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Motivator statt WissensvermittlerWie sich die Rolle der Lehrerinnen und Lehrer ändert

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Drohnenflug im Klassenzimmer: Lehrer Helge Delfs betreut Schüler beim Experimentieren.

Köln – Der Experte staunt: Die Siebtklässler Luke und Enes erklären, warum die Bewässerung von Feldern in heißen Regionen der Erde nicht von Drohnen, sondern besser von am Boden fahrenden Robotern erledigt werden muss. Drohnen können nur von oben bewässern. Das würde in der Hitze den Pflanzen schaden. Ein Gerät am Boden, das unter den Blättern herfahren könnte, kann dagegen punktgenau arbeiten. Ein eingebautes Messgerät würde für jeden Abschnitt des Feldes abschätzen können, wie viel Wasser nötig ist. Das spart Ressourcen und schont die Umwelt.

Schüler der Heliosschule entwickeln eigene Ideen

„Ich war völlig geflasht und begeistert“, sagt der Direktor des Instituts für Physikdidaktik an der Universität Köln, Andre Bresges hinterher. „Ein Schüler setzt sich mit seiner Idee gegen eine Lehrperson durch. So geht naturwissenschaftliche Argumentation.“ Sein Institut der Universität betreut mit Studentinnen und Studenten aus Bachelor- und Masterstudiengängen sogenannte „Steam-Weeks“ an der Kölner Heliosschule. 110 Schüler der Gesamtschule machen beim siebenwöchigen Projekt „Zukunft gestalten mit Mensch und Technik“ mit. Die Schüler lernen neue Anwendungen digitaler Technik und können eigene Ideen verwirklichen.

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Die Schülerinnen und Schüler denken auch über die Lösung von Menschheitsproblemen nach.

Das ist nicht nur angewandte Naturwissenschaft. Die Schülerinnen und Schüler denken über die Lösung eines Menschheitsproblems nach. Mit welcher Technik könnte man Kleinbauern in Entwicklungsländern helfen? Was hilft zur Bekämpfung des Hungers in der Welt? Andere Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich mit den Problemen wachsender Städte. Da wird mit Flügen durchs Klassenzimmer der Einsatz von Drohnen getestet.

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Digitale Medien unterstützen pädagogische Konzepte

„So stelle ich mir das vor“, sagt Bresges. „Die digitalen Medien sind kein Selbstzweck. Sie unterstützen Lernende und Lehrende aber darin, pädagogische Konzepte wirksam werden zu lassen.“ Der Uni-Professor ist ein Kämpfer für die Digitalisierung an den Schulen. Begeisternd kann er die Möglichkeiten, die sich bieten, anschaulich beschreiben und Skepsis von Bedenkenträgern verfliegen lassen.

Gerade wurde er vom MNU-Bundesverband, der sich für die Förderung des MINT-Unterrichts (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) einsetzt, mit dem „Archimedes-Preis“ ausgezeichnet. Er sei davon überzeugt, dass jedes Kind eine „Beule in die Welt“ schlagen will, hieß es in der Laudatio. Ausdrücklich wird seine Arbeit für die Inklusion gelobt.

Inklusion durch Digitalisierung

Digitalisierung und Inklusion? Das ist nicht für jeden eine naheliegende Verbindung. Tatsächlich ermöglicht der Einsatz digitaler Technik ein Höchstmaß an individueller Förderung. Es wäre kein Hexenwerk mehr, Kinder und Jugendliche gemäß ihren Fähigkeiten und Talenten mit Aufgaben und Herausforderungen zu versorgen. Sie recherchieren selbstständig, der Austausch und die Präsentation des Erlernten würden einfacher – nicht nur in der einzelnen Klasse. Es könnte ein riesiger Verbund zum Wissensaustausch entstehen, von dem auch Lehrerinnen und Lehrer profitieren. Nicht jedes Rad müsste immer wieder neu erfunden werden.

„Lehrer wird in Zukunft Motivator und Projektmanager sein“

Doch die schöne neue Welt des Lernens verlangt eine ganz wesentliche Bewusstseinsänderung beim Lehrpersonal: „Der Lehrer wird in Zukunft Motivator und Projektmanager statt Wissensvermittler sein“, so Bresges. „Er bringt die Ziele ein, zeigt die Richtung – das Wissen erarbeiten sich die Schüler mit Hilfe der neuen Medien, ihrer Tablet-PCs und des Internets selbst. Das Wissen und Können der Einzelnen verbindet sich dann in Gruppenarbeit zu gemeinsamen Ergebnissen.“

So hat es Bresges bereits vor sieben Jahren in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Rahmen einer Serie zur Zukunft der Stadt im Jahr 2020 formuliert. Damals betreute er ein Modellprojekt an acht Kölner Schulen. Die Schulverwaltung hatte ein überzeugendes Konzept zur technischen Ausstattung vorgelegt. Drei Gymnasien, zwei Gesamtschulen, zwei Berufskollegs und eine Grundschule sollten als „Pilotschulen“ Erfahrungen sammeln, von denen dann alle profitieren sollten.

Die Verantwortlichen in der städtischen Schulverwaltung und die beteiligten Schulen waren genau wie Bresges begeistert. „Der Unterricht wird zur Teamarbeit. Da hat der Eigenbrötler keine Zukunft mehr“, sagte der umtriebige Uni-Professor geradezu euphorisch. Es herrschte Aufbruchstimmung – lange vor Corona.

Pandemie hat Digitalisierung zu Schub verholfen

Vor diesem Hintergrund fällt die Bilanz von Bildung in Zeiten der Pandemie noch ernüchternder aus. Von einer flächendeckenden Digitalisierung kann keine Rede sein, erst recht nicht von einer grundsätzlichen Veränderung des Unterrichts an allen Schulen. Wenn es um digitale Technik ging, dann vor allem um Hilfsmittel für Homeschooling. Das hat noch nicht so viel zu tun mit dem, was Bresges einfordert. Die Pandemie habe der Digitalisierung zu einem ordentlichen Schub verholfen, sagt er. „Aber international sind wir noch lange nicht anschlussfähig.“

Die Art, wie in Deutschland Bildung organisiert wird, hat zu einer „Zweiteilung der Schullandschaft“ geführt, so der Experte. „Viele Schulen haben verstanden und gehen deutlich nach vorne. Aber ein großer Teil hat sich selbst abgehängt.“ Es gebe viele Fördermöglichkeiten, viele Ideen und Chancen – daran liege es nicht, dass es in vielen Schulen nicht weitergehe. „Das Problem ist das Selbstverständnis der Schulen. Sie haben ein hohes Maß an Autonomie.“

Schulen könnten in alte Muster zurückfallen

Er befürchte, dass nach Corona viele wieder zu ihren „alten Standards“ zurückkehren und sich eben nicht weiterentwickeln. Bresges empfiehlt allen Familien, sich bei der Schulwahl genau zu informieren und sich nach der digitalen Ausstattung und einem digitalen Unterrichtskonzept zu erkunden. Schulen, die solche Konzepte und Angebote nicht haben, sollte man meiden. Das klingt gut und mag hier und da funktionieren. Angesichts der Schulplatznot in Städten wie Köln ist der Rat jedoch recht theoretisch, weil die Versäumnisse beim Schulbau faktisch zu einer Abschaffung der freien Schulwahl geführt haben.

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Der Ausweg wären verpflichtende Vorgaben für alle. „Vielleicht“ müsse man das Prinzip der Freiwilligkeit infrage stellen, formuliert Bresges vorsichtig. Dass Lehrkräfte und Lehrerkollegien selbst entscheiden können, wie unterrichtet wird, könne man wohl „nicht weiter durchhalten“, weil die Probleme zu drückend seien. Deutschland verliere den Anschluss.