Hennef – Sie ist eine waschechte Henneferin. Eva Christiansen wurde 1969 im Krankenhaus in Geistingen geboren, dem heutigen Helenenstift. Sie ist in der Kleinstadt aufgewachsen, hat ihr Abitur am Städtischen Gymnasium abgelegt und im Kur-Theater an der Kasse gesessen.
Ihr weiterer Weg aber führte sie an die Schaltzentrale der Macht, ins Bundeskanzleramt an die Seite von Angela Merkel. Sie war Medienberaterin und Leiterin des Stabes für politische Planung, Strategie und Innovation. Zuletzt war sie Abteilungsleiterin für die Digitalpolitik.
Vorgezeichnet war dieser Weg nicht. In Hennef hat sie keine Parteikarriere gemacht, war nicht bei der Jungen Union engagiert. „Ich war aber immer politisch interessiert“, sagt die heute 52-Jährige, „mit einer Freundin, die bei den Jusos aktiv war, habe ich nächtelang diskutiert.“
Aus einem konservativen Elternhaus kommend, konnten die Sozialdemokraten sie nicht überzeugen. In Bonn studierte sie Volkswirtschaftslehre, machte ihr Diplom. In einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft fand sie ihre erste Anstellung, als Assistentin.
Arbeit als Steuerprüferin war Durchgangsstation
Unternehmen prüfen, Bewertungen erarbeiten. Nach zwei Jahren war Christiansen klar: „Steuerprüfer ist nicht meins.“ Also wechselte sie in einem Kölner Unternehmen ins Controlling. „Ich mochte nicht so gerne Routine, ich möchte lieber was Neues ausprobieren.“
Ihr Karrierestart in der CDU war dann eher ein Zufall. Der Nachbar ihrer damaligen Kölner Wohnung war Büroleiter beim damaligen Generalsekretär Peter Hintze. Schließlich gewann er sie für die JU, 1998 wurde sie Parteimitglied.
Politik erklären können
In der Bundesgeschäftsstelle gab es eine Vakanz, der Job der stellvertretenden Pressesprecherin musste neu besetzt werden. Aus den angeregten Debatten wusste der Büroleiter, dass Christiansen Veränderungen suchte. Auch wenn ein Headhunter sie fragte: „Wie kannst du das machen?“
Am 1. April 1998 trat sie die Stelle an, in einer schwierigen Zeit. Die CDU verlor kurz darauf die Bundestagswahl, doch sie blieb. „Immer ansprechbar sein, Politik erklären können, das hat mir sehr viel Spaß gemacht“, erinnert sie sich. Angela Merkel kam als Generalsekretärin, sie brachte keine eigene Pressesprecherin mit.
Die Henneferin stieg am 1. Januar 1999 zur Pressesprecherin der CDU auf. Die Spendenaffäre wurde zur Feuertaufe. „Das war die absolut große Herausforderung.“ Zu diesem Zeitpunkt begann die Beschleunigung durch die Online-Portale.
„Die Journalisten hatten oft die Informationen vorher, die Pressestelle lief hinterher“, erinnert sich Christiansen. „Was mich an Politik immer fasziniert hat, war, dass es immer was Neues gab, wenig Routine, auf viele Ereignisse konnte man sich nicht vorbereiten, musste sich immer wieder neu aufstellen.“
Merkel wurde Fraktionsvorsitzende, Christiansen folgte ihr als Pressesprecherin der Bundestagsfraktion. 2005 begannen die Kanzlerinnenjahre, die Henneferin ging hochschwanger mit ins Bundeskanzleramt. Nach kurzer Babypause zog sie fest nach Berlin, wurde Medienberaterin und Pressesprecherin für die Bundeskanzlerin.
2009 kam der Stab für politische Planung dazu, sie entwickelte Bürgerdialogformate mit ihrem Team und war verantwortlich für das Controlling des Koalitionsvertrages.2013 stieß sie die erweiterte Wachstumsdiskussion unter dem Oberbegriff „Gut leben in Deutschland“ an, zu den Themen Gesundheit, Umwelt, Luftqualität. Christiansen bereitete die Fernsehduelle mit vor und verhandelte sie.
„Digitalisierung ist eine der großen Herausforderungen“
Als Abteilungsleiterin zeichnete sie ab 2017 für die Digitalpolitik verantwortlich. „Die Digitalisierung ist eine der großen Herausforderungen für unser Leben. Sie hat Auswirkungen für die kognitive Entwicklung von Menschen und auf wirtschaftliche Dynamik.“
Immer wieder betont sie die Teamleistung der einzelnen Stäbe und Abteilungen des Kanzleramts. „Ich habe lange eng für die Bundeskanzlerin gearbeitet. Jeder und jede bringt seinen Teil mit ein.“
Die berühmte Merkel-Raute hat sie aber nicht gecoacht, die sei organisch entstanden. „Menschen versuchen, ihre Körperspannung zu versammeln und mit ihren Händen etwas zu machen“, schildert Christiansen. Daraus erwuchs bei der Kanzlerin die charakteristische Handhaltung.
Die Morgenlage war stets wichtig, um den Tag mit seinen vielfältigen Herausforderungen zu sortieren. Bei den großen Krisen, Flucht, Finanzen, Corona, sind es die außen- und innen-, wirtschafts- und verteidigungspolitischen Spezialisten sowie Epidemiologen und Infektiologen, die beraten.
Christiansens Aufgabe bestand mehr darin, den Überblick und den Blick aufs Alltägliche zu behalten, etwa durch die Bürgerdialoge mit dem direkten Austausch. Traurig über das Ende ihrer Tätigkeit im Kanzleramt ist sie nicht. „Ich konnte mich darauf vorbereiten, denn mit der selbst bestimmten Entscheidung der Bundeskanzlerin, nicht ein weiteres Mal anzutreten, war das Ende der Tätigkeit auch für mich klar.“
Zu der Altkanzlerin hält sie nach wie vor regelmäßig Kontakt, wie, bleibt ihr Geheimnis. Jetzt ist sie erstmal frei gestellt, geht für zweieinhalb Monate nach Washington, unter anderem zur Obama Foundation. Danach wird sie eine neue Aufgabe angehen, welche, verrät sie noch nicht.