- Staatsnahe Propaganda-Kanäle veröffentlichen Fotos aus der Intimsphäre des Verhafteten.
Während der Westen gebannt auf den Russland-Ukraine-Konflikt schaut, zerschlägt im Nachbarland Belarus Diktator Alexander Lukaschenko mit Schauprozessen die letzten Reste der Opposition. Zu Wochenbeginn wurde der Ehemann von Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, Sergej Tichanowski, wegen „Vorbereitung und Organisation von Massenaufständen“ zu 18 Jahren Lagerhaft verurteilt. Fünf Mitangeklagte erhielten Haftstrafen zwischen 14 und 16 Jahren.
Bereits in der Woche zuvor war der Pressesprecher des Telekombetreibers A1 Belarus, Nikolai Bredelew, in Minsk festgenommen worden. Wie die österreichische Muttergesellschaft, die Telekom Austria, laut Nachrichtenagentur APA mitteilte, wird Bredelew beschuldigt, sensible Unternehmensdaten verbreitet zu haben.
Angeblich soll er Kundendaten an Betreiber oppositioneller Telegram-Kanäle weitergeben haben, werfen ihm Behörden des Regimes von Diktator Alexander Lukaschenko vor.Telekom Austria teilte weiter mit, es sei „ein erniedrigendes Video veröffentlicht worden, das persönliche Informationen zum Privatleben“ Bredelews enthält. In regimenahen Telegram-Kanäle sei ein „Geständnisvideo“ publiziert worden, in dem sich Bredelew nicht nur selbst der Informationsweitergabe an einen oppositionellen Blogger bezichtigt, sondern auch für die Ermittlungen völlig irrelevante Angaben zu seinem Privatleben macht, berichtet das Portal „Puls 24″ .
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Der aus Minsk stammende Zeithistoriker und Analyst Alexander Friedman sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dass das Regime auf übelste Art und Weise Bredelews Homosexualität öffentlich ausschlachtet. „Es werden intime Fotos gezeigt, die sich auf seinem Smartphone befanden beziehungsweise bei seiner Verhaftung beschlagnahmt worden sind“, erläuterte Friedmann.Auf regierungsnahen Telegram-Kanälen wie „Gelbe Pflaumen“ würden Bilder verbreitet, die Sexspielzeug zeigen, das Bredelew zugeordnet wird, er ist nackt zu sehen, und die Fotos werden mit wüsten Beschimpfungen wie „Pederast“ kommentiert.
Die A1 Telekom Austria Gruppe hat die Vorwürfe gegen Bredelew zurückgewiesen und „verurteilt dieses Eindringen in die Privatsphäre von einem Mitarbeiter scharf“, heißt es laut APA in einer Pressemitteilung des Unternehmens. Man begrüße Vielfalt und Meinungsfreiheit bei allen Tätigkeiten. Man werde alle verfügbaren Optionen auf rechtlichem und diplomatischem Weg ausschöpfen, um Mitarbeiter an Ort und Stelle zu unterstützen und zu schützen.
Kein großer Aufschrei
In der österreichischen Politik hat der Fall keinen großen Aufschrei erzeugt, obwohl A1 mit 4,9 Millionen Mobilfunkkunden der zweitgrößte Anbieter in diesem Segment in Belarus ist.
Friedman vermutet, dass man möglicherweise kein Porzellan zerschlagen will, denn in den belarussischen Propaganda-Medien wird schon der Ruf nach Verstaatlichung von A1 laut. „Das Lukaschenko-Regime sieht sich so sehr im Abseits, dass man jetzt Frontalangriffe auf westliche Unternehmen startet“, schätzt Friedman ein.
Schriftliche wie auch mündliche Anfragen zu dem Fall durch das RND lies A1 Austria unbeantwortet.
Das Außenministerium in Wien reagierte „sehr besorgt“ auf die Festnahme des Pressesprechers. „Wir (...) verurteilen das entwürdigende Vorgehen der belarussischen Behörden. Die Grund- und Freiheitsrechte aller Menschen müssen jederzeit gewahrt bleiben“, hieß es in einer Stellungnahme gegenüber der APA.
„Wir sind auf diplomatischem Weg und in enger Absprache mit dem österreichischen Unternehmen intensiv darum bemüht, hier unterstützend einzuwirken“.