Kerpen-Manheim – Da waren junge und alte Christen, die in tiefer Sorge um die göttliche Schöpfung stille Gebete sprachen. Da waren Schülerinnen und Schüler der Kölner Fridays-for-Future-Bewegung, die schon etwas lauter die Klimaschutz-Thesen der katholischen deutschen Bischofskonferenz zitierten und auf Widersprüche zum kirchlichen Handeln vor Ort hinwiesen.
Und da waren auch einige Aktivisten aus der autonomen Szene, die die Gebete der christlichen Demonstranten grinsend und feixend mit ihrem eigenen „Vater unser“ per Megafon zu übertönen versuchten: „Vater unser im Hambi, unseren täglichen Rausch gib uns heute, und vergib uns unser Chaos . . .“
Nicht ganz so stiller Protest
Bevor die Menschen aus Manheim am späten Samstagnachmittag den letzten Gottesdienst in ihrer altehrwürdigen Kirche St. Albanus und Leonhardus feierten, versammelte sich vor dem von einem starken Polizeiaufgebot abgesperrten Gotteshaus eine ziemlich bunt gemischte Schar von knapp 200 Demonstrantinnen und Demonstranten.
Zu „stillem Protest“ hatten die Initiatoren von Fridays for Future und weiteren Gruppen aufgerufen. Doch weil es an einem Versammlungsleiter fehlte, der das Ganze vielleicht in geordnete Bahnen hätte lenken können, wurde der Protest dann doch nicht so still wie geplant.
Neue Kapelle in der neuen Heimat
Rund 1700 Einwohner hatte Manheim, als 2012 mit der Umsiedlung wegen des Tagebaus Hambach begonnen wurde. Mittlerweile leben im alten Dorf nur noch ein paar Dutzend Menschen, aber schon fast 1000 in Manheim-neu. Dort wird demnächst auch mit dem Bau einer Kapelle begonnen, die mit ihrem 25 Meter hohen Turm ortsbildprägend sein soll. Rund 50 Sitzplätze wird die neue Kapelle haben, in die Teile der alten Kirche – etwa der Altar – eingebaut werden sollen. Das alte Dorf wird gerade abgebrochen. Ob die Fläche auch abgebaggert wird, ist angesichts des Kohleausstiegs offen. (wm)
Unverständnis bei Klimaaktivisten
Manche hielten schweigend einfach nur Banner mit wörtlich zitierten Kernthesen aus dem Papier der Bischöfe hoch: „Dem gefährlichen Klimawandel entgegenwirken“, „Aus den fossilen Energieträgern aussteigen“, „Globale Gerechtigkeit ins Zentrum setzen“ oder „Glaubhaft, zielorientiert und konsequent die Klimaziele umsetzen“ war da zu lesen. „Da hauen die Bischöfe solche Sprüche raus, und gleichzeitig verkaufen sie ihre Kirchen für viel Geld an den zerstörerischen Braunkohlekonzern RWE. Wie passt das zusammen? Da hätte ich mir von meiner Kirche doch deutlich mehr Widerstand gegen die Zerstörung von Natur und Heimat gewünscht“, meinte eine Demonstrantin.
Speziell mit Blick auf das alte Manheim ist das Unverständnis groß. Schließlich deute angesichts der neuen Kohleausstiegspläne inzwischen vieles darauf, dass der Braunkohlentagebau Hambach am Ende wahrscheinlich gar nicht bis zum Dorf vordringen werde und der Abbruch unnötig sei.
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Gläubige beschimpft
Während viele schweigend protestierten oder still beteten, stimmten andere kirchliche Lieder wie „Laudato si“ an. Wieder andere intonierten „Wehrt euch, leistet Widerstand“. Und das zeitweilig alles gleichzeitig. Die Polizei hatte zwar einige Mühe, das Terrain vor dem Haupteingang der Kirche freizuhalten. Doch zu nennenswerten Zwischenfällen kam es nicht, und auch der Gottesdienst selbst konnte ohne Störungen gefeiert werden. Die meisten Gottesdienstbesucher mieden den Kontakt mit den Demonstranten und gelangten über eine Seitentreppe aufs Kirchengelände.
Seinen unschönen Höhepunkt erlebte der „stille Protest“ nach dem Gottesdienst beim Auszug der Gläubigen aus der entwidmeten Kirche. Als die Manheimer und ihre Geistlichen in feierlicher Andacht Reliquien und andere sakrale Erinnerungsstücke ins Freie trugen, mussten sie an einem Polizeispalier und einer etwa 30-köpfigen Protestgruppe vorbei, aus der Pfiffe, Buhrufe und „Verräter, Verräter!“-Sprechchöre kamen. Die Polizei sprach hinterher von einem „zeitweise lautstarken Protest“.