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Erzbistum KölnMissbrauch in Rhein-Erft – „Langes Schweigen über Taten hat Betroffene sehr gequält“

Lesezeit 6 Minuten
Priester Michael Eschweiler segnet Motorräder in Wesseling.

Pfarrer Michael Eschweiler (Mitte) bei einer Motorradsegnung in Wesseling in 2011. (Archivbild)

Der Priester Michael Eschweiler war in mehreren Gemeinden in Rhein-Erft tätig. In Bedburg soll er eine 16-Jährige belästigt haben.

Das Erzbistum Köln sucht Hilfe bei der Aufklärung von Missbrauchsvergehen eines Priesters an Minderjährigen. Dafür hat es kürzlich den Namen des 2022 verstorbenen Geistlichen Michael Eschweiler veröffentlicht. Ihm wird in mehreren Fällen vorgeworfen, Minderjährige sexuell missbraucht zu haben. Das Erzbistum Köln bittet nun etwaige weitere Betroffene, sich zu melden.

Eschweiler war über Jahrzehnte in mehreren Gemeinden in Nordrhein-Westfalen tätig, unter anderem in Bedburg, Elsdorf, Bergheim und Wesseling im Rhein-Erft-Kreis. Von Betroffenen in Wesseling sei ihr nichts bekannt, sagt Monika Engels-Welter auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sie ist in Wesseling Pfarrgemeinderatsvorsitzende und erste stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt.

„Ich kannte Michael Eschweiler sehr gut, wir haben viel zusammen gemacht, und er war auch oft bei mir zu Hause, hat Feierlichkeiten in der größeren Familie begleitet“, sagt sie. Die Anschuldigungen gegen Michael Eschweiler hätten sie schockiert. „Es war wie ein Schlag ins Gesicht, als wir von den Vorwürfen erfahren haben.“ Sie sei betroffen und enttäuscht von einem Mann, den sie als einen guten Bekannten, wenn nicht sogar als einen Freund betrachtet hatte.

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Priester wollte in Bedburg mit einer 16-Jährigen intim werden

Innerkirchlich war es schon länger bekannt, dass es Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gab, die Eschweiler auch eingeräumt hat. Im Rechtsgutachten der Kölner Kanzlei Gercke-Wollschläger zum Umgang des Erzbistums Köln mit Missbrauchsvorfällen werden Verdachtsfälle gegen zahlreiche Geistliche beschrieben und auf Fehlverhalten des Erzbistums und seiner Amtsträger hin bewertet.

Unter den „Aktenvorgängen“, in denen das Gercke-Gutachten Verantwortlichen des Erzbistums Pflichtverletzungen zur Last legt, ist auch der Fall Eschweiler mit einer Reihe von Tatvorwürfen. Einer davon kann aufgrund der Datierung und Zeit der Versetzungen Eschweilers in der Gemeinde Bedburg verortet werden.

Demnach soll Eschweiler 2002 einer 16-Jährigen einen Brief geschrieben haben, in dem er ihr beschrieb, dass er im Traum mit ihr intim geworden sei. Diesen Traum wolle er Wirklichkeit werden lassen. „Sie könne ihm einfach ihre Hand oder einen Kuss geben, dann könnten sie den Traum leben“, so gibt das Gercke-Gutachten den Inhalt des Briefs wieder. Eine Gemeindereferentin habe kurz darauf von einem ähnlichen Brief des Priesters an eine Praktikantin des Kindergartens zweieinhalb Jahre zuvor berichtet.

Eschweiler durfte trotz der Missbrauchsvorwürfe als Seelsorger arbeiten

Nachdem der Leiter der Hauptabteilung Seelsorge-Personal Kenntnis von dem Vorwurf erhielt, konfrontierte er laut Gutachten den Priester damit. Eschweiler habe eingeräumt, den Brief geschrieben zu haben. Auch in einem von ihm verfassten Brief an den damaligen Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, bestätigte Eschweiler die Vorwürfe gegen ihn. Nur wenige Tage später soll er sich in psychotherapeutische Behandlung begeben haben. Er verzichtete auf Vorschlag des Erzbischofs „aus persönlichen Gründen“ auf alle Ämter und Aufgaben. Der Verzicht wurde noch am gleichen Tag angenommen. Der ehemalige Kreisdechant aus der Zeit, Gerhard Dane, bestätigt gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass dieser Vorfall in Bedburg stattgefunden hat und der Grund für Eschweilers Versetzung war.

Monika Engels-Welter aus Wesseling sagt über das Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Eschweiler: „Die Menschen in der Gemeinde sind enttäuscht und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen.“ Er sei beliebt gewesen. Er sei übergangsweise zwischen 2003 und 2004 in der Stadt tätig gewesen, in einer Zeit, in der die Pfarrstelle vakant war, so Engels-Welter.

