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Messe per Live-StreamWesselinger Pfarrer reagierte schnell auf Corona-Absagen

Lesezeit 4 Minuten

Gebet vor leeren Stuhlreihen: Pfarrer Rüdiger Penczek feierte in Wesseling einen Gottesdienst, der nur im Internet übertragen wurde.

Rhein-Erft-Kreis – „Kraft, Zuversicht und Gottes Beistand all jenen, die bereits schwer erkrankt sind oder die in Quarantäne ausharren müssen. Gleiches den Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften, die sich in diesen schweren Zeiten um die Patienten kümmern. Und gutes Gelingen den vielen nach einem Corona-Impfstoff suchenden Forscherteams.“ – Die allesamt um das tückische Virus kreisenden Fürbitten waren gerade zu Ende gesprochen worden, und der katholische Pfarrer Engelbert Zobel wollte schon mit den Abendmahlvorbereitungen beginnen, als eine Gemeindemitarbeiterin am Samstag gegen 18.30 Uhr kurzentschlossen vor den Altar der Mödrather St. Quirinus-Kirche trat: „Soeben erreicht uns die Nachricht, dass das Erzbistum Köln alle vom morgigen Sonntag bis zum Karfreitag geplanten öffentlichen Gottesdienste abgesagt hat.“

„So etwas habe auch ich in dieser Form noch nicht erlebt.“

Die Katholiken in Mödrath erlebten also unvermutet eine der vorerst letzten geistlichen Feiern mit. „Jetzt hat auch uns der Corona-Notstand endgültig erreicht. Lasst uns deshalb noch einmal umso inniger gemeinsam beten“, wandte sich Engelbert Zobel spontan an die knapp 30 in die Vorabendmesse versammelten Gläubigen, „nein, so etwas habe auch ich in dieser Form noch nicht erlebt.“

Das will schon etwas heißen. Der Geistliche, der sich eigentlich längst im Ruhestand befindet und trotzdem gelegentlich noch Gottesdienste in St. Quirinus abhält, ist bereits 87 Jahre alt und erinnert sich noch gut an die schlimmen Jahre am Ende des 2. Weltkriegs: „Damals fanden manche Gottesdienste in Luftschutzkellern statt. Aber sie fanden statt, und wir sind dabei ganz eng zusammengerückt. Zusammenrücken: Genau das dürfen wir nun vorerst nicht mehr. Wir müssen körperlich auf Distanz voneinander gehen. Aber wir sollten uns gemeinsam bemühen, geistig und geistlich gerade jetzt erst recht zusammenzurücken.“

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In den Kirchen stehen Desinfektionsmittel, die Weihwasserbecken sind leer.

Noch am Freitag und bis in den Samstagnachmittag hinein waren hochrangige hiesige Repräsentanten der beiden großen christlichen Kirchen davon ausgegangen, dass man an Absagen öffentlicher Gottesdienste vorbeikommen würde. „Konzerte, Treffen kirchlicher Gruppen und viele weitere Veranstaltungen müssen ausfallen. Wir sind aber zuversichtlich, dass wenigstens die Gottesdienste unter Einhaltung strenger Hygiene-Regeln weiterhin stattfinden können“, erklärte Kreisdechant Achim Brennecke am Freitagnachmittag.

Ganz ähnliches vermutete zu diesem Zeitpunkt noch Sammy Wintersohl vom Presseamt des auch für den Rhein-Erft-Kreis zuständigen evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. „Aber man weiß ja nie. Die Ereignisse überschlagen sich; morgen kann alles schon wieder ganz anders aussehen“, hatte Wintersohl schon ungute Vorahnungen.

Kaplan Thorben Pollmann predigte noch in Glessen.

Auch mehrere muslimische Verbände haben die Freitagsgebete inzwischen ausgesetzt. Die chrstlichen Kirchen hoffen nun, dass die für nach Ostern geplanten Kommunions- und Konfirmationsfeiern zumindest in beschränktem Rahmen wieder stattfinden können. Bis dahin sollen verstärkt nichtöffentliche Gottesdienste im Fernsehen, im Radio und im Internet ausgestrahlt werden. Am Samstagabend erfuhr auch der evangelische Pfarrer Rüdiger Penczek, der dem Kreissynodalvorstand angehört, in Wesseling von der dringenden Empfehlung des regionalen Kirchenverbandes, dass nicht nur die Gemeinden in Köln, sondern auch die im Umland auf öffentliche Gottesdienste verzichten mögen – eine Reaktion auch auf das kurz zuvor von der Stadt Köln verhängte Veranstaltungsverbot: „Unsere einzelnen Gemeinden vor Ort können unter Beachtung der behördlichen Vorgaben selbst entscheiden“, so Penczek, „aber ich gehe davon aus, dass die meisten Gottesdienste ab Sonntag kreisweit abgesagt werden.“

Er selbst setzte sich noch am Samstagabend mit Henning Stachel vom Technikteam der Apostelgemeinde in Verbindung – und es wurde spontan beschlossen, am Sonntagvormittag einen Livestream-Gottesdienst ohne Publikum übers Internet auszustrahlen. So waren er selbst und Kirchenmusiker Thomas Jung gestern fast die einzigen Menschen im Gotteshaus. Ziemlich souverän betete, predigte und sang der Pfarrer vor den leeren Stuhlreihen, stets mit Blick in die auf der Empore aufgebaute Kamera.

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„Ich habe mich inzwischen zum Glück an Auftritte vor laufender Kamera gewöhnt“, erklärt Penczek augenzwinkernd und verweist auf seinen seit zwei Jahren laufenden Youtube-Kanal unter dem Titel „angedacht“, über den er sich regelmäßig mit Ansprachen an die Gläubigen wendet.

Über den „angedacht“-Kanal lief gestern auch der weiterhin verfügbare Gottesdienst, in dem der Pfarrer dazu aufrief, die Krise auch als Chance zur Besinnung auf das zu begreifen, was im Leben wirklich wichtig ist – beispielsweise ein solidarisches Miteinander gerade in schweren Zeiten.