Düsseldorf – Die SPD-Opposition in Nordrhein-Westfalen fordert, alle Kita- und Schulkinder in den ersten zwei Wochen nach den Sommerferien auf das Coronavirus testen zu lassen. Die Vorsichtsmaßnahme sei nötig, um keine massenhaften Ansteckungen zu riskieren, sagte der Vizevorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Jochen Ott am Mittwoch in Düsseldorf. Einige Kitas hätten bereits wegen zu hoher Ansteckungsraten unter den Erzieherinnen schließen müssen.
Die Schulen benötigten darüber hinaus klare Stufenpläne, ab wann sie eigenverantwortlich welche Corona-Schutzmaßnahmen ergreifen dürften, forderte Ott. „Das darf nicht vage sein.” Wenn jeder vierte Lehrer oder mehr an einer Schule ausfallen sollte, wäre das „kaum mehr zu kompensieren”. Dann müssten Notfallpläne stehen, um etwa mit verkürzten Unterrichtsstunden oder digitalem Unterricht reagieren zu können, schlug der studierte Lehrer vor.
Darüber hinaus solle die Bundesregierung die Rechtsgrundlage schaffen, um in solchen Fällen wieder mit einer Maskenpflicht reagieren zu dürfen, forderte Ott. Für diese Maßnahme sei auch eine Schwelle zu definieren. Aus seiner Sicht sei der Rahmen vor allem an den Fragen auszurichten: „Ist genügend Personal da, um den Unterricht aufrecht zu erhalten? Und wie viele Kinder sind von Ansteckungen betroffen?” Große Investitionen der kommunalen Schulträger in Luftfilter hält er angesichts vieler kritischer Expertenmeinungen derzeit nicht für realistisch.
An diesem Donnerstag wird die neue nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller (CDU) über die Rahmenbedingungen für das kommende Schuljahr informieren. Nach sechseinhalb Wochen Sommerferien beginnt am 10. August für die meisten der etwa 2,5 Millionen Schüler in NRW wieder der Unterricht. NRW war Ende Juni als erstes Bundesland in die Sommerferien gestartet.
Die SPD forderte darüber hinaus grundsätzliche Bildungsreformen sowohl für die Kitas als auch für die Schulen. Zu diesem Zweck habe er für die beiden neuen Ministerinnen „Hausaufgaben” aufgeschrieben, sagte Ott.
Vor allem nach den Pandemie-Jahren habe sich in NRW in mehreren Lernstandstests ein erschreckender Mangel an Leistung offenbart, gepaart mit einem Mangel an Gerechtigkeit und an Fachkräften im Bildungssystem, kritisierte er. Wenn die Politik darauf nicht reagiere, sei eine Bildungskatastrophe mit vielen Kindern, die Anforderungen und Abschlüsse nicht schafften, die Folge.
„Abschulungen”, vor allem an den Gymnasien, sollte es aus Sicht der SPD nicht mehr gegen den Elternwillen geben. Stattdessen seien Konzepte zu entwickeln, wie alle Kinder durch entsprechende Förderung an ihren Schulen - auch zu unterschiedlichen - Abschlüssen gebracht werden könnten, forderte Ott. „Man kann nicht einfach sagen: Wir sind nicht mehr zuständig. Auf Wiedersehen.”
Viele Kinder, die nach einem Fehlstart am Gymnasium „nach unten weitergereicht” würden, kämen an den vollkommen überfüllten Gesamtschulen nicht unter und landeten oft direkt auf einer Hauptschule. Das sei für die Betroffenen sehr schlimm, mahnte Ott.
Auch in den Kitas gebe es großen Reformbedarf. Die SPD fordert, Elternbeiträge abzuschaffen, mindestens aber die im schwarz-grünen Koalitionsvertrag versprochene Streichung der Kita-Gebühren im dritten Jahr vor der Einschulung sofort umzusetzen.
Darüber hinaus benötigten die Kitas eine feste Sockelfinanzierung statt unkalkulierbarer Kopfpauschalen. Außerdem solle das sogenannte Alltagshelfer-Programm, das die Erzieher bei vielen Infektionsschutzmaßnahmen unterstützt, nicht bloß bis zum Jahresende verlängert, sondern verstetigt werden.
Am Freitag wird die neue Familienministerin Josefine Paul (Grüne) über die aktuelle Lage in der Kindertagesbetreuung in NRW informieren.
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