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Drohende TransfersperreAltes Urteil sorgt im Fall Potocnik für neue Hoffnung beim 1. FC Köln

Lesezeit 7 Minuten
FC-Geschäftsführer Christian Keller ist derzeit damit befasst, die Folgen des Vertragsschlusses mit Jaka Cuber Potocnik einzudämmen.

FC-Geschäftsführer Christian Keller ist derzeit damit befasst, die Folgen des Vertragsschlusses mit Jaka Cuber Potocnik einzudämmen.

Im Jahr 2010 verurteilte die Fifa den FC Chelsea wegen eines vergleichbaren Falls zu einer einjährigen Transfersperre. Doch der Cas hob das Urteil auf.

Christian Dollinger weilte am Samstag bereits in Ljubljana, wo am Sonntag die Partie von Olimpija Ljubljana gegen Tabor Sezana stattfindet. Tabellenführer Olimpija hat derzeit 43 Punkte Vorsprung auf den vom italienischen Weltmeister Mauro Camoranesi trainierten Tabellen-Letzten. Überhaupt läuft es gut für Olimpija, dessen Vizepräsident der Münchner Anwalt Christian Dollinger ist. Mit 15 Punkten Vorsprung auf Rekordmeister NK Maribor steht Ljubljana an der Tabellenspitze, spätesten nach dem Duell am 16. April mit dem Verfolger will man in Ljubljana die Meisterschaft feiern.

Der Meister der slowenischen Liga spielt im Sommer um die Qualifikation zur Champions League. Für fünf Millionen Euro erwarb der deutsche Unternehmer Adam Delius im Jahr 2021 den Verein. Seither hat der Münchner viel verändert – und den Klub neu aufstellen lassen.

Olimpija Ljubljana will sich als Ausbildungsklub darstellen

Delius und sein Vizepräsident Dollinger haben derzeit Freude am Klub. Nach zahlreichen personellen Umstürzen und jeder Menge Konflikten hat man sich stabilisiert. Der Klub will auf den slowenischen Nachwuchs setzen, daher sei auch das Konzept seines Investments nicht, junge Fußballer zu verkaufen und anderswo weiter ausbilden zu lassen.

„Aus Deutschland erhielten wir vor nicht allzu langer Zeit ein wirklich gutes finanzielles Angebot von einem Erstligisten, der sich für einen jungen Fußballer aus unserem Team erwärmte. Wir lehnten dankend ab. Es widerspricht unserer Philosophie, solche Jungen zu verkaufen, die eigentlich noch Kinder sind. Olimpija ist ihr Zuhause, und nur wenn die Zeit reif ist, werden wir ihnen die Tür zu bekannten, angesehenen europäischen Klubs öffnen. Wir sind nicht irgendwelche Fußballagenten oder Manager“, teilte Delius im Januar 2022 mit.

Ab wann hatte Jaka Cuber Potocnik Kontakt zum 1. FC Köln?

Wenige Wochen nach diesen Aussagen kündigte die Mutter des damals 16-jährigen Mittelstürmers Jaka Cuber Potocnik an einem Sonntag per Mail den Vertrag ihres Sohnes bei Olimpija Ljubljana wegen nicht eingehaltener Absprachen. Einen Tag später fanden sich die Entscheider des 1. FC Köln am Geißbockheim ein, diskutierten die Risiken, einen minderjährigen Fußballer mit ungeklärter Vertragssituation zu verpflichten. Und entschieden sich angesichts der herausragenden sportlichen Perspektive, den Spieler unter Vertrag zu nehmen.

Noch am selben Tag soll Potocnik in Begleitung seiner Mutter den Vertrag beim 1. FC Köln unterschrieben haben. Die zeitliche Nähe von Kündigung und Unterschrift legt, vorsichtig ausgedrückt, die Annahme nahe, dass Köln und der Spieler bereits zuvor Kontakt gehabt hatten. Daher entstand aus Sicht der Fifa der Verdacht, der Spieler sei von den Kölnern zur Kündigung „angestiftet“ worden. Darauf stehen laut Fifa-Reglement neben einer Geldstrafe und einer Sperre für den Spieler ein Bann gegen den aufnehmenden Verein für die Dauer von zwei Transferperioden.

Die Fifa entschied, dass Potocnik ohne triftigen Grund gekündigt hatte. Der 1. FC Köln hatte nicht beweisen können, dass man den Spieler nicht angestiftet hatte. Daher das Urteil, gegen das die Kölner nun vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) in Lausanne Einspruch einlegen werden.

Bereits am 1. Februar wurde das Urteil gefällt. Üblicherweise stellt die Fifa ihre Urteile unverzüglich zu, die Begründungen folgen später. Von dieser Praxis sieht man allerdings ab, wenn zu erwarten ist, dass ein Urteil größeres öffentliches Interesse erweckt. Dann wartet das Tribunal, um Urteil und Begründung gleichzeitig zuzustellen.

1. FC Köln: Christian Keller nennt Fifa-Urteil „absurd“ und eine „Farce“

Im Rückschluss hatte sich also angesichts der langen Wartezeit schon länger angekündigt, dass die Kölner in Problemen steckten: Hätte Ljubljana den Kampf um einen slowenischen Teenager verloren – es hätte wohl kaum jemanden interessiert. Einen deutschen Erstligisten jedoch für einen Verstoß gegen eine Regel zu bestrafen, die der Eindämmung des Menschenhandels im Profifußball dienen soll, bedurfte dagegen einer Erklärung.

In der Münchner Anwaltskanzlei, die Olimpija Ljubljana in der Angelegenheit vertritt, war man deshalb schon seit längerem siegesgewiss – und vorbereitet auf die weiteren Schritte.

„Ich würde so nicht über das Urteil eines Gerichts reden“

Siegesgewiss waren die Kölner ebenfalls. Am Donnerstag nannte FC-Geschäftsführer Christian Keller das Urteil der Fifa eine „Farce“ und „absurd“, Dollinger wunderte sich über den ruppigen Ton: „Ich würde so nicht über das Urteil eines Gerichts reden“, sagte der Anwalt.

Gael Kakuta wechselte 2010 nach fristloser Kündigung vom RC Lens nach Chelsea. Zunächst wurde Chelsea von der Fifa hart verurteilt. Doch später hob der Cas die Transfersperre auf.

Gael Kakuta wechselte 2010 nach fristloser Kündigung vom RC Lens nach Chelsea. Zunächst wurde Chelsea von der Fifa hart verurteilt. Doch später hob der Cas die Transfersperre auf.

Bei einem Termin im Geißbockheim im vergangenen Sommer waren Delius und Dollinger mit Keller zusammengekommen und hatten vorgeschlagen, den Spieler für 2,5 Millionen Euro zu transferieren. Keller war der Ansicht, dass man einen Spieler verpflichtet hatte, der aus triftigem Grund gekündigt hatte und daher vertragslos war. Demnach hätte man Ljubljana nichts geschuldet – abgesehen von der grundsätzlich fälligen Ausbildungsentschädigung, die bei jedem Transfer eines Spielers an dessen Jugendverein fällig ist.

Verwunderung über Treffen mit Christian Keller

Die Herren aus München waren nach dem Termin rasch wieder zurückgereist, zwei lange Zugfahrten an einem Tag für nichts – dabei sei man als Präsidium angereist, um zu signalisieren, dass jede Art von Einigung möglich war. Sonst hätte man schließlich auch einen Geschäftsführer schicken können – überhaupt waren die Eigner des slowenischen Klubs verwundert, Keller allein anzutreffen. Ohne Rechtsbeistand und auch ohne Mitglied des Kölner Präsidiums.

Für den FC allerdings handelte es sich in diesem Moment noch nicht um ein Geschäft von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung, für das es der Zustimmung des Gemeinsamen Ausschusses bedurft hätte. Wie sich jedoch später zeigte, waren die Folgen des Termins in Kellers Büro tatsächlich von potenziell gewaltiger Bedeutung.

1. FC Köln setzt auf die Möglichkeiten bei einer Anhörung

Die Kölner Hoffnungen liegen nun auf dem Cas. Dort werden drei Richter die Berufung verhandeln. Anders als bei der Fifa, die nach Aktenlage entscheidet, wird es in Lausanne auch eine Anhörung geben. Allerdings gibt es weitere Möglichkeiten: Vor mehr als zehn Jahren hatte der FC Chelsea exakt das gleiche Problem: Damals verpflichteten die Engländer den französischen Mittelstürmer Gael Kakuta, der zuvor bei seinem Jugendklub RC Lens fristlos gekündigt hatte – nach Ansicht der Fifa ohne triftigen Grund.

Chelsea wurde damals ebenfalls zu einer einjährigen Transfersperre verurteilt. Vor dem Cas dann die spektakuläre Wende: Beide Klubs einigten sich darauf, dass Kakuta doch keinen gültigen Vertrag in Lens gehabt hatte und daher nicht rechtswidrig gewechselt war. „Im Licht dieser Umstände hebt der Cas das Urteil der Fifa damit auf“, teilten die Sportrichter in Lausanne mit.

Cas-Urteil aus 2010 macht dem 1. FC Köln Hoffnung

Ein für die Kölner zusätzlich interessantes Detail: Der Transferbann gegen Chelsea wurde damals bis zum Ende der Einspruchsverhandlung ausgesetzt. Das bedeutet grundsätzlich, dass der FC wohl in diesem Sommer Transfers tätigen dürfte, denn das Verfahren vor dem Cas dürfte mindestens vier Monate dauern.

Auch für den Fall, dass das Urteil der Fifa vor dem Cas Bestand hat, könnten die Kölner also diesen Sommer retten und ihren Kader womöglich durch Leihgeschäfte so gestalten, dass sie im folgenden Jahr zumindest ein wenig vorbereitet wären.

Ljubjana weiter gesprächsbereit: „Die Anwaltskanäle sind selbstverständlich weiter offen“

Christian Dollinger hatte im Namen von Olimpija Ljubljana bereits in der vergangenen Woche deutlich gemacht, dass man weiter gesprächsbereit sei. Auch die Slowenen werden vor den Cas ziehen, denn die Fifa-Richter sprachen ihnen bislang nur einen Schadensersatz von 51.750 Euro zu.

Wenn beide Seiten mit einem Richterspruch unzufrieden sind, finden die beteiligten Anwälte eigentlich rasch zusammen. „Wir haben ein erstinstanzliches Urteil, das zu unseren Gunsten entschieden worden ist. Aber die Anwaltskanäle sind selbstverständlich weiter offen“, sagt Dollinger.

Allerdings kann man sich auch am 1. April nicht an den Cas wenden und mitteilen, der ganze Prozess bei der Fifa beruhe auf einem riesigen Versehen. Im Gegenteil bleiben Dollinger und seine Partner bei ihrer Darstellung, mit der sie auch die Richter der Fifa überzeugten. Allerdings hieß es am Samstag, man kenne nicht alle Unterlagen des 1. FC Köln. Womöglich habe Köln ja doch Zeugen und Beweise, die Missverständnisse aufklären könnten.

So könnte die Angelegenheit doch noch im letzten Moment einen für die Kölner glimpflichen Ausgang nehmen. Es wäre eine Alternative dazu, sich der Gefahr auszusetzen, auch vor dem Cas zu verlieren. Im Gespräch werden Ljubljana und der FC ohnehin noch bleiben müssen. Denn auch 15 Monate nach der Verpflichtung von Jaka Cuber Potocnik haben die Kölner noch keine Ausbildungsentschädigung an Olimpija Ljubljana bezahlt.