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FC-Trainer Beierlorzer im Interview„Wir werden von Anfang an attackieren“

Lesezeit 7 Minuten
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Achim Beierlorzer, Trainer des 1. FC Köln

  1. Früher war Achim Beierlorzer Mathe-Lehrer, jetzt trainiert er den 1. FC Köln.
  2. Im Interview spricht der Coach über die Gemeinsamkeiten beider Berufe und die Stärken seiner Mannschaft.
  3. Sportchef Christian Löer berichtet bis zum 29. Juli täglich exklusiv aus dem Trainingslager – lesen Sie sämtliche Folgen, sein persönliches Tagebuch, Interviews und Analysen, mit KStA PLUS.

KitzbühelHerr Beierlorzer, bevor Sie Trainer wurden, haben Sie als Lehrer für Sport und Mathematik am Gymnasium gearbeitet. Wie haben Sie es eigentlich geschafft, neben ihrem Engagement als Fußballer ein Studium zu absolvieren?

Hauptsächlich habe ich in der Dritten Liga gespielt, da war man damals Amateur und hat am Abend trainiert. Ich habe in Erlangen studiert und in Fürth gespielt, deshalb war das ziemlich einfach. Als ich ins Referendariat kam, wurde der Spielbetrieb in Fürth professionalisiert, von da an war es für mich ohnehin nicht mehr möglich, dort zu spielen. Darum bin ich dann ganz in den Beruf gegangen. Schon in der Zeit bei den Amateuren des 1. FC Nürnberg war mir klar, dass es für ganz oben nicht reichen würde. Da war für mich klar, dass ich im Amateurbereich bleibe und mit dem Fußball ein bisschen was dazuverdiene.

Wie kam es zur Wahl der Fächer?

Sport hat mich immer fasziniert und Mathematik ist mir immer leicht gefallen. Also im Studium dann nicht mehr, das war schon bizarr teilweise. Da war das Sportstudium handfester, da hat man alles mitbekommen, was man später auch für den Unterricht gebraucht hat. Mathe dagegen war abstrakt ohne Ende, im n-dimensionalen Raum. Trotzdem habe ich später sogar lieber Mathe unterrichtet als Sport. Siebte Klasse Sport, da brauchte man ja fast Ohrschützer, da war ein Aufruhr in der Halle. Siebte Klasse Mathe, da geht es schön geordnet zu. Ich mag die Logik, und logische Strukturen haben mir immer schon gefallen.

Zur Person

Achim Beierlorzer, geboren am 20. November 1967 in Erlangen (Bayern) ist seit Juli Trainer des 1. FC Köln. Als Spieler war Beierlorzer für den 1.FC Nürnberg, Greuther Fürth und unterklassige bayerische Vereine aktiv. Als Trainer arbeitete er ab 2010 in den Nachwuchsabteilungen von Fürth und Leipzig. Beierlorzer war Jahrgangsbester des 60. Fußballlehrer-Lehrgangs (2013/14) an der Hennes-Weisweiler-Akademie und übernahm im Sommer 2017 mit Jahn Regensburg seinen ersten Cheftrainerposten. (ksta)

Auch im Fußball?

Sicher. Ich mag es, wenn sich der eine Schritt aus dem anderen ergibt. Die Planung und Dosierung des Trainings muss vernünftig und für jeden nachvollziehbar sein. Bei uns in der Familie ist das auch so gewesen. Wir haben einen klaren Plan, sind organisiert. Wir haben das erste unserer drei Kinder bekommen, als wir noch im Studium waren – geplant. Da war ich mitten im Referendariat und musste noch intensiv lernen. Aber wir wollten das so, das war schon eine interessante Zeit. Ich kannte das schon von zu Hause. Ich habe ja acht Geschwister. Es ist einfach Wahnsinn, was meine Eltern da geleistet haben. Jeder von uns neun konnte den Weg gehen, den er wollte. Deswegen habe ich größten Respekt vor der Lebensleistung meiner Eltern.

Wie waren Sie als Lehrer?

Ich habe immer versucht, für meine Schüler da zu sein. Ein bisschen wie ein Dienstleister. Weil es mir immer leidgetan hat, wenn einer bei mir in Mathe saß und das Klassenziel nicht erreichte. Ich habe immer versucht, die Schüler mitzunehmen. Das ist mir aber auch nicht immer gelungen.

Waren Sie dann sauer?

Nein, überhaupt nicht. Es ist ja jeder für sich selbst verantwortlich, das nehme ich dann nicht persönlich. Natürlich habe ich mich auch selbst hinterfragt. Wenn eine Klassenarbeit zu schwierig war und zu schlecht ausgefallen ist – da habe ich mich schon gefragt, ob ich es womöglich nicht gut genug vermittelt hatte. Oder die Aufgaben falsch gestellt hatte.

Wie war Ihr Ruf an der Schule?

Es gab viele Rückmeldungen, dass Schüler sich gefreut haben, wenn sie mich hatten. Sport und Mathe ist aber auch eine coole Kombination. Ich hatte die Schüler meistens in beiden Fächern, und wenn man dann als Fußballer kommt, konnte ich die Kids immer gut mitnehmen. Sportler sind ja grundsätzlich angesehen in der Schule, auch die Sportlehrer. Das war hilfreich. Ich war ein netter Lehrer, aber auch ein konsequenter.

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Was davon können Sie auf den Profifußball übertragen?

Sehr viel. Im Fußball entscheidet der Spieler mit seiner Leistung, ob er spielt oder nicht. Es wird immer Entscheidungen geben, die extrem knapp sind. Vor allem, wenn wir eine Gruppe haben, in der das Niveau so ausgewogen ist. Das sind dann harte Entscheidungen, die ich aber treffen muss. Ich werde meine Entscheidungen immer begründen. Aber es gibt keine Diskussionen.

Sie gehen Ihre Arbeit extrem positiv an. Liegt das daran, dass Sie mitbekommen haben, dass der 1. FC Köln eine schwierige Zeit hinter sich hat. Oder haben Sie das mitgebracht?

Den Optimismus habe ich sowieso dabei. Mich prägt, dass ich ein positiver Mensch bin. Es wäre aber auch Quatsch, sich ständig zu hinterfragen, ob ich der Aufgabe beim 1. FC Köln in der Bundesliga gewachsen bin. Dafür habe ich mich mit großer Freude entschieden, und es wäre doch Wahnsinn, jetzt ins Stocken zu kommen.

Haben Sie für sich entschieden, positiv zu sein?

Es gibt keine Alternative zum Optimismus, sage ich immer. Mir ist es immer lieber, die Möglichkeiten zu sehen, nicht die Probleme.

Eine Matheaufgabe ist irgendwann zu Ende gerechnet. In Ihrem Job könnten Sie daran verzweifeln, womöglich einen Stein nicht umgedreht zu haben.

In den vergangenen Jahren habe ich gelernt, an welchen Schrauben man im Fußball drehen kann. Aber auch, dass es vor allem um positive Energie geht. Wenn ich mit negativer Energie unterwegs bin, muss ich mich nicht wundern, wenn das auch bei den Spielern passiert.

Kann man sich im Fußball so sehr verlieren wie in einem komplizierten mathematischen Beweis?

Nein. Fußball ist zwar nicht einfach. Aber man muss es auch nicht zu kompliziert machen. Wir haben eine Qualität auf dem Platz – das sind Spieler, die wissen, was sie zu tun haben. Fußball hat etwas mit Wahrnehmung und Entscheidungen zu tun. Und dann geht es noch um Handlungsschnelligkeit. Ich kann dem Spieler nicht abnehmen, die Lösung zu finden. Ich hatte mal einen Trainer, der hätte am liebsten jedem Spieler einen Knopf ins Ohr gesteckt, um Anweisungen zu geben. Aber im Spiel muss der Spieler entscheiden. Das macht seine Qualität aus.

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War früher Lehrer: Achim Beierlorzer

Wie beurteilt man in einer Saisonvorbereitung die Qualität Ihrer Mannschaft? Der Faktor Gegner fehlt ja überwiegend.

Das sind keine messbaren Daten, zumal die Qualitäten bei den unterschiedlichen Mannschaftsteilen auch unterschiedlich sind. Aber man erkennt die Qualität. Wenn man Tony Modeste im Torabschluss sieht, dann ist es kein Zufall, dass bei ihm die Bälle immer perfekt in die Ecken gehen. Da sieht man ganz genau, warum er in einer Saison 25 Bundesligatore geschossen hat. Ich habe selbst gespielt, viel gesehen und ein genauso erfahrenes Trainerteam. Da entwickelt man ein Auge für Qualität.

Haben Sie ein Gefühl dafür, ob es klappen wird mit dem FC in der Bundesliga?

Ich sehe eine total willige Mannschaft, die eine wahnsinnige Qualität hat. Ich bin hundert Prozent überzeugt, dass wir eine ordentliche Rolle in der Bundesliga spielen werden. Aber die Mannschaft weiß auch, dass wir sofort voll da sein müssen, um nicht nur auf Augenhöhe zu spielen, sondern auch Punkte zu holen.

Mit Regensburg haben Sie extrem aktiv gespielt und den Gegner gestresst. Ist diese Art Fußball auf eine Mannschaft wie die des 1. FC Köln zu übertragen?

Das ist mein Fußball, für den ich mich in der Saison 2012/13 mit der U17 von Greuther Fürth entschieden habe. Weil ich gesagt habe: Dieses abwartende Mittelfeldpressing, in dem man hofft, dass der Gegner einen Fehler macht – diese Passivität, das war nichts für mich. Das habe ich dann komplett verändert, weil ich fand, dass das mehr dem Fußball von früher auf dem Bolzplatz entspricht. Da haben die Guten auch nicht abgewartet, sondern attackiert und sich den Ball geschnappt. Das wollen wir mit Köln auch machen. Denn unsere Qualität ist am Ball. Wir werden unsere Fans mit unserem Fußball noch viel mehr mitnehmen, weil wir von Anfang an mit der gesamten Mannschaft attackieren werden. Es wird nicht passieren, dass jemand auf der Tribüne steht und einen Spieler sieht, von dem er sagen kann: „Schau dir mal den an – der macht gar nichts.“