Eine Umfrage des Netzwerks Correctiv untersucht, wie gut Deutschland auf den Klimawandel vorbereitet ist. Wir haben genauer nachgefragt.
Jahrhundertflut und KlimawandelRhein-Erft gibt 0,01 Prozent des Haushalts für Klima-Konzept aus
Lang anhaltende Hitzewellen, Dürre, Hochwasser und Starkregen sind extreme Wettereignisse, die auch in unserer Region immer häufiger auftreten. Es sind deutliche Zeichen des Klimawandels, die sich hier bemerkbar machen – greifbar für alle. Die Menschen im Rhein-Erft-Kreis haben das vor zwei Jahren mehr als deutlich zu spüren bekommen, als der Starkregen im Juli 2021 ein Jahrhunderthochwasser verursachte, auf das niemand vorbereitet war.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde vielen Menschen in NRW bewusst: Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, um in Zukunft besser an Extremwetterereignisse angepasst zu sein. Einige Regionen haben das schon in Angriff genommen. Das zeigt eine Umfrage des Recherchenetzwerks Correctiv, NDR Data, BR Data, und WDR Quarks. Die Recherche untersucht, wie die Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet sind.
Der Rhein-Erft-Kreis hat sich als einziger Kreis in unserer Region nicht an der Umfrage beteiligt. Wir haben beim Kreis noch einmal nachgefragt und für einzelne Punkte aus der Correctiv-Umfrage erneut um Antwort gebeten.
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Rhein-Erft-Kreis veranschlagt 140.000 Euro für ein Klimaanpassungskonzept
Auf die Anfrage des Kölner Stadt-Anzeigers gibt der Kreis an: Der Kreistag habe ein Klimaanpassungskonzept beschlossen, das noch dieses Jahr besprochen werden soll. Anschließend würde die Erarbeitung des Konzepts durch ein Fachbüro ausgeschrieben. „Für die Erstellung des Klimaanpassungskonzepts sowie gegebenenfalls erster Maßnahmen sind aktuell insgesamt 140.000 Euro im Haushalt 2023/24 vorgesehen“, teilt die Kreisverwaltung mit. Das sind von den 1,3 Milliarden Euro Gesamtvolumen des Kreishaushalts etwa 0,01 Prozent.
Hinter dem Begriff „Klimaanpassungskonzept“ verbirgt sich ein Programm, um sich an häufiger auftretende Extremwetterereignisse als Folge des Klimawandels anzupassen. Es geht hierbei also explizit nicht um Klimaschutzmaßnahmen wie die Emissionsverringerung. Darüber hinaus weist der Rhein-Erft-Kreis darauf hin, dass die überwiegenden Maßnahmen zur Klimaanpassung in der Zuständigkeit der jeweiligen Kommunen lägen.
Klimaanpassungsmaßnahmen können zum Beispiel Aufforstung, Fassaden- und Dachbegrünung, die Förderung langsamer Abflusssysteme wie Sickergruben gegen Starkregen, das Schaffen von Überflutungsflächen, der Bau von Deichen und Mauern gegen Hochwasser sein oder das Entsiegeln von Flächen gegen Hitze und Wasserstau. Dass Maßnahmen gegen hohe Temperaturen notwendig sind, zeigen auch jüngste Zahlen zu Hitzetagen in der Region.
Es wird heißer – in diesem Fall: Es gibt mehr besonders heiße Tage. In den 30 Jahren von 1961 bis 1990 hatte Köln durchschnittlich 6,2 Tage über 30 Grad Celsius im Jahr. Im Zeitraum von 1993 bis 2022 waren es fast doppelt so viele mit 11,3. Das ist ein Anstieg von etwa 83 Prozent.Und damit entwickelt Köln sich nicht einmal am drastischsten, auch wenn die Anzahl der Hitzetage hier am höchsten ist.
Den deutlichsten Anstieg zeigen die Daten im Kreis Euskirchen. In den letzten 30 Jahren gab es hier zwar nur durchschnittlich 5,7 Hitzetage (das sind genauso viele wie in Leverkusen vor 1990), aber ausgehend von 2,2 Tagen im Betrachtungszeitraum zuvor ist das mehr als eine Verdopplung. Ebenfalls mehr als doppelt so viele Hitzetage sehen der Oberbergische Kreis und der Rheinisch-Bergische Kreis. Am wenigsten stiegen die Hitzetage in Bonn an (69 Prozent, von 6,4 auf 10,8). Der Rhein-Erft-Kreis liegt hier im oberen Mittelfeld. Die Hitzetage entwickeln sich ähnlich wie in Köln – sind aber im Durchschnitt geringer. (pic)
Einige Maßnahmen, um auf Klimafolgen besser vorbereitet zu sein, hat der Rhein-Erft-Kreis schon getroffen, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Besonders aus der Flutkatastrophe 2021 habe man durchaus Lehren gezogen. So seien insbesondere die Erkenntnisse eines Experten aus dem Kreis hinsichtlich des „Katastrophenschutzes als Aspekt von Klimafolgenanpassung“ in das Strategiepapier des Landes NRW „Katastrophenschutz in Nordrhein-Westfalen – Vorschläge für eine Weiterentwicklung“ eingeflossen.
Bei der Jahrhundertflut wurden die Landeskonzepte zum Katastrophenschutz zum ersten Mal seit ihrem Bestehen voll umgesetzt – und reichten nicht aus. Während der Flut waren nicht nur alle betroffenen Bereitschafts-Rettungsdienste im Einsatz, sondern auch die aus den Nachbarorten. Darum lautet der Vorschlag, im Katastrophenschutzbedarfsplan die Einsatzkräfte für den Ernstfall zu erhöhen und mit geübten Krisenstäben übergreifend zu steuern. Darüber hinaus sei eine kreisübergreifende Hochwasserschutzkooperation eingerichtet worden.
Rhein-Erft: Grundwasserschutzmaßnahmen sollen verschärft werden
Der Kreis selbst habe Trink- und Grundwasserentnahmen stärker reglementiert. Für die Entnahme von Grundwasser durch Privatpersonen oder landwirtschaftliche Betriebe sei ohnehin eine „wasserrechtliche Erlaubnis“ der Unteren Wasserbehörde (UWB) erforderlich. Die werde nur erteilt, wenn nicht mehr Wasser entnommen wird, als sich wieder neu bildet. Und es gibt Auflagen: Beispielsweise wird überprüft, ob die beantragte Wassermenge wirklich notwendig ist. Außerdem sollen alle Daten – Qualität, Menge und Pegelstände – in einem Wasserbuch gesammelt und an die Behörde gegeben werden. Wird weniger Wasser entnommen, als erlaubt, wird die Höchstmenge im Folgejahr nach unten korrigiert.
Außerdem sei für Flüsse und Bäche ein Pegel festgelegt, der in Dürreperioden nicht unterschritten werden darf, um die Gewässer zu schonen. Zusammenfassend: Die UWB will Grundwasserentnahmen kritischer als zuvor überwachen.
Hürth will mobile Flutzäune gegen Starkregenfluten einsetzen
Die Kommunen im Rhein-Erft-Kreis haben verschiedene Projekte für ihre Gebiete in Angriff genommen, um sich gegen Klimafolgen zu wappnen. Hürth hat beispielsweise seit den aktuellen, starken Regenfällen einen sogenannten Flutzaun im Einsatz.
Das sind etwa 70 Zentimeter breite Kunststoff-Elemente, die zusammengesteckt werden können. An den Nähten und am Boden sind sie mit Moosgummi beschichtet, sodass sie auch auf unebenen Böden gut abdichten können. Sobald Wasser gegen die Konstruktion fließt, werde sie noch stabiler, erklärt Dirk Franken, der Werkmeister Abwassernetz bei den Stadtwerken Hürth (SWH). So halte der Flutzaun Wasser bis zu einer Höhe von 50 Zentimetern zurück.
Dieser mobile Flutzaun soll bei den Stadtwerken vor allem dazu dienen, technische Einrichtungen wie Pumpstationen vor Flutungen zu schützen. „Die Pumpstationen liegen meist in einer Senke, die schnell volllaufen kann“, sagt Silvio Kaminski, Teamleiter der Abteilung Entwässerungsnetz bei den SWH. Fallen solche Wasserpumpen aus, drohen weitere Überschwemmungen. Auch im Falle eines Rohrbruchs kann der Flutzaun eingesetzt werden, um Wasser umzuleiten.
Im Rhein-Erft-Kreis werden dürreresistente Bäume angepflanzt
Ein anderes Wetterextrem, mit dem wir uns in NRW auseinandersetzen müssen, sind Dürren. Auch sie nehmen in den vergangenen Jahren immer weiter zu und bereiten vor allem der Landwirtschaft Probleme.
Im Rhein-Erft-Kreis wurde mithilfe von Organisationen wie der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Rhein-Erft e.V., der Stiftung Wald in Not, und „Prima Klima“, sowie zahlreichen Spenden, gezielt aufgeforstet und der Waldanteil auf ca. 220 Hektar erhöht. Bei der Neuanpflanzung werden auch an Kreisstraßen „klimaresiliente Baum- und Pflanzenarten“ verwendet. Diese Pflanzen – unter anderem Buchen, Ahorn-Arten oder Wild-Apfel – sollen eine besonders hohe Trockenheits- und Hitzetoleranz aufweisen. Wichtig dabei: Mischwälder sollten sehr heterogen angelegt werden, um Schäden etwa durch Schädlinge zu vermeiden.
So habe es in Bergheim in der Erftaue eine Erstaufforstung auf sechs Hektar gegeben. In Erftstadt wurden Bäume im zwischen 2022 und 2023 auf einer Fläche von 2,6 Hektar neu aufgeforstet, und in Pulheim-Sinnersdorf seien vorrangig Roteichen auf etwa fünf Hektarn als künftige „Klima Art“ gepflanzt worden.
Zur Methodik
Correctiv.Lokal bezieht sich bei den Dürredaten auf Erkenntnisse des „UFZ Hemholtz Zentrum für Umweltforschung“. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dort sprechen von Dürre, wenn die Feuchtigkeit im Boden „unter das langjährige 20-Perzentil fällt“. Das bedeutet: Wenn man die Werte eines Zeitraums betrachtet, fallen die Werte unter die trockensten 20 Prozent der Jahre. Wie stark die Dürre ist, wird in diesem Schritt noch nicht betrachtet.
Im Rhein-Erft-Kreis hat sich die durchschnittliche Dürredauer zwischen den jeweiligen 30-Jahr-Zeiträumen um 0,5 Monate gesteigert, das sind etwa 15 Tage Dürre mehr. Betrachtet man insbesondere den aktuellsten Beobachtungszeitraum, also die Jahre von 1993 bis 2022 genauer, wird klar, wann genau diese Steigerung stattfindet. Waren von 1993 bis einschließlich 2017 etwa noch nur 2 Monate besonders trocken, ist der Anstieg in den letzten fünf Jahren des Zeitraums enorm.
Von 2018 bis 2022 war es mehr als fünf Monate lang zu trocken für die Landwirtschaft. An sogar mehr als acht Monaten war es so trocken, dass Wälder nicht mehr ausreichend Wasser ziehen konnten. Das sind mehr als zwei Drittel des Jahres.
Wichtig zu beachten: Diese Zahlen bilden nicht nur die Tatsache ab, dass es im Sommer trockener ist als im Winter. Im Vergleich zu anderen Werten, die in den entsprechenden Monaten gemessen wurden, muss die Feuchtigkeit im Boden geringer als 80 Prozent der Ergebnisse sein, um als Dürre bezeichnet zu werden. (pic)
Weitere Maßnahmen der Rhein-Erft-Kreis-Kommunen sind laut Angaben der Kreisverwaltung unter anderem die Begrünung von Fassaden und Dächern, mehr Bäume, der verzögerte Abfluss von Niederschlagswasser, die Entsiegelung von Flächen und die Anwendungen von Schwammstadt-Prinzipien.
So fördern zum Beispiel die Städte Brühl, Wesseling, Bergheim, Kerpen und Pulheim die Begrünung von Dächern. Die Verdunstung durch die Pflanzen kühlt damit die unmittelbare Umgebung um das Haus herum an heißen Tagen ab, während die Bepflanzung im Winter als Wärmespeicher dient.
Eine weitere Maßnahme, die Kreis und Kommunen angehen, sind Beratungen der Bevölkerung bei Hitze durch das Gesundheitsamt. Vorsorge wie Raumlüftung, Schatten, Kleidung, Ernährung und das Vermeiden von körperlicher Belastung im Freien stehen dabei im Vordergrund.