Friedrich Merz ist nicht mal mehr hingefahren. „Jetzt geht's um die Wurscht“, so hatte die Saar-CDU die letzte Runde ihres Landtagswahlkampf betitelt. Ihr Spitzenkandidat, der amtierende Ministerpräsident Tobias Hans, zog bis wenige Stunden vor der Wahl durch sein kleines Bundesland. Noch ein Marktbesuch hier, noch einmal Eisverteilen da, noch einmal eine Runde im Biergarten am Weiher – noch einmal der Versuch, ein paar der 750.000 Wähler zu erreichen.
Die CDU-Spitze aus dem Bund und ihr neuer Parteichef hielten sich fern. Die Umfragewerte sahen einen Wahlsieg der SPD voraus.
Das Signal aus der Parteizentrale in Berlin war: Die „Wurscht“, um die es ging, ist alleine Sache von Tobias Hans.
Ungünstiger Start für Merz
Es ist einfach ein denkbar ungünstiger Auftakt für den im Januar gewählten neuen CDU-Vorsitzenden, wenn die erste Landtagswahl seiner Amtszeit gleich verloren geht.
Da bietet es sich an, auf Distanz zu gehen, auch wenn der Ministerpräsident mit 44 Jahren der jüngste der CDU ist und Merz bei seinem Ringen um den Parteivorsitz unterstützt hat. Es sei „deutlich eine Landtagswahl mit klar saarländischen Themen“, hat CDU-Generalsekretär Mario Czaja wenige Tage vor der Wahl gleich mehrfach betont.
Allerdings kann auch ein kleines Saarland Wirkung entfalten: Vor fünf Jahren hat der unverhofft hohe Sieg an der Saar der CDU Aufwind bei den anschließenden Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gegeben – in beiden Ländern gelang der Sprung aus der Opposition in die Regierung. Im Bund wurde damals der umjubelte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz jäh ausgebremst.
Dieses Mal ist zwar die Bundestagswahl bereits vorbei, dafür stehen aber weitere drei Landtagswahlen an. Die Hoffnung der Bundespartei liegt auf den Wahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen im Mai, wo die Umfragewerte etwas günstiger scheinen. Ministerpräsident Daniel Günther, ein liberales Gegenmodell zu Parteichef Merz, regiert in Kiel mit FDP und Grünen.
Nächste Stationen NRW und Schleswig-Holstein
In NRW hat Hendrik Wüst erst vergangenes Jahr von Armin Laschet übernommen, der nicht einmal eine Wahlperiode blieb, sich dann an die Kanzlerkandidatur wagte und scheiterte. Wüst regiert mit der FDP und nur einer Stimme Mehrheit – die Regierungsübernahme gelang 2017 trotz historisch schlechtem Ergebnis, weil die SPD noch miserabler abschnitt.Lediglich zwei weitere CDU-Ministerpräsidenten gibt es nun noch, Michael Kretschmer in Sachsen und Volker Bouffier in Hessen, der sich im Mai mit 70 Jahren zurückzieht und an seinen Innenminister Peter Beuth übergibt. In Niedersachsen, wo im Oktober gewählt wird, ist die CDU der kleinere Regierungspartner in einer Koalition mit der SPD.
Im Saarland hat die CDU fast 23 Jahre lang die Regierung geführt. Der heutige Richter am Bundesverfassungsgericht, Peter Müller, blieb über zehn Jahre Ministerpräsident, dessen Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer sieben Jahre.
Mit AKK an der Spitze gewann die CDU die Landtagswahl vor fünf Jahren deutlich – wenig später verabschiedete sich die Ministerpräsidentin allerdings in die Bundespolitik, wo sie erst CDU-Generalsekretärin wurde und dann Parteivorsitzende. Im Machtkampf um die Nachfolge von Angela Merkel scheiterte sie allerdings. Ihrem saarländischer Nachfolger Hans misslingt nun gleich seine erste Wahl.
Viel hat das wohl mit der Erholung der SPD zu tun, die vom Niedergang der Linkspartei profitiert. Deren einstiger Chef Oskar Lafontaine war auch einmal SPD-Vorsitzender – und darüber hinaus saarländischer Ministerpräsident - und hat durch seinen Wechsel den Sozialdemokraten schwer zugesetzt. Kurz vor der Wahl hat Lafontaine nun auch die Linkspartei verlassen.
In der CDU werden allerdings auch Mobilisierungsprobleme bei den eigenen Leuten konstatiert. Der junge, agil wirkende Hans scheint nicht in gleichem Maße anzukommen wie seine bodenständige Vorgängerin Kramp-Karrenbauer. Ein selbstgemachtes Handy-Video, das Hans aufgebracht vor einer Tankstelle zeigt, wo er Entlastung, gilt in der CDU als wenig glücklich – nicht zuletzt weil der Ministerpräsident auf den Staat schimpfte, den er selbst repräsentiert.
CDU versucht sich im Bund gegen die Regierung zu profilieren
Im Bund hat die CDU in den vergangenen Wochen vor allem versucht, sich gegen die Bundesregierung zu profilieren. Sie bemängelte deren Corona- und Energiepolitik, kritisierte Bundeskanzler Olaf Scholz als zu wenig präsent, Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Innenministerin Nancy Faeser als Ausfälle.
Die Überlegung aber, eine schlechte oder als schlecht wahrgenommene Performance der Bundesregierung könnte zu einem parteipolitischen Aufschwung der Union in den Ländern führen, hat sich im Saarland nicht bewahrheitet.
Einmal hat sich Friedrich Merz kurz vor der Wahl doch noch zu Wort gemeldet. Entschieden werde über „die Zukunft des schönen Saarlandes“, sagte er in einem Video für die sozialen Netzwerke. Es gehe „um sichere Arbeitsplätze, gute Bildung und Ihre Sicherheit“. Nach 25 Sekunden war Merz fertig.
Hans gab am Wahltag entsprechend keinen Dank zurück nach Berlin: „Meine Frau hat mich sehr unterstützt und die CDU Saar hat gekämpft wie eine Eins“, sagte er nach seiner Stimmabgabe in einer Turnhalle in seinem Heimatort Neunkirchen. Das habe ihm Kraft gegeben. Ob er sich nach einer Niederlage an der Spitze der Saar-CDU halten kann, ist offen.