AboAbonnieren

Kommentar zu ScholzIm Auftritt glanzlos, im Ton empathisch

Lesezeit 3 Minuten
Scholz trinkt

Olaf Scholz nach seiner Regierungserklärung 

Ein Versprechen hat der neue Kanzler schon eingelöst: die „Kontinuität“ zur Ära Merkel. Dieser Kurs war Teil seines Wahlerfolgs. Nun soll der Stil des geräuschlosen, effizienten Regierens unter Inkaufnahme der Glanzlosigkeit Olaf Scholz ganz offensichtlich auch dienen, im Amt Tritt zu fassen.

Wer von Scholz‘ Regierungserklärung eine rhetorische Aufbruch-Dynamik erwartet hat, der wurde enttäuscht. Inhaltlich lieferte er sehr wohl: Weite Teile der fast anderthalbstündigen Rede bestanden in einer unaufgeregten Erläuterung der Inhalte des Koalitionsvertrags.

Zugleich setzte der neue Kanzler seinen eigenen Grundton, der Zuversicht und gesellschaftlichen Zusammenhalt verströmt. Sein Sound ist empathisch, der Bevölkerung zugewandt - vor allem in jenen Passagen der Regierungserklärung, in der es um die Pandemie und ihre Folgen geht. Er holt die Menschen ab mit dem Hinweis, dass es in diesen Zeiten niemandem wirklich gut gehe und versprach zugleich, nicht ruhen zu wollen, bis alle ihr früheres Leben und ihre Freiheit zurückhaben. Für den Kampf gegen die Pandemie übernimmt er persönlich Verantwortung. Daran wird er schon in wenigen Wochen gemessen werden.

Das könnte Sie auch interessieren:

So oft Scholz das Wort „Respekt“ sagt, so klar macht er auch, wen er nicht einbezieht in seine umarmende Ich-bin-der-Kanzler-aller-Rede. Er geißelt den Rechtsextremismus als größte Bedrohung für die Demokratie und sagt ihm den Kampf an. Das angekündigte Demokratiefördergesetz wird da allenfalls Feigenblatt-Funktion entfalten können.

Im Zuge der Pandemie wartet auf die Ampel-Regierung ein neuer gefährlicher Mix aus Rechtsextremisten, Demokratiefeinden und „Querdenkern“, die sich auf der Straße und in den digitalen Medien zusammenrotten. Von ihnen geht eine reale Gefahr durch Gewalt und Terror aus. Sie werden auch dann nicht verschwinden, wenn das Virus weitgehend besiegt ist.

Scholz wird keine 100 Tage bekommen

Während es früher üblich war, einer Regierung zumindest 100 Tage zu geben, bevor ihre Amtsführung beurteilt wird, ist diese Zeit am Ende des Jahres 2021 nicht da. Die Corona-Folgen müssen bekämpft, die innere Sicherheit gestärkt und die liegengebliebenen Reformen angepackt werden. Derweil wartet Europa darauf, dass Scholz da weitermacht, wo Merkel aufgehört hat: beim Krisenmanagement. Es braucht dringend eine gemeinsame klare Haltung gegenüber Russland, das seine Truppen an der Grenze zur Ukraine hat aufmarschieren lassen.

Jede Verletzung territorialer Integrität habe einen hohen Preis, sagt Scholz - wohlwissend, dass seine erste Regierungserklärung auch im Kreml gehört wird. So selbstverständlich dieser Satz aus der freiheitlichen europäischen Perspektive klingt, so schwierig ist es für die Europäer, tatsächlich Konsequenzen für Russland folgen zu lassen. Deshalb beeilt sich Scholz, den Hinweis zu ergänzen, dass die transatlantischen Verbündeten bei diesem Thema mit einer Stimme sprächen. Was diese beschworene eine Stimme sagen wird, wenn Russland in der Ukraine tatsächlich ernst macht, ist noch nicht ausbuchstabiert.

Brinkhaus zugleich angriffslustig und konstruktiv

Auch die Opposition bekam reichlich Gelegenheit, ihren Grundton für die Wahlperiode zu setzen. Oppositionsführer Ralph Brinkhaus entschied sich für zugleich angriffslustig und konstruktiv. Seine wichtigste Botschaft war es, die Union als staatstragende Kraft im Gespräch zu halten - auch in Abgrenzung zu AfD und Linken.

Zugleich drohte er den Ampel-Parteien mit beckmesserischer Oppositionsarbeit und kündigte an, jedes Gramm CO2, jede Kilowattstunde und jeden Meter Bahntrasse zu zählen. Hätte er, hätte die Union insgesamt, damit mal früher angefangen, müssten sie womöglich nun keine Phantomschmerzen in der Opposition erleiden.