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Interview mit Armin Laschet zu Corona„Solange durchhalten, bis das Ziel erreicht ist”

Lesezeit 10 Minuten
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NRW-Ministerpräsident Armin Laschet

  1. Der NRW-Ministerpräsident spricht im RND-Interview über die Corona-Krise und Schulen.

Herr Laschet, wie feiern Sie Weihnachten?Armin Laschet: Mit meiner Frau und meinen Kindern. Wie alle schränken wir uns in diesem Jahr ein. Das ist zwingend notwendig.

Gehen Sie in einen Gottesdienst?

Ich habe mich angemeldet. Aber ob er stattfindet, ist noch offen.

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Rechnen Sie damit, dass die Lockdown-Beschränkungen den ganzen Winter über gelten werden?

Das kann man nicht sagen. Der letzte Teillockdown wurde mit der Hoffnung begründet, dass der Advent und Weihnachten entspannter werden sollten. Das ist nicht gelungen. Jeder Einzelne ist mehr denn je aufgerufen sich so gut es geht zurückzunehmen – und nicht in den Verordnungen nach möglichen Lücken zu suchen, die er oder sie doch noch nutzen kann.

Die Prognosen der Kanzlerin waren bisher immer recht gut. Sie hat schon vor Wochen auf einen schnelleren und härteren Lockdown gedrängt. Warum haben sich die Länder so lange bitten lassen?

Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten haben sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt.

Sie hat darauf gedrängt, deutlich früher als jetzt härtere Maßnahmen zu ergreifen.

Keine Frage: Es spricht für Angela Merkel, wie sie auch diese Herausforderung angeht. Aber das überrascht mich auch nicht. Alle Verantwortlichen gehen nach bestem Wissen und Gewissen vor. Die Ministerpräsidenten etwa haben besonderen Wert auf ein gutes Bildungsangebot auch in Zeiten der Pandemie gelegt, am besten in Präsenz.

Am Sonntag wurde beschlossen, dass ab Mittwoch die Schulen in den Lockdown gehen sollen. Hätte man das nicht besser vorbereiten müssen? Man kannte doch die Zahlen.

Wir haben für Nordrhein-Westfalen ja schon vorher Klarheit geschaffen und schon im Laufe der Woche die Aufhebung der Präsenzpflicht angekündigt. Aber es ist doch in einer Pandemie gar nicht anders machbar als auch kurzfristig und flexibel zu reagieren. Wenn man will, dass Deutschland einen einheitlichen Kurs fährt und sich alle 16 Länder verständigen braucht man dafür die gemeinsame Verabredung. Die war uns wichtig, damit bundesweit gleich gehandelt wird.

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Nochmal: Hätte der Lockdown früher kommen müssen?

Natürlich wäre ein früherer Eingriff richtig gewesen, weil sich bei geringerem Infektionsgeschehen die Lage besser kontrollieren lässt. Zur Wahrheit gehört aber, dass in unseren Beratungen zuvor niemand diesen jetzt angeordneten Lockdown für Schulen, Geschäfte und Dienstleistungen gefordert hatte. Es gehört zur Stärke unseres föderalen Landes, dass der Staat schnell und wirkungsvoll handlungsfähig ist. Darum werden wir in - und außerhalb Europas beneidet, gerade auch in der Pandemie.

Unabhängig von einem Vorschlag: Hat man die Sache zu sehr schleifen lassen?

Nein. Ende Oktober haben wir uns vorgenommen, das exponentielle Wachstum der Infektionen zu brechen. Das ist gelungen. In einigen Ländern - auch in Nordrhein-Westfalen - ging die Zahl sogar zurück, aber bundesweit hat das nicht funktioniert. Dann hat die Wissenschaftsakademie Leopoldina eine Ad-hoc-Stellungnahme herausgegeben. Die darin vorgeschlagenen Maßnahmen dienten als Startpunkt für die Beratungen. Sie wurden durch das deutliche Vorziehen letztlich nochmal beschleunigt.

Die Leopoldina hat schon sehr viel früher Hybrid-Unterricht vorgeschlagen, was die Länder abgelehnt haben.

Die Frage von Bildungsgerechtigkeit ist wichtig. Ein Kind mit zwei oder drei Geschwistern lernt besser in einer Schule als in einer Zwei- bis Drei-Zimmer-Wohnung. In der Woche vor Weihnachten ist es angesichts der Entwicklung richtig, stärker auf Distanzlernen setzen, um die Isolationsmöglichkeiten zu verbessern. Aber prinzipiell muss das Recht der Kinder auf Bildung Vorrang haben. Da gibt es große Einigkeit in den Ländern.

Der Lockdown ist jetzt bis zum 10. Januar befristet. Wenn die Infektionszahlen dann weiter hoch sind – wie lange könnte man an den Beschränkungen überhaupt noch festhalten?

Wir müssen so lange durchhalten, bis das Ziel erreicht ist, die Inzidenzen signifikant zu senken.

Wirtschaftliche Folgen hin oder her?

Der Gesundheitsschutz und der Schutz des Lebens haben Vorrang. Es geht um die Verhinderung eines nationalen Gesundheitsnotstands.

Was bedeutet signifikant? 50 Neuinfizierte in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner?

Die 50 sind ein Richtwert, der sich am bisherigen Personal der Gesundheitsämter orientiert. Eine stärkere Senkung wäre natürlich noch besser. Es ist richtig zu sagen: Wir müssen erreichen, dass die Gesundheitsämter wieder flächendeckend in der Lage sind, Kontakte von Infizierten nachverfolgen zu können. Wenn es bei den Gesundheitsämtern einen digitalen Schub gibt, der zur Folge hat, dass weniger Mitarbeiter mehr leisten können, ist es anders. Schon jetzt gibt es durch die Unterstützung der Bundeswehr mehr Mitarbeiter. Wir müssen die Frage, ob und welche Schutzmaßnahmen bestehen bleiben, angesichts der Gesamtlage von Infektionszahlen und Leistungsfähigkeit der Gesundheitsämter im Januar bewerten.

Auch in Deutschlands Nachbarländern gibt es hohe Infektionszahlen, zum Beispiel in Belgien. Erwägen Sie die Schließung von Grenzen?

Nein. Die Grenzen werden nicht geschlossen. Das habe ich mit dem belgischen und dem niederländischen Regierungschef verabredet. Tourismus kann es derzeit natürlich nicht geben, aber wir leben in einem gemeinsamen europäischen Raum und arbeiten über die Grenzen hinweg zusammen. Europa wird in Nordrhein-Westfalen täglich gelebt und ich habe den Eindruck, dass unsere bereits im Frühjahr gelebte Haltung inzwischen Konsens in Deutschland ist.

Sie bewerben sich um den Parteivorsitz und damit potenziell auch für die Kanzlerschaft: Was würden Sie als Kanzler im kommenden Jahr tun, um einem Konjunktureinbruch entgegenzusteuern?

Es ist wichtig, Härten abzufedern, Liquidität in die Unternehmen zu bringen und den Konsum anzuregen. Das bezweckt das Konjunkturprogramm der Bundesregierung. Wir haben das als Bundesland ergänzt.

Sollte die Mehrwertsteuersenkung im kommenden Jahr fortgesetzt werden?

Nein. Die Kunst wird sein, den kritischen Punkt nach Auflösen der verschiedenen Programme von Kurzarbeit und Insolvenzverschiebung abzufangen. Die kurz-und mittelfristigen Folgen des jetzigen Lockdowns kommen ja noch hinzu. Wir müssen zu Beginn des Jahres darüber beraten, wie wir der Wirtschaft da helfen können, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze zu sichern.

Wenn Sie zum CDU-Chef gewählt werden sollten, werden Sie dann auch den Anspruch auf die Kanzlerkandidatur erheben?

Das werden wir gemeinsam mit der CSU besprechen.

Sie müssen doch für sich in dieser Frage klar sein . . .

Ich bin für mich klar und habe schon mehrfach deutlich gemacht, welches Selbstverständnis die CDU haben muss. Es ist trotzdem klug, wenn CDU und CSU gemeinsam eine Lösung finden. Das wird auch gelingen. Mein Verhältnis zu Markus Söder ist gut. CDU und CSU haben nach den vielen Kontroversen 2018 auch dank Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder so eng zueinander gefunden. Ich kann auch keine großen inhaltlichen Unterschiede erkennen kann. Das gemeinsame Programm für die Bundestagswahl wird sich leichter schreiben lassen als je zuvor.

Sehen Sie in der Wahl des CDU-Vorsitzenden eine Richtungsentscheidung?

Dazu hat es Friedrich Merz jedenfalls erklärt. Richtig ist, dass es dabei um folgende Kernfrage geht: Soll die CDU, die unter Führung von Angela Merkel über viele Jahre erfolgreiche Politik aus der Mitte heraus geleistet hat, mit einem innovativen Anspruch in die Zukunft geführt werden oder wollen wir den Bruch mit diesem Kurs der Mitte? Meine Antwort ist klar: Ich bin gegen den Bruch und für die Fortsetzung des Erfolges und ich bin dafür, die Themen der 20er Jahre mit einer neuen Dynamik anzupacken.

Friedrich Merz wäre ein solcher Bruch?

Das werden die Delegierten selber bewerten. Für mich ist klar, dass wir die Kontinuität im Kurs brauchen, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden. Das ist im Bund wiederholt gelungen sowie bei wichtigen Wahlerfolgen der CDU in Ländern - nicht zuletzt in Nordrhein-Westfalen, wo wir 2017 nach Jahrzehnten der SPD-Regierung ein neues, erfolgreiches Kapitel aufschlagen konnten. Solche Erfolge können den Weg weisen.

Warum ist es Ihnen bislang nicht gelungen, in Ihrer Partei einen Laschet-Sog zu entfalten?

Als Team haben wir einen klaren Auftrag derzeit. Jens Spahn als Gesundheitsminister und mir als Ministerpräsidenten geht es vor allem darum, durch Regierungshandeln das Land gut durch die Corona-Pandemie zu bringen. Da wären PR-Gags unangemessen.

Wäre es sinnvoll eine Rochade mit Gesundheitsminister Jens Spahn zu vollziehen, also ihn für den Parteivorsitz antreten zu lassen – vor dem Hintergrund, dass Spahns Umfragewerte während der Corona-Pandemie stark gestiegen sind?

Nein. Wir haben das uns gemeinsam für diese Aufstellung entschieden. Es gibt sehr viele, die das Team eindeutig so unterstützen, wie es aufgestellt ist. Das stärkt uns.

Die CDU wird den neuen Parteichef bei einem digitalen Parteitag wählen. Wie sicher sind Sie, dass auch ein knappes Ergebnis anschließend Akzeptanz findet?

Es ist in der Tat ambitioniert, eine solche wichtige Wahl digital durchzuführen, aber auch eine Chance. Alle Kandidaten haben versichert, dass sie das Ergebnis akzeptieren werden.

Sie fürchten keinen Nachwahlkampf zwischen der digitalen Abstimmung und der erforderlichen schriftlichen Bestätigung?

Nein.

Wann sollte der Kanzlerkandidat der Union bestimmt werden?

Wenn das Wahlergebnis feststeht, sollten wir uns erst einmal auf die wichtigen Wahlen in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg sowie auf die Kommunalwahlen in Hessen konzentrieren. Das hat Priorität.

Was ist denn das entscheidende Kriterium für den Kanzlerkandidaten – die Umfragewerte?

Nein. Es geht um die Frage, wie wir die Wahlen gewinnen und das beste Angebot machen können

Die persönlichen Umfragewerte sind dabei aber hilfreich – siehe Angela Merkel.

Nach Umfragen war 2017 Hannelore Kraft die beliebteste und unschlagbarste Politikerin Deutschlands. Es kam bekanntlich anders. Solche Erfolge machen gelassen bei Momentaufnahmen. Mal sinken Werte, dann steigen sie wieder.

Wie gehen Sie mit den Leuten in der CDU um, die wie in Thüringen oder Sachsen-Anhalt die Nähe zur AfD suchen?

Klarheit. Die Klarheit des Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, gegenüber dem bisherigen Chef der Landes-CDU dort war nach der öffentlichen Debatte über eine mögliche Minderheitsregierung richtig. Wer auch nur andeutet, eine solche Zusammenarbeit mit der AfD in Kauf zu nehmen, kann nicht Mitglied einer CDU-geführten Landesregierung sein.

Dem Kölner Kardinal Woelki wird vorgeworfen, er habe den Kindesmissbrauch eines Mentors vertuscht. Sind aus Ihrer Sicht Konsequenzen erforderlich?

Es ist nicht Aufgabe der Politik, einzelne innerkirchliche Vorgänge zu bewerten. Bei der Haltung zu Missbrauch auch in der Kirche ist meine Haltung klar.

Sie sind Katholik. Wie schauen Sie auf Ihre Kirche?

Die Herausforderungen sind groß. Es gibt zum Glück viele Verantwortliche in der Kirche, die Versäumnisse der Vergangenheit aufdecken. Das geht nur mit Klarheit, Ehrlichkeit und Transparenz.

Muss die katholische Kirche mehr tun, um Vertrauen zurückzugewinnen?

Wenn Kirchenbindung nachlässt, muss man alles tun, die Bindung wieder zu erhöhen. Papst Franziskus macht das in beeindruckender Weise. Auch viele Bischöfe engagieren sich sehr. Die Zeit ist schwierig für religiöse Bindung. Es hat dem Land aber immer gut getan, wenn es eine starke Kirche gab, die Menschen Orientierung gibt, auch ihre Stimme in sozialen Fragen erhoben hat und sich engagiert hat für Kindergärten, Schulen, in vielen sozialen Diensten für die Gesellschaft einen Beitrag geleistet hat. Es würde mich freuen, wenn die Kirche wieder stärker würde.

Die Opposition in Düsseldorf wirft Ihnen vor, bei der Beschaffung von Schutzausrüstung den Hersteller Van Laack begünstigt zu haben, für den Ihr Sohn arbeitet. Haben Sie den politischen Sprengstoff der Vergabe unterschätzt?

Nein. In der Krise und in der Not muss man schnell handeln. Alle Verantwortungsträger im Bund, in den Ländern und Kommunen haben im letzten März und April händeringend nach Schutzmaterialen gesucht. Wir haben uns die Finger wund telefoniert, um Pfleger Ärzte und anderes Personal in den Einrichtungen schützen zu können. Was hätte man uns wohl vorgeworfen, wenn wir nicht jeden Strohhalm versucht hätten zu ergreifen?! Die Vergabe erfolgte selbstverständlich durch die zuständigen Vergabestellen, nach einer eigenen Prüfung.

Sollten Sie Bundeskanzler werden – wer soll Ihnen in NRW nachfolgen?

Jetzt geht es erst einmal um den Bundesvorsitz der CDU, alles Weitere besprechen wir, wenn es ansteht. Wir haben aber viele gute Frauen und Männer.

Das Gespräch führten Eva Quadbeck und Daniela Vates