- Die frühere Bundeskanzlerin hat erstmals und exklusiv Einblick in ihr neues Büro am Brandenburger Tor gewährt.
- Die Räume hatte zuvor schon Helmut Kohl als Altkanzler genutzt.
- Was es mit Merkels Erinnerungsgegenständen auf sich hat und warum von der CDU ein Plüschkissen in Herzform geblieben ist.
Berlin – Mit einer schnellen Bewegung läuft Angela Merkel hinter ihren Schreibtisch und stellt sich neben einen weißen rechteckigen Sockel. Auf dem Sockel steht „Kairos“, der Gott des günstigen Zeitpunkts, der Herr des richtigen Augenblicks. Die Altkanzlerin streichelt der Figur kurz den Kopf. Sie hat die Skulptur des Künstlers Thomas Jastram 2017 privat erworben. Aus Gründen. Es war das Jahr, in dem sie eigentlich aufhören wollte als Kanzlerin.
Dann aber wurde sie von ihren Leuten bestürmt und beschworen, noch einmal anzutreten. Deutschland hatte sich von den Folgen der Flüchtlingskrise noch nicht erholt und die Kanzlerin wollte auch nicht abtreten, ohne diese Sache irgendwie zu Ende gebracht zu haben.
Der günstige Zeitpunkt, selbstgewählt aus dem Amt zu scheiden, sollte also 2021 sein. Und es hat geklappt. Nun hat sie Kairos auf einen hohen Sockel gehoben. Die Figur sticht heraus aus den wenigen Dingen, die Merkel aus dem Kanzleramt in ihr neues Büro unter den Linden 71 mitgenommen hat.
Unter den Linden 71, gegenüber dem Hotel Adlon
Das Gebäude Unter den Linden 71, gleich gegenüber dem luxuriösen und traditionsreichen Hotel Adlon, gehört zu den Bundestagsliegenschaften. Hier haben frühere Kanzler, Präsidenten, Bundestagspräsidenten ihre Büros. Ihnen stehen Räume und Personal auf Lebzeiten für die „Abwicklung fortwirkender Verpflichtungen“ zu. Die Büros von Merkels Vorgänger, Gerhard Schröder, sind verwaist. Ihm sind seine Mitarbeiter davongelaufen. Nun sollen ihm wegen seiner treuen Freundschaft zu Russlands Machthaber Putin die komplette Ausstattung gestrichen werden, wogegen sich Schröder juristisch wehrt.
Merkel jedenfalls ist zwar nun offiziell im Ruhestand, der Berliner Betrieb hat sich aber noch nicht so ganz daran gewöhnt. Anfragen für persönliche Treffen, Interviews und Vorträge hat die Kanzlerin massenweise. Sie ist allerdings wählerisch – das kann sie sich jetzt erlauben.
Wählerisch war sie auch bei der Ausstattung der hellen Räume, die zuvor schon Helmut Kohl als Altkanzler genutzt hatte. Eine einzige Zimmerpflanze hat es in das neue Büro geschafft: Auf der Fensterbank steht ein etwa 30 Zentimeter großer Affenbrotbaum mit seinen dicken dunkelgrün glänzenden Blättern. Es ist ein Ableger der großen Baobab-Pflanze, die in ihrem Büro im Kanzleramt stand.
Adenauer zog mit um
Wenn sich Merkel in ihrem Büro fotografieren ließ, sah man oft im Hintergrund ein Gemälde mit Konrad Adenauer. Schon als sie 2002 Unionsfraktionschefin geworden war, suchte sie sich „den Alten“ aus dem Kunstfundus des Bundestags aus – gefertigt vom österreichischen Expressionisten Oskar Kokoschka. Seitdem begleitet er sie. Im Kanzleramt hing er an der Wand hinter ihrem mächtigen Schreibtisch. Der Schreibtisch ist kleiner geworden. Adenauer hat immer noch seinen Platz im Hintergrund.
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Zu den Büros gehört auch ein Konferenzraum mit langem Tisch. Den Besuchern eröffnet sich ein sensationeller Blick über den Pariser Platz aufs Brandenburger Tor. Merkel wirkt heiter, wenn sie aus dem Fenster schaut. Sie hat tatsächlich den richtigen Zeitpunkt für sich gefunden. Kairos fristete übrigens im Kanzleramt in einer versteckten Ecke sein Dasein. Seine Funktion hat er offenbar dennoch erfüllt und war ihr stete Erinnerung, den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg nicht zu verpassen.
Leicht war das nicht. Denn nach Merkels Wiederwahl 2017 und der schwierigen Regierungsbildung, die bis März 2018 dauerte, gab es von verschiedenen Seiten den Versuch, sie nun doch früher aus dem Amt zu bugsieren. Schließlich nahm sie ihren Gegnern den Wind aus den Segeln, als sie im Oktober 2018 den günstigen Zeitpunkt fand, ihren Abschied aus der Politik mit der Abgabe des Parteivorsitzes einzuleiten.
Hashtag #fedidwgugl
Von der CDU ist übrigens ein rotes Plüschkissen in Herzform geblieben. Es liegt unübersehbar auf dem schwarzen Sofa gleich neben der Eingangstür zum Büro. Das Kissen ist Erinnerung an die Wahlkampagne 2017. Der damalige Generalsekretär Peter Tauber hatte sich das #fedidwgugl Haus ausgedacht und erschaffen, in dem ein großes Herz mit vielen Animationen der CDU helfen sollte, digital, lebensnah und modern rüberzukommen.
Der Hashtag mit den unaussprechlich vielen Konsonanten stand für „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“. Das Programmhaus bekam viel Spott. Die Wahlen 2017 gewann die Union dennoch – wenn auch mit einem bescheidenen Ergebnis.
Zu Merkels Kanzlerschaft gehören auch die überdimensional großen Schachfiguren, von denen sie jedes Jahr eine vom Waldbesitzerverband geschenkt bekam. Vier von ihnen sind mit umgezogen: Dame, König, zwei Bauern. Die nimmt man wohl mit, wenn man die eigenen Schachzüge nur auf das Notwendigste reduzieren möchte.