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Schulstart ohne Testpflicht: Viel Kritik und Sorgen vor Abi

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Düsseldorf – Von großen Bedenken und Sorgen begleitet hat am Montag der Schulbetrieb in NRW nach den Osterferien ohne Corona-Testpflicht begonnen. Nach vielen Monaten mit regelmäßigen Testungen auf das Coronavirus wurden diese anlasslosen Überprüfungen nach der Osterpause nun nicht wieder aufgenommen. Mehrere Verbände forderten von der Landesregierung eine Rückkehr zur Testpflicht. Lehrergewerkschaften äußerten sich skeptisch und besorgt. Die SPD-Opposition sprach von einem fahrlässigen Schritt. Dagegen verteidigte das Schulministerium die Lockerung.

Sie gilt für alle rund 2,5 Millionen Schülerinnen und Schüler aller Schulformen in Nordrhein-Westfalen. Bis zu Beginn der Osterferien hatten sich Schüler drei Mal pro Woche per Selbsttests überprüft. Seit 28. Februar galt die Testpflicht allerdings nicht mehr für Geimpfte und Genesene an den Schulen. Die Maskenpflicht im Klassenraum war bereits eine Woche vor Beginn der Osterferien abgeschafft worden.

„Die Pandemie ist nicht vorbei, der Verzicht auf jegliche organisierte Schutzmaßnahmen falsch”, sagte der Vize-Vorsitzende der NRW-Schulleitungsvereinigung, Ralf Niebisch, der „Rheinischen Post”. Für die ersten Schultage nach den Ferien wären tägliche Tests für die gesamte Schülerschaft sinnvoll gewesen, damit Infektionen nicht in die Schulen getragen würden.

Alles zum Thema Jochen Ott

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) betonte in der RP, überall in der Gesellschaft seien Corona-Maßnahmen zurückgenommen worden. „Da darf Schule keine Ausnahme sein.” Auch Kinder, Jugendliche und die Lehrkräfte müssten an den Lockerungen teilhaben. Zuvor hatte das Ministerium betont, mit dem Ende der anlasslosen Tests rücke die Verantwortung der Eltern für ihre Kinder und die Eigenverantwortung jedes Einzelnen für seine Gesundheit wieder verstärkt in den Mittelpunkt. Es stehe eine gut ausgebaute außerschulische Testinfrastruktur zur Verfügung.

Die SPD monierte, die Regierung wälze die Verantwortung „wieder einmal auf die am Schulleben Beteiligten ab.” Der schulpolitische Sprecher der Landtagsfraktion, Jochen Ott, nannte den Teststopp „fahrlässig und falsch” - vor allem angesichts der bevorstehenden Abschlussprüfungen”.

Rund 73 000 Schülerinnen und Schüler an 968 öffentlichen und privaten Gymnasien, Gesamtschulen, an Waldorfschulen und Weiterbildungskollegs legen von diesem Dienstag an ihre Abiturprüfungen ab. Hinzu kommen rund 9500 Schüler von 234 öffentlichen und privaten Berufskollegs. Die schriftlichen Prüfungen werden zwischen dem 26. April und dem 10. Mai geschrieben, die mündlichen Prüfungen finden ab dem 11. Mai statt. Gebauer zufolge wurden Anpassungen vorgenommen, um „den pandemiebedingten Herausforderungen der letzten Jahre Rechnung zu tragen”. So stehe Lehrern ein erweiterter Aufgabenpool zur Verfügung, um Aufgaben bestmöglich an erteilten Unterricht anpassen zu können.

Laut dem Philologenverband NRW wäre es fatal, wenn es zu Beginn der Abiturprüfungen zu neuen Infektionen oder vielen Quarantänefällen kommen würde. Falls Schüler coronabedingt nicht an den regulären Klausurterminen teilnehmen könnten, müssten sie auf Nachschreibtermine ausweichen, was den Druck auf sie zusätzlich erhöhen würde. Müssten Schüler wegen Lehrkräfte-Ausfällen „auf vertraute Gesichter verzichten und vor fremden Lehrkräften ihre Prüfungen ablegen”, wäre das ein erheblicher Nachteil, mahnte die Verbandsvorsitzende Sabine Mistler.

Ein Blick auf die anderen Bundesländer zeigt: Die Zeit der verpflichtenden Corona-Tests geht fast überall zu Ende. Wie eine dpa-Umfrage in den 16 Bundesländern ergab, ist die Testpflicht in zwölf Ländern entweder schon abgeschafft oder läuft spätestens Ende dieser Woche mit dem Monatswechsel aus.

Auch der Deutsche Lehrerverband kritisierte das. „Wir sind konfrontiert mit der berechtigten Sorge von Familien, die Risikopersonen und vorerkrankte Kinder im eigenen Haushalt haben”, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger: Die Aufhebung aller Gesundheitsschutzmaßnahmen gehe auch auf Kosten der Abschlussschüler, die nun sehr besorgt seien.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) hatte der NRW-Regierung vorgeworfen, sie setzte auf das Prinzip Hoffnung. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bemängelte ein „leichtsinniges” Verhalten”. Schon das Aus der Maskenpflicht sei voreilig gewesen.

Zeitgleich meldete das Landesstatistikamt am Montag, dass am Ende des Schuljahres 2020/21 rund 4050 junge Menschen - knapp 300 Personen mehr als ein Jahr zuvor - die Schulen in NRW ohne Abschluss in der Tasche verlassen hätten. Der VBE betonte: „Das ist nicht nur tragisch für die jungen Menschen, sondern auch dramatisch für unser Bundesland.”

© dpa-infocom, dpa:220425-99-34908/4 (dpa/lnw)