf einer Fläche von 3550 Hektar stehen dem Gemüse entgegen, wenn auch bisher nur auf dem Papier. Er soll entgegen der ursprünglichen Planung jetzt vor dem Hambacher Forst liegen und sich östlich davon über die alte Ortschaft Manheim erstrecken und nach dem Ende des Tagebaus mit Sümpfungswasser und vor allem mit Wasser aus dem Rhein gefüllt werden. Durch den auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg muss die Wasserleitung zur Befüllung zwei Jahrzehnte früher zur Verfügung stehen. Der neue Plan sieht vor, dazu die bereits genehmigte Trasse der Rheinwasser-Transportleitung für den Tagebau Garzweiler zu nutzen, die dazu bis zum Tagebau Hambach verlängert werden müsste.

Frühestens im Jahr 2070, so sieht es der neue Plan zur Wiedernutzbarmachung des Tagebaus vor, könnte der neue Hambacher See seinen Zielwasserspiegel von 65 Metern Normalhöhennull erreichen und auf diesem Niveau gehalten werden. Um das zu erreichen, wird er einen natürlichen Ablauf zur Erft benötigen. Dafür sollen der Winterbach und der Wiebach erweitert werden. Spätestens dann dürfte die alte A 4 Geschichte sein.