Zwischen 2018 und 2019 habe er dann in Wesseling gewohnt, allerdings ohne seelsorgerische Tätigkeiten auszuüben. „Warum, wussten wir damals noch nicht.“ Die Leute seien gerne zu seinen Gottesdiensten gekommen. Für manche Veranstaltungen seien noch Stühle von draußen hereingeholt worden, weil so viele Leute ihn hören wollten. „Er hatte eine sehr offene, freundliche Art.“ Dies mit den schweren Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs in Einklang zu bringen, sei schwierig. „Ich fühle mich einfach sehr schlecht“, sagt sie.

Therapeut bescheinigte Eschweiler „Reifungs-Defizit“ – kein pathologisches Verhalten

Der Fall aus dem Jahr 2002 war jedoch nicht das erste Mal, dass Eschweiler wegen Vorwürfen sexuellen Missbrauchs oder sexuell grenzverletzenden Verhaltens aktenkundig wurde. Schon 1982 gab es Vorwürfe, er habe am Collegium Josephinum in Bad Münstereifel minderjährige Jungen missbraucht. Damals wurden nach Informationen des Gercke-Gutachtens vier potenziell Betroffene festgestellt. Auch hier habe Eschweiler laut Gutachten die Vorwürfe eingeräumt. Er wurde daraufhin vom damaligen Kölner Kardinal Joseph Höffner von seinen Aufgaben am Collegium Josephinum entpflichtet und suspendiert. Seine priesterlichen Funktionen durfte er damit nicht mehr ausüben.

Da es sich dabei jedoch um eine sogenannte Besserungsstrafe gehandelt habe, die laut Kirchenrecht nach Eintritt einer Besserung des Verhaltens verpflichtend aufzuheben ist, wurde die Suspendierung im November 1982 nach therapeutischer Behandlung zurückgenommen – mit der Auflage, dass Eschweiler in seiner priesterlichen Funktion nur aushilfsweise tätig werden durfte.

Ein Therapeut, der Eschweiler ab 1982 begleitete, stellte laut Gutachten fest, dass es sich bei „dem Mangel an Selbstkritik“ Eschweilers in Bezug auf die ihm vorgeworfenen Taten „nicht um ein pathologisches Symptom handelt, sondern um den Ausdruck eines Reifungs-Defizits“. Es sei daher „verantwortbar“ und „förderlich“, ihn als Kaplan zu beschäftigen. Im Frühjahr 1983 wurde Eschweiler zum Kaplan einer Pfarrei ernannt, 2000 durch Kardinal Meisner zum Pfarrer mehrerer Pfarreien.

Ich weiß, dass das langjährige Schweigen über die Taten die Betroffenen sehr gequält hat.
Gerhard Dane, ehemaliger Kreisdechant in Rhein-Erft

Als Eschweiler 2003 nach Wesseling kam, hatte er also kurz zuvor nach Missbrauchsvorwürfen und seinem Eingeständnis auf seine Ämter und Aufgaben verzichtet. In der Stadt am Rhein wurde er dennoch als Priester tätig, weil er von Meisner zum „Pfarrverweser“, also zum Stellvertreter im Pfarramt, ernannt worden war. Ein zuvor beauftragtes psychologisches Gutachten habe dem Geistlichen ein „undifferenziertes Objektbild, welches keine Präferenz hinsichtlich Pädophilie erkennen lässt“, bescheinigt, heißt es im Gercke-Gutachten. Der Therapeut sei zu dem Schluss gekommen, dass es zum damaligen Zeitpunkt keine Bedenken gegeben habe, den Beschuldigten in der Pfarrseelsorge einzusetzen.

Der Bedburger Gerhard Dane, ehemaliger Kreisdechant, betont, dass die Aufarbeitung solcher Missbrauchsfälle Priorität habe gegenüber dem Ruf von Verstorbenen. „Man muss auch Schlechtes über Verstorbene sagen können, damit wir solche Taten aufklären können.“ So schrecklich die Aufarbeitung für alle Betroffenen sei und alte Wunden aufreiße – das gehöre dazu, denn es gehe nicht zuletzt um die Verhütung weiterer Taten.

Und Dane macht sehr deutlich: „Ich weiß, dass das langjährige Schweigen über die Taten die Betroffenen sehr gequält hat. Es gehört zu unseren Hauptsünden als Institution, dass wir die Opfer nicht im Blick hatten und stattdessen unsere Institution geschützt haben. Damit haben wir auch uns selbst als Kirche großen Schaden zugefügt.“

Monika Engels-Welter sagt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, sie hoffe, dass sich etwaige weitere Betroffene beim Erzbistum melden. Was die Menschen erlebt hätten, müsse dringend aufgearbeitet werden. Aber auch für ihre eigene Pfarrei, in der bisher keine Missbrauchsfälle bekannt seien, bleibe die Frage: „Wer kümmert sich eigentlich um die enttäuschte Gemeinde?“ Die Frage beschäftigt die engagierte Christin nicht von ungefähr. „Was ist mit dem verlorenen Vertrauen in die Seelsorge?“ Genau wegen solcher Fälle, die oft zu spät und nicht vernünftig aufgearbeitet würden, kehrten viele Menschen der Kirche den Rücken.