„Bei psychologischen Kriminalromanen geht es eher um das Warum als um das Wer.“
BestsellerautorinJudith Merchant las aus neuem Roman „Schweig!“ in Sankt Augustiner Pfarrsaal
Judith Merchant ist zuversichtlich, dass Menschen ihre Krimis auch dann zu Ende lesen würden, wenn sie ihnen gleich zu Beginn verriete, wer der Mörder ist. „Das macht bei mir nicht die Spannung aus“, sagt die Bonner Bestseller-Autorin: „Bei psychologischen Kriminalromanen geht es eher um das Warum als um das Wer.“
Krimiautorin lieh Bücher aus der Sankt Augustiner Pfarrbücherei
Im Pfarrsaal von St. Maria Königin Sankt Augustin las die 47-Jährige aus ihrem jüngsten Buch „Schweig!“. Sie habe zwar noch nicht den neuen Pfarrsaal gekannt, dafür aber die öffentliche Bücherei der Pfarrei. Merchant, die in der Nähe aufwuchs, sagt, sie sei regelmäßig dort gewesen: „Bis ich alle Kinderbücher durch hatte.“ Es müsse noch einen uralten Büchereiausweis geben, vermutet sie.
Dass die Erfolgsautorin für eine Lesung gewonnen werden konnte, empfand Leiterin Inge Füßler „als Auszeichnung“. „Das war für uns als kleine Bücherei nicht zu erwarten, umso mehr freute uns, dass sie sofort zugesagt hat.“
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Für Spannung sorgt nicht nur die Frage nach dem „Warum“
Die Schriftstellerin genoss sichtlich die Atmosphäre und die Nähe zum Publikum, unterbrach bisweilen das Lesen und berichtete über einige Randbegebenheiten aus ihren Lesungen. Im Mittelpunkt freilich stand „Schweig!“, das nach wenigen Seiten verdeutlichte, wie nicht nur die Frage nach dem Warum unversehens einen Spannungsbogen aufbaut.
Bei Merchant ist es vor allem die Bildhaftigkeit, die sie mit ihrem reichhaltigen Sprachschatz herzustellen imstande ist. Der lässt sich den Zuhörer bald in einem spannenden Film wähnen, den man doch bitte an einem Stück zu Ende sehen möchte.
Das schafft sie auch mit ihrem kurzem, verständlichem Duktus, lange Schachtelsätze sind rar. Die Innigkeit zwischen ihrer Protagonistin und deren Ehemann etwa veranschaulicht sie so: „Für einen Moment halten wir uns mit Blicken fest, umklammern uns förmlich.“
Der Unterhaltungswert des Romans ist hoch. Das weihnachtliche Idyll der ersten Szene trifft im Auditorium sogleich auf Wiedererkennen. Nämlich Beschaulichkeit mit den üblichen Auswirkungen des Feiertagsstresses. Die Heiterkeit ist genrebedingt jedoch trügerisch.
Deutschunterricht am Sankt Augustiner Gymnasium hatte Einfluss auf Berufswahl
Mit der Anfahrt der in intakter Ehe lebenden Esther durch dunklen Tann auf einsamen, schneebedeckten Straßen zu Schwester Sue, die sich, so Esthers Sicht, „in der Trauer über ihre zerbrochene Ehe suhlt, kinderlos, halbverrückt, so zugänglich wie ein Kaktus“, nimmt der Thriller im Wortsinn Fahrt auf. Ab jetzt bebildert die Verfasserin das erwartbare Unheil, indem sie die Situationen aus wechselnder Perspektive jeweils der einen und dann der anderen Schwester beschreiben lässt. Bis hin zum überraschenden Showdown des spannenden Kammerspiels.
„Ich habe das nicht geplant, mir war nicht klar, dass das ein richtiger Beruf ist“, beantwortet Judith Merchant die Frage, ob mit der Schriftstellerei ein Traum in Erfüllung gegangen sei. Der Deutschunterricht am Rhein-Sieg-Gymnasium habe „auf jeden Fall“ zur Karriere beigetragen.
„Meine Deutschlehrerin Heidi Baumann war eine ganz große Inspirationsquelle für mich“, berichtet die mehrfach ausgezeichnete Erfolgsautorin. „Sehr glücklich“ sei sie über ihre Bestseller, gleichwohl, müsse man „immer am Ball bleiben, die neuen Sachen parat haben“.
Dazu gehört Fortbildung, etwa über „Syndikad“, einem Verein deutschsprachiger Kriminal-Autoren, dessen Mitglied sie ist. Jährliche Seminare unter anderem über Ermittlungsarbeit der Polizei, über Verhörtechniken oder Gifte, halten sie auf Stand der Technik: „Wir gehen sogar ins Schießkino.“
Für einen Roman braucht sie eineinhalb Jahre
Der wöchentliche Fernseh-„Tatort“ ist in ihrem Terminkalender verankert. Unmittelbar nach der Sendung tauscht sie sich in ihrer Facebook-Community über Batic, Odenthal, Ballauf, Boerne und Bibi Fellner aus. Mit Kinderbüchern, die sie während der Pandemie zu schreiben begann, bedient sie ein weiteres Fach.
„Mit beiden wird viel abgedeckt“, sagt die Liebhaberin von Gegenwartsliteratur, etwa eines Elias Hirschl („Content“, „Salonfähig“) oder einer Zeruya Shalev („Nicht ich“, „Schicksal“). Rund eineinhalb Jahre benötige sie für einen Roman, für sie eher zu lange: „Da ist noch Luft nach oben.“