Wesseling – Seit über zehn Jahren wird der Bereich zwischen Rhein und Westring neu gestaltet. Aktuell wird die Bahnhofsunterführung in der Innenstadt umgebaut, der Platz vor dem Rathaus soll folgen. Mehrere Millionen Euro investiert die Stadt für eine moderne Innenstadt, und doch scheint der Ladenleerstand groß. Jennifer Seidel sprach mit Ulrike Belling, Wirtschaftsförderin der Stadt Wesseling.
Die Stadt saniert die Fußgängerzone und trotzdem scheint es einen großen Ladenleerstand zu geben?
Belling: Man muss genau hinschauen. Dass, was als Leerstände wahrgenommen wird, ist zum Teil schon in der Vermietung. In Wesseling haben wir einen effektiven Leerstand von 5,8 Prozent. In vielen Städten sind es bis zu 20 Prozent. Der Durchschnitt liegt bei zehn Prozent. Rund ums Rathaus funktioniert kein Einzelhandel mehr. Stattdessen möchten wir uns auf Dienstleistungen und Gastronomie fixieren, und da brauchen manche Projekte einfach länger. In der Flach-Fengler-Straße, wo der meiste Handel stattfindet, gibt es aktuell nur einen einzigen Leerstand.
Warum entsteht dann der Eindruck, hier ständen so viele Geschäfte leer?
Das Problem ist, dass ein Geschäft vielleicht aktuell leer ist, aber wir in vielen Fällen schon mit neuen Mietern verhandeln. Ja, man sollte die Leerstände optisch aufhübschen, bis sie wieder genutzt werden. Ein Ladenlokal haben wir jetzt mal mit einer Zwischennutzung füllen können. Aber nicht alle Eigentümer lassen sich von Zwischennutzungen oder optischer Aufwertung überzeugen. Wichtig wäre eine Beleuchtung oder ein gutes Erscheinungsbild. Bestenfalls mit folierten Scheiben und Informationen zur baldigen Nutzung.
Auffällig ist die alte Post. Warum geht es da nicht weiter?
Die Post hat nach wie vor ihr Verteilzentrum im ersten Stock, auch wenn die Postbank im Erdgeschoss nicht mehr existiert. Schon aus datenschutzrechtlichen Gründen kann die Post keinen Teil ihres Gebäudes an einen Dritten abgeben – also auch nicht an eine privat betriebene Postfiliale. Im Erdgeschoss sind noch die Postfächer, die weiter genutzt werden. Die Stadt hat also auf manche Leerstände keinen Einfluss.
Was kann die Stadt machen, um dem Innenstadtsterben entgegenzuwirken?
Zum einen ist das die Beratung von Eigentümern und Mietinteressenten und die Vermittlung, indem wir potenzielle Mieter ansprechen sowie die Hilfe bei der konkreten Umsetzung von Projekten. Wir unterstützen zum Beispiel bei den Genehmigungsverfahren in der Verwaltung und betreuen Mieter bei der Eröffnung. Gleichzeitig werden die Unternehmen in den Unternehmensverteiler aufgenommen und über alles, was in der Stadt passiert, informiert. Bei der Vermittlung von Leerständen ist es wichtig, auf den passenden Nutzungsmix zu achten. Also beispielsweise rund um das Rathaus mehr auf Dienstleistungen statt auf Handel zu setzen. Wir müssen Menschen in die Stadt bringen, ohne dass sie zwangsläufig zum Einkaufen da sind.
Gibt es konkrete Maßnahmen, die geplant sind?
Es ist in der Planung, zwei Leerstände in Rathausumgebung mit Kindertagespflegeeinrichtungen der Stadt zu füllen. Diese werden aufwendig saniert, ähnlich wie die Seniorentagespflegeeinrichtung „Am Rhein“. Die Apotheke gegenüber vom Rathaus schließt. Dort haben wir dann ein paar Einheiten nebeneinander, die leer sind. Das ist natürlich auffällig. Die Einheiten sind zum Teil sehr klein und bisher auch recht teuer gewesen. Wir führen mit dem Eigentümer Gespräche, und für die Apotheke ist vielleicht auch schon eine Nachnutzung in Aussicht. Außerdem beginnen wir gerade mit den Arbeiten am „Bürgerbahnhof“. Dort wird die Stadt neben einer Gastronomie auch eine Beratungsstellen unterbringen. Das holt Publikum an den Bahnhof und in die Innenstadt.
Wie sieht die Zusammenarbeit mit Einzelhändlern aus?
Ich kenne fast jeden Eigentümer und jeden Mieter in der Innenstadt, und von diesen Kontakten lebt unser Zentrenmanagement. Dadurch erfahre ich, wo ein Leerstand droht und kann mich um Ersatz kümmern. Ich stehe auch immer für die neuen Nutzer parat, um mit ihnen die Nutzungsänderung, Gewerbeanmeldung und so weiter in der Verwaltung vorzunehmen. Den Einzelhandel unterstützt die Stadt auch durch Digitalisierungsworkshops.
Was wünschen Sie sich für die Innenstadt in fünf Jahren?
Die Innenstadt wird auf jeden Fall mehr von Dienstleistungen und von Gastronomie geprägt sein. Dadurch werden Menschen in die Stadt gelockt, die dann auch hier einkaufen und sich aufhalten. Durch die Nähe zum Rhein und durch den Umbau des Fußgängertunnels sowie des Bahnhofsgebäudes wird die Innenstadt optisch weiter aufgewertet, so dass sie noch mehr Aufenthaltsqualität zu bieten hat. Und da das Wohnen in der Innenstadt schon gegeben ist, wird es hier auch belebt sein. Nur alles einkaufen wird man hier nicht mehr können.