Siegburg – „Prächtige Elf des SV Siegburg kämpfte in Hannover ohne Glück“ – so lautete die Schlagzeile in der Tageszeitung, die sich an diesem Tag auf fast drei Seiten einem besonderen Ereignis widmete. Heute von 60 Jahren verlor der Siegburger Sportverein 04 am 24. Juni 1961 das Endspiel um die Deutsche Fußball-Amateurmeisterschaft vor 82.000 Zuschauer in Hannover gegen Holstein Kiel mit 1:5.
Ein Zeitzeuge ist Jochen Alda, Spieler im vielleicht erfolgreichsten Siegburger Fußballteam aller Zeiten. Der heute 81-Jährige, damals mit 21 Jahren hinter Manfred Eder zweitjüngste Spieler im Team von Erfolgstrainer Karl Heimers und neben Willi Römer und Hans Zimmermann einer von noch drei Lebenden aus der Startelf, erinnert sich: „Kiel war schon besser, aber wenn wir vollzählig geblieben wären, hätten wir das Spiel offener gestalten können.“
Das Regelwerk kannte noch keine Auswechslung
Für ihn verlief die Partie unglücklich, denn bei einem Eckball rammte ihm in der 59. Spielminute ein Gegenspieler den Ellenbogen in den Magen. „Mir ist schwarz vor Augen geworden, und ich habe nicht gemerkt, dass man mich aus dem Stadion getragen und wegen eines angeblichen Sonnenstichs ins Krankenhaus gebracht hat. Es hat sich als nicht so dramatisch herausgestellt. Doch als ich zurück war, war das Spiel vorbei.“
Da das Regelwerk damals keine Auswechslung vorsah und auch Jules Antoine mit einer Kopfverletzung weiter spielen musste, schwanden bei dem Siegburgern, die von 1100 Fans begleitet worden waren, die Kräfte. Den frühen Rückstand in der fünften Minute konnte Mittelstürmer Peter Witter mit einem 16-Meter-Flachschuss noch egalisieren. Doch nach dem 1:2 (46. Minute) und drei weiteren Treffern in der 60., 67. und 75. Minute war die Entscheidung gefallen
Jubelnde Fans begrüßten ihre Helden
Die Enttäuschung war groß, doch beim Bankett des DFB in der Sportschule Barsinghausen wurde gefeiert, und von der Begeisterung nach der Rückkehr nach Siegburg schwärmt Jochen Alda noch heute. „Wir sind mit offenen Autos von Wolsdorf in die Innenstadt gefahren.“
10.000 Fans begrüßten die Spieler des Siegburger SV 04 bei 35 Grad in den blumengeschmückten Cabrios und unter „starkem Beifall und anhaltenden Hipp-hipp-Hurra!-Rufen“, wie es im Bericht der Tageszeitung damals hieß. Im Schritttempo fuhren sie eine Ehrenrunde um den Markt. Und Jeder der Kicker erhielt 90 Mark für die Endspielteilnahme – und ein unvergessenes Spiel.
Die Mannschaft
Ernst Dykstra, Torwart: Vorarbeiter mit klugem Stellungsspiel. Sprungkräftiger und fangsicherer Rückhalt seiner Elf.
Eberhard Alda, rechter Verteidiger und Kapitän: Der Stukkateur überzeugte durch sicheres Passspiel und Zweikampfstärke.
Adi Waletzke, linker Verteidiger: Der gebürtige Oberschlesier war Buchbinder und für seine Sprints und langen Einwürfe bekannt.
Jochen Alda, rechter Läufer: Spezialist für Sonderaufgaben. Der Maurer stellte manchen Star der Spielgegner kalt.
Jules Antoine, Mittelläufer: Der gebürtige Belgier und kaufmännische Angestellte war langsam, bestach aber durch Übersicht und gutes Kopfballspiel.
Willi Miebach, linker Läufer: Installateur und typischer Mannschaftsspieler. Nicht auffällig, aber äußerst wirkungsvoll.
Manfred Eder, Rechtsaußen: mit 19 Jahren das Nesthäkchen der Mannschaft. Damals technischer Lehrling.
Hans Zimmermann, Spielmacher: Elegante Ballführung und Blick für die Lücken in der gegnerischen Defensive. Der Laborfacharbeiter wuchs in Spich auf.
Peter Witter, Mittelstürmer: Der nervenstarke kaufmännische Angestellte kam aus Sachsen in der damaligen DDR und schoss im Finale das 1:1.
Karl Konik, Halblinker: Der Chemiearbeiter kam aus Hamm nach Siegburg. Mit über 30 der Routinier, Kopf der Mannschaft und die Zuverlässigkeit in Person.
Willi Römer, Linksaußen: Torjäger und Scharfschütze. Der kaufmännische Angestellte war im Sturm auf allen Positionen einsetzbar und gefährlich.
Karl Heimers, Trainer: Studienrat und selbst aktiv als Spieler am Wiederaufstieg in die Mittelrheinliga beteiligt. Ruhig, besonnen und beliebt.
Zeitzeugen erinnern sich
Gleich mehrere Zeitzeugen, die zumindest den Weg der Siegburger bis zum Endspiel verfolgten, haben sich in den vergangenen Wochen in der Redaktion gemeldet und ihre Erinnerungen geschildert.
Der überlegene Verbandsligameister aus Siegburg qualifizierte sich mit jeweils 3:0-Erfolgen gegen den SV Neukirchen und Germania Datteln für das Spiel um die Westdeutsche Meisterschaft, wo es in Bonn gegen den Südwest-Meister 1. FC Hassfurt um den Einzug in das Finale zur Deutschen Amateurmeisterschaft ging.
Peter Landsberg aus Hennef kann sich bei der Regenschlacht noch exakt an die Torfolge erinnern: „Das war an Dramatik nicht zu überbieten.“ Auf eine Fahrt nach Hannover verzichtete seine Clique danach allerdings. „Wir haben verzichtet, da das Spiel im Fernsehen gezeigt wurde.“
Hans Wilhelm Schmitz aus Siegburg war ebenfalls unter den 10.000 Zuschauern beim 5:4 gegen Hassfurt: „Wir sind mit fünf Jungs mit dem Fahrrad im Regen nach Bonn gefahren. Es hatte sich auf jeden Fall gelohnt.“