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Kellers Trainer-Auswahl muss sitzenFür den 1. FC Köln und seine Bosse steht viel auf dem Spiel

Lesezeit 6 Minuten
Christian Keller (v.l.), Philipp Türoff und Werner Wolf äußern sich auf einer Pressekonferenz des 1. FC Köln

Die FC-Geschäftsführer Christian Keller (v.l.) und Philipp Türoff sowie Präsident Werner Wolf bei der Pressekonferenz nach der Baumgart-Trennung und dem Cas-Urteil

Der 1. FC Köln hat bereits Anfang des Jahres eine Zäsur hinter sich. Sollte der Bundesligist tatsächlich absteigen, hätte das auf vieles und viele Auswirkungen.

Am Mittwoch wurde es am Geißbockheim noch einmal emotional. Steffen Baumgart traf vormittags ein und verabschiedete sich von der Mannschaft und den Mitarbeitern. Zweieinhalb Jahre war der 51-Jährige Trainer beim 1. FC Köln, nun ist Baumgarts FC-Zeit endgültig vorbei.

Die Suche nach einem Nachfolger steht vor dem Abschluss, Sport-Geschäftsführer Christian Keller ist sich mit diesem offenbar einig. Der Bundesliga-Vorletzte wird den neuen Cheftrainer wohl am Donnerstag verkünden. Denkbar ist weiterhin, dass ein bislang nicht gehandelter Trainer das Rennen macht. Doch ganz gleich, wer es wird: Kellers Trainer-Auswahl muss sitzen. Es ist der einzige Hebel, an dem er personell ansetzen kann. Nach dem Cas-Urteil, das die Transfersperre bestätigte, darf der FC bis Januar 2025 keinen Spieler verpflichten. Der neue Trainer steht vor der gewaltigen Aufgabe, ein Team ohne Verstärkungen zum Klassenerhalt zu führen. Ein Abstieg wiederum hätte erhebliche Folgen.

Das Trainerteam

Hier gab es bereits eine Zäsur. Nicht nur Baumgart ist Geschichte, sondern seit Dienstag auch Co-Trainer René Wagner und Torwarttrainer Uwe Gospodarek. Der Abgang von Baumgarts Gefolgsmann Wagner war erwartet worden, der von Gospodarek dagegen weniger. In die zweieinhalbjährige Amtszeit des 50-Jährigen fiel die Wachablösung im Tor. Der von Gospodarek geförderte Marvin Schwäbe verdrängte den Ur-Kölner Timo Horn. Es gibt nach Schwäbes Leistungen wohl niemanden, der an der Richtigkeit dieser Entscheidung zweifelt. Sie ging erstaunlich ruhig über die Bühne. Was am loyalen Horn lag, aber auch an der Moderation von Baumgart und Gospodarek. Aus „clubstrategischen Gