Wer in Deutschland Kriegsverbrechen von russischen Soldaten in der Ukraine leugnet, könnte bald von einem Gericht verurteilt werden. Mitkommen hat die Gesetzesänderung zunächst kaum jemand, die Ampel-Koalition weitete den Volksverhetzungs-Paragrafen in der vergangenen Woche ohne jede Ankündigung und im Schnellverfahren aus. Das Leugnen, Billigen und Verharmlosen von Kriegsverbrechen und Völkermorden ist jetzt als Volkverhetzung strafbar, während dies zuvor lediglich für den Holocaust galt.
Als „Hau-Ruck-Verfahren“ bezeichnete Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, das plötzliche Vorgehen der Ampel. Die Umstände seien „ärgerlich wie bedenklich“, da es sich um einen wichtigen Straftatbestand handele. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FPD) hätte schon Anfang des Jahres auf ein Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Union gegen Deutschland wegen mangelhafter Richtlinienumsetzung reagieren müssen, sagte Krings am Dienstag dem RND.
Die EU-Kommission wirft Deutschland vor, einen EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung des Rassismus aus dem Jahr 2008 nicht deutlich genug umgesetzt zu haben. „Die Ampel hat stattdessen monatelang nichts getan“, so Krings. Die Union habe dem Gesetzesentwurf dennoch zugestimmt, da die Verschärfung laut Krings „in der Sache richtig“ sei.
AfD und Linke stimmten gegen das Vorhaben
„Inhaltlich führt die Verschärfung dazu, dass nun deutsche Staatsanwaltschaften beurteilen müssen, ob ein Kriegsverbrechen vorliegt“, sagte Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, dem RND. Dies sei „gerade bei den aktuellen Vorgängen“ jedoch kompliziert. Mohamed Ali befürchtet, die Verschärfung könne zu „willkürlichen Anwendungen und Einschränkungen der Meinungsfreiheit“ führen. Thomas Seitz, rechtspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, kritisierte die Intransparenz des Verfahrens. Auch sei die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit weiterhin zu unbestimmt, sagte er dem RND.
Die Verschärfung des Strafrechts beruht auf einer „Formulierungshilfe“ des Justizministeriums, die zunächst nicht bekannt war. Am vergangenen Mittwoch brachte der Rechtsausschuss der Bundesregierung den Vorschlag in einem unscheinbaren Gesetz zum Bundeszentralregister unter. Bereits einen Tag später beschloss der Bundestag die Änderung abschließend - als letzter Tagesordnungspunkt kurz vor 23 Uhr. Solch ein eiliges Vorgehen bei Gesetzesänderung ist sonst eher bei rein technischen oder besonders eiligen Projekten üblich.
Man schaffe „Klarstellung und Rechtssicherheit“
Die Ampelfraktionen wie auch das Bundesjustizministerium begründen das zügige Handeln mit dem Vertragsverletzungsverfahren der EU. Nun schaffe man „Klarstellung und Rechtssicherheit“, sagte Sonja Eichwede, rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, dem RND.
Das Justizministerium betonte, die Verschärfung des Strafrechts habe nichts mit dem russischen Angriffskrieg zu tun. Schon bisher sei die Leugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen als Volksverhetzung strafbar gewesen. Entsprechende Gerichtsurteile sind bisher allerdings nicht bekannt. Auch die Staatsanwaltschaften haben seit Februar zwar wegen Billigung des russischen Angriffskriegs ermittelt, aber nicht nicht wegen Leugnung oder Verharmlosung von russischen Kriegsverbrechen.
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Kritik kommt von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Scheinbar besteht selbst unter den politisch Beteiligten dieser ungewöhnlich eilig zu Stande gekommenen Gesetzesänderung Uneinigkeit über die inhaltliche Tragweite der beschlossenen Novelle“, sagte der Bundesvorsitzende Jochen Kopelke dem RND. Es sei schwierig, rechtssicher eine Grenze zwischen Meinungsäußerung und strafbaren Aussagen zu ziehen. Dies sei besonders für Beamte in Ad-hoc-Situationen eine Herausforderung.
Mit der Gesetzesänderung wird Paragraf 130 zur Volksverhetzung ergänzt. Demnach macht sich auch strafbar, wer andere Völkermorde sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen öffentlich leugnet oder „gröblich“ verharmlost. Einschränkend heißt es, die Äußerung müsse geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören und zu Hass oder Gewalt aufzustacheln.