Rhein-Erft-Kreis – Diplom-Volkswirt Jörg Hamel ist Geschäftsführer des Handelsverbands NRW Aachen-Düren-Köln und damit auch für den Rhein-Erft-Kreis zuständig. Der Verband vertritt die Interessen von landesweit rund 100.000 Einzelhandelsbetrieben. Mit über 700.000 Beschäftigten erwirtschaftet der nordrhein-westfälische Einzelhandel jährlich rund 100 Milliarden Euro Umsatz – in normalen Zeiten. Joachim Röhrig sprach mit dem Experten über die Situation der Einzelhändler im derzeitigen Lockdown.
Herr Hamel, mit unterschiedlichen Konzepten für den Außer-Haus-Verkauf versuchen derzeit viele Einzelhändler auch aus dem Rhein-Erft-Kreis, sich irgendwie durch den neuerlichen Lockdown zu hangeln. Eine echte Chance oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Viele kleinere und mittlere Einzelhändler verfügen nicht über professionelle Online-Shops. Für sie ist das sogenannte „click & collect“ im Moment die einzige Möglichkeit, überhaupt noch ein bisschen Ware an die Kundin und den Kunden zu bringen.
Die Händler nehmen Bestellungen telefonisch, über ihre Homepage oder über die sozialen Netzwerke entgegen, und die Kunden holen sich die Sachen dann vor den Geschäften ab. Bei manchen Läden kann man sich Artikel auch im Schaufenster aussuchen und dem Händler dann ein per E-Mail ein Foto davon schicken. Das alles gleicht die enormen Umsatzverluste durch den Pandemie-bedingten Lockdown aber nicht annähernd aus.
Weshalb setzen viele Händler trotzdem auf click & collect, wenn es sich eigentlich kaum lohnt?
Einerseits zählt im Moment für nicht wenige Geschäftsleute wirklich jeder einzelne Euro, um wenigstens ein bisschen Geld für die Ladenmiete und andere Fixkosten hereinzubekommen. Nicht zuletzt geht es aber auch darum, den Kunden zu zeigen: Seht her, wir sind auch unter schwierigsten Umständen weiterhin für euch da. Kommt bitte her und haltet uns die Treue. Kundenbindung lautet hier das Stichwort. Leicht ist das alles nicht. Man muss sich ja nur mal in den Einkaufsstraßen im Kreisgebiet umsehen. Vielerorts herrscht gähnende Leere, zumal die Cafés und Restaurants, die normalerweise ja auch Leute in die Stadt ziehen und den Einkaufsbummel für viele Kunden erst richtig attraktiv machen, seit vielen Wochen geschlossen sind.
Wie lange können die Einzelhändler diese schwierige Situation denn noch durchhalten, und wie ist die Stimmungslage?
Immer mehr von denjenigen Unternehmen, die nicht auf Lebensmittel und andere Waren des täglichen Bedarfs spezialisiert sind, wissen nicht, wie es weitergehen soll. Die Situation spitzt sich fast im gesamten Non-Food-Bereich quasi von Woche zu Woche immer mehr zu. Manchen Händlern und Dienstleistern ist die Geschäfts- und Existenzgrundlage praktisch komplett weggebrochen.
Und weil auch die staatlichen Überbrückungshilfen längst nicht so üppig und unkompliziert fließen beziehungsweise noch gar nicht beantragt werden können, wie von der Politik zugesagt, ist inzwischen sogar von Händlern zu hören, die ihre Läden im Rahmen von Protestaktionen aus purer Verzweiflung einfach wieder aufmachen wollen. Das ist allerdings nicht unsere Art und Weise, der Politik klarzumachen, dass sie dem Einzelhandel dringend bessere und schnellere Hilfestellungen geben muss. Unser Verband hat Brandbriefe an die Bundeskanzlerin und den Finanzminister geschrieben, und wir hoffen inständig, dass sie sehr schnell Wirkung zeigen werden.