Pulheim/Bornheim – „Ich musste einfach etwas tun“, beschreibt Bruno Schrage seine Gemütslage zum Zeitpunkt des Lockdowns im März. Dabei ging es dem 55-jährigen ehemaligen Breniger Pastoralreferenten und überzeugtem Christen zunächst um eine organisierte Nachbarschaftshilfe im Ort. „Ich habe jetzt Zeit, auf mich kannst zu zählen“, gab ihm sogleich auch Jens Streifling von der Kölner Kultband Höhner das Signal, ihn unterstützen zu wollen. Streifling wohnt so wie Schrage in Bornheim-Brenig. Mehr als 40 Ehrenamtler füllten damals das ehrenamtliche Nachbarschaftsprojekt mit Leben. Und gut erinnert sich Schrage an die Rede der Bundeskanzlerin, die bei ihm den unbedingten Wunsch auslöste, den Menschen Mut zu machen und den Zusammenhalt zu stärken.
„So entstand die Idee eines Mutmachsongs gegen Corona“, berichtet er. Bei Jens Streifling lief er mit dieser Idee offene Türen ein. „Mach mal, habe ich Bruno gesagt“, berichtet Streifling. Und Schrage machte. „Ich bin nachts wach geworden und wusste den Text“, erinnert er sich. Gleich am nächsten Morgen habe er die Zeilen an Streifling geschickt und dessen Frau Lidia, eine ausgebildete Geigerin und Musikerin, habe spontan die Melodie zum Text komponiert.
Millionen Mal geklickt
Das war die Geburtsstunde des Songs „Zeit für Menschlichkeit“. Das erste Demoband überzeugte dann nicht nur „Songwriter“ Schrage, sondern auch den Stommelner Frontmann der Höhner, Henning Krautmacher. „Ich dachte sofort: klasse! Transzendent und auf den Punkt!“, sagt Krautmacher. Gemeinsam habe man dann noch am Text gefeilt.
Seit drei Wochen ist eine internationale Fassung des Songs in Kooperation mit Caritas International online veröffentlicht: „Time for sympathy and love“. Wieder waren es Jens Streifling und Bruno Schrage, die nach dem Brand im Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Moria handeln wollten. „Wir wollten ein Zeichen setzen.“ Die wenigsten Menschen wüssten, dass mehr als 25 Millionen Kinder und Jugendliche ihre Heimat wegen Krieg und Hunger verlassen müssten. Und Zeit für Menschlichkeit, Liebe und Sympathie gelte ja alle Menschen.
„Das Lied beschreibt die Ängste der Flüchtlinge auf ihrer Flucht und ihr Entsetzen bei ihrer Ankunft in den Flüchtlingslagern“, sagt Schrage. „Bei allem Verständnis für die Sorgen und Nöte, die wir alle in der Pandemie mit uns selbst haben, wollten wir diejenigen, die noch obdachloser als Obdachlose sind, nicht vergessen“, ergänzt Henning Krautmacher. Deshalb hätten sie die englische Sprache für das Lied gewählt und internationale Künstler gebeten, Teil der Aktion zu werden.
Auch die internationale Fassung mit Chris de Burg, Foolsgarden, Tom Gabler und anderen ist kostenlos und nur im Internet zu haben. Um Spenden wird gebeten. Sie gehen komplett an die Flüchtlingshilfe von Caritas International. (mkl)
Ganz besonders freute sich Schrage über die Bereitschaft der vielen Musiker, die nach seiner Anfrage direkt bereit waren, beim Songprojekt mitzumachen. „In nur 24 Stunden hatten wir mehr als zehn Zusagen von Musikern aus ganz Deutschland, unter anderem von Bernd Stelter, Michael Kuhl und Ela T.“ Die Interpreten filmten sich dann selbst zu Hause bei ihren Musikvorträgen und schickten die Filme an Elias, Jens Streiflings Sohn. Der drehte in Brenig und in Köln kurze Filmsequenzen und erstellte das Musikvideo. Letztlich habe dann Schrages Arbeitgeber, der Diözesan-Caritasverband, die Öffentlichkeitsarbeit übernommen.
Denn weder die Höhner noch Bruno Schrage wollten mit dem Lied Geld verdienen. Sämtliche Einnahmen werden an die Kölner Obdachlosenhilfe gespendet. Dass ihr Lied jedoch einen solchen Erfolg haben könnte, hätte damals keiner der Initiatoren für möglich gehalten. „Umso mehr freue ich mich darüber“, sagt Krautmacher. Die Resonanz sei fantastisch und die Botschaft ganz offensichtlich angenommen worden.
Das Lied, „Zeit für Menschlichkeit“ ist nicht als Verkaufs-single zu haben, sondern im Internet frei verfügbar. „Das war uns ganz wichtig“, betonen Streifling und Schrage. „Die aktuelle Spendensumme beträgt bisher mehr als 28 000 Euro.“ Der Song sei schon mehr als zwei Millionen Mal bei Facebook und Youtube angeklickt worden. „Er hat genau die Emotionen ausgelöst, die wir uns erhofft hatten“, sagt Schrage demütig. Inzwischen gebe es sogar eine Anfrage eines großen Fernsehsenders für den Jahresrückblick 2020.