Ex-Piratin bei „Hart aber fair“Weisband nennt Lindner „rassistischen Schildbürger“
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„Jetzt auch die CDU: Stürzt die nächste Regierungspartei ins Chaos?“ wollte Frank Plasberg wissen.
Zu Gast waren Norbert Röttgen (CDU), Thomas Oppermann (SPD), Cem Özdemir (Grüne), Kristina Dunz („Rheinische Post“), Marina Weisband (Grüne, früher Piratenpartei) und Karl-Rudolf Korte (Politikwissenschaftler).
Eigentlich sollte es bei „Hart aber fair“ am Montagabend in der ARD um das gehen, was die Republik seit Tagen beschäftigt: Moderator Frank Plasberg, der krankheitsbedingt zwei Wochen ausgefallen war, wollte mit seinen Gästen über die Krise in Thüringen diskutieren. Titel: "Haltlos, machtlos, ratlos: Was folgt aus dem Tabubruch von Thüringen?"
Doch schneller als erwartet folgten schon am Montagmorgen überraschende Konsequenzen: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer gibt auf. „Jetzt auch die CDU – stürzt die nächste Regierungspartei ins Chaos?“, so der von der Redaktion gewählte neue Titel, mit dem Parallelen zur Lage der SPD nach dem plötzlichen Rückzug von Parteichefin Andrea Nahles im Juni 2019 gezogen werden.
Die Fragen, die das Land nun interessieren, liegen auf der Hand: Wer folgt an die Parteispitze? Wie lange kann Angela Merkel noch Kanzlerin bleiben? Gibt es Neuwahlen, und wenn ja, wann? Wie tief geht die Spaltung der CDU? Und wie hält es die Union künftig mit der AfD und der Linkspartei? Konnten Frank Plasberg und seine Gäste etwas Licht ins Dunkel bringen?
Der Konsens über den Kaugummi
Plasbergs Redaktion hat nachgerechnet: Würde man dem Plan von AKK folgen, die Nachfolgefrage erst auf dem CDU-Parteitag im Dezember zu klären, vergehen noch 297 Tage. Die berechtigte Frage des Moderators: Kann man sich eine so lange Hängepartie leisten? Röttgen lässt keinen Zweifel daran, dass er dieses Vorgehen für grundfalsch hält: "Das ist kein realistisches Szenario", stellt er nüchtern fest.
Das wäre weder für die CDU noch für die Bundesregierung gut. Die Nachfolgefrage müsse "deutlich vor der Sommerpause" geklärt werden. "Wir können da nicht einen langen Kaugummi draus ziehen". Auch Oppermann ist dieser Ansicht, er spricht hier aus Erfahrung: Schon die fünf Monate, die die SPD zur Vorsitzenden-Kür gebraucht habe, seien schwer genug gewesen: "Zehn Monate werden für die CDU sehr problematisch".
Plasberg zu AKK: Die Kontroverse
Gestritten wird über die Frage, wie sich die Union künftig gegenüber der AfD und vor allem gegenüber der Linkspartei verhalten soll. Röttgen versichert, zur AfD gebe es eine klare Brandmauer, die nicht eingerissen werden. Die konservative Werteunion schade der Partei, man müsse auch zu ihr eine klare Trennlinie ziehen.
Journalistin Dunz hat hingegen ihre Zweifel, ob es sich die CDU leisten könne, die etwa 4000 Mitglieder der Werteunion so einfach auszugrenzen. Politikwissenschaftler Korte meint schließlich, die Debatte über die Frage der Abgrenzung nach rechts sei doch eigentlich längst entschieden: Seit der Wahl in Bayern wisse man in der Union ganz genau, dass das Kopieren rechter Themen nicht funktioniere. CSU-Chef Söder habe seinen Kurs daraufhin erfolgreich geändert.
Erstmals heiß her geht es in der Sendung, als es um die Abgrenzung der Union gegenüber der Linkspartei geht. Hier habe sich die Union völlig verrannt, so Özdemir. Weisband spricht von einer Sackgasse. Es gebe einen klaren Unterschied zwischen AfD und Linkspartei: Die AfD habe - anders als die Linkspartei - den Konsens der Demokraten verlassen, dass die Würde des Menschen unantastbar sei.
Oppermann meint, die Union habe sich mit ihrer Haltung gegenüber der Linkspartei politisch verbarrikadiert und betreibe damit den "Ausverkauf der parlamentarischen Demokratie", weil Regierungsbildungen verhindert würden. Röttgen keilt zurück: Die Linkspartei habe ihre "diktatorische Vergangenheit" als SED nicht aufgearbeitet. Deshalb könne und werde die Union den entsprechenden Unvereinbarkeitsbeschluss nicht ändern.
Die interessanteste Bemerkung bei „Hart aber fair“
Marina Weisband sagt, es habe sie beruhigt, dass es sofort nach dem Tabubruch in Thüringen einen Sturm der Entrüstung gegeben habe. Was sie jedoch beunruhigt habe, sei die Reaktion von FDP-Chef Christian Lindner, der in seiner ersten Stellungnahme keine klare Trennlinie gezogen habe.
Und Weisband fügt hinzu, es gehe nicht nur darum, dass sich die FDP habe wählen lassen von der AfD. Es gehe darum, dass die FDP "ihre Geschichten erzählt" - und sie verweist zum Beispiel auf frühere Äußerungen von Lindner, er könne beim Bäcker in der Schlange gar nicht feststellen, wer sich hier rechtmäßig aufhalte und wer nicht. Weisband: "Das sind nicht die Worte eines großen Liberalen. Das sind die Worte eines rassistischen Schildbürgers."
Plasberg zum AKK-Abgang: Das Fazit
Nur eines wurde klar: Die Nachfolgefrage in der Union wird in den kommenden Wochen geklärt, nicht erst zum Jahresende. Die Debatte zeigt aber, wie schwierig es für die Union sein wird, hinsichtlich der AfD und der Linkspartei einen klaren Kurs festzulegen. Und es bleibt zu hoffen, dass die fragwürdige Rolle von FDP-Chef Lindner intensiver als bisher hinterfragt wird. Derzeit ist er der große Nutznießer des AKK-Rückzugs, weil sich die öffentliche Aufmerksamkeit nunmehr ganz auf die Union konzentriert.