Im vergangenen Jahr 2023 wurde im Rheinisch-Bergischen Kreis einiges aufs Gleis gesetzt – und eine Menge Porzellan zerschlagen. Eine Bilanz.
Im RückblickSicherheit, Naturschutz und ein politischer Eklat in Rhein-Berg
Trotz turbulenter politischer Auseinandersetzungen, bei denen im vergangenen Jahr zunächst der Kreisdirektor-Posten, dann die Mehrheitskoalition auf der Kippe steht und am Ende die Städte und Gemeinden eine Rechtsanwaltskanzlei beim Streit um die Kreisumlage engagieren – ist doch einiges nach vorne gebracht worden. Einige Schlaglichter aus 2023 zum Ausblick-Interview mit Landrat Stephan Santelmann:
Bevölkerungsschutz:
Dass die Starkregen-Flut von 2021 nicht folgenlos geblieben ist, zeigt sich auch zwei Jahre später noch. Die Information der Bevölkerung, ist – nochmals verstärkt nach dem russischen Angriff auf die Ukraine – nach jahrelangem Dahindümpeln forciert worden. Das zeigt die Inbetriebnahme einer Einsprechstelle bei Radio Berg, über die die Feuer- und Rettungsleitstelle nun nach Sirenenwarnung detaillierte Informationen zum Grund der Warnung geben kann, ebenso wie das deutlich ausgebaute Hochwassermanagement.
Die Einführung des Ersthelferalarmierungssystems Katretter stößt auf große Resonanz. Bis Jahresende gehen die Verantwortlichen davon aus, dass bereits mindestens zwei Menschen durch die per App alarmierten freiwilligen Retter nach einem Herzkreislaufstillstand das Leben gerettet wurde.
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Verkehr:
Nach dem Rückgang der ÖPNV-Nutzer während der Pandemie versucht der Kreis 2023, wieder mehr Menschen zum Umsteigen auf Bus und Bahn zu animieren. Durch groß angelegte Werbekampagnen und weitere neue Angebote. Das Auf-Abruf-Taxi-System Efi wird von Odenthal vorzeitig auf Bechen und Dabringhausen ausgeweitet, auch wenn es zum Jahresende mit den Folgen aus der Insolvenz des ersten Betreibers im Auftrag der Wupsi zu kämpfen hat und erneut Fahrgäste verliert.
Dafür geht unter anderem eine Schnellbusdirektverbindung von Odenthal zum Leverkusener Bahnhof an den Start, werden Wasserstoffbusflotten aufgestockt. Vieles, was früher undenkbar schien, wird nur geprüft, um die Verkehrswende zu fördern. So auch, ob auf der ehemals als Eisenbahntrasse genutzten Balkantrasse neben dem mittlerweile darauf eingerichteten Rad-Geh-Weg noch eine Straßenbahn verkehren kann. Der Ergebnis der Studie steht noch aus.
Umwelt:
Nachdem der Kreis bereits im Vorjahr erfolgreich Patrouillen von Mitarbeitenden seines Amts für Umweltschutz mit dem Wupperverband gestartet hat, um Erholungssuchende auf den Schutz von Gewässer und Natur hinzuweisen und Verstöße bei Bedarf auch ahnden zu können, startet mit der Einstellung von Rangern eine weitere Stufe zum Schutz der seit der Pandemie nochmals verstärktem Freizeitdruck ausgesetzten Natur.
Energie:
Bei der von der Politik bereits angemahnten Energieagentur zur Beratung und Information von Bürgerinnen und Bürgern, um die Energiewende zu schaffen, hapert's zunächst noch. Vor allem dauert offenbar die Abstimmung mit den Kommunen. Zum Jahresende wird schließlich eine „Energie & Klima Koordinierungsstelle“, kurz „Team Ekko“ aufs Gleis gesetzt. Das neue Team soll 2024 durchstarten. Dann soll auch die Förderung von Solaranlagen durch den Kreis fortgesetzt werden. Der Topf war 2023 schneller leer als gedacht.
Finanzen/Organisation:
Das Zeugnis, das die Gemeindeprüfungsanstalt(GPA) dem Kreis ausstellt, sieht Landrat Stephan Santelmann (CDU) als Beleg dafür, dass der Kreis in seiner Haushalts- und Finanzstruktur und auch die Kreisverwaltung in ihrer Organisation gut aufgestellt ist. Allerdings kritisieren die Städte und Gemeinden – im Gegensatz zur GPA –, dass auf ihre Finanzsituation bei der Aufstellung des Kreisetats und der von ihnen zu finanzierenden Kreisumlage zu wenig Rücksicht genommen werde.
Bildung:
Nach einem Hilferuf der Kommunen übernimmt der Kreis die bis dahin von einem Zweckverband der Kommunen getragenen Berufskollegs in Bergisch Gladbach. Die haben einen enormen Sanierungsbedarf, der nun zu stemmen sein wird.
Sicherheit:
Landrat Santelmann, der zugleich Chef der Kreispolizeibehörde ist, initiiert einen Sicherheitsgipfel mit den Ordnungshütern. Er freut sich, dass die Kreispolizei auch von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) aus Leichlingen gelobt wird, etwa, nachdem in Odenthal-Osenau Geldautomatensprenger nach einer spektakulären Flucht aus dem Märkischen Kreis festgenommen worden sind.
Verwaltungsspitze:
Nachdem das Verhältnis zwischen Landrat Santelmann und Kreisdirektor Dr. Erik Werdel (ebenfalls CDU) seit der Auseinandersetzung in der Corona-Krise ungeklärt ist, sorgen CDU und Grüne mit dem Plan für einen Eklat, den Kreisdirektor-Posten abzuschaffen und durch einen Allgemeinen Vertreter des Landrats zu ersetzen. Damit könnte Amtsinhaber Werdel nach Auslaufen seiner Amtszeit 2024 nicht erneut kandidieren. Der Plan bringt nicht nur die Kreisverwaltungsmitarbeitenden in Scharen auf die Barrikaden, sondern auch die Öffentlichkeit.
Am Ende ziehen CDU und Grüne den Antrag zurück, CDU-Kreistagsfraktionschef Johannes Dünner tritt zurück, die Koalition berappelt sich erst nach Tagen. Nun soll Werdel wiedergewählt werden. Offen bleibt zunächst, wie Santelmann reagiert. Anfang 2024 gibt er schließlich bekannt, dass er 2025 nicht erneut als Landrat kandidieren will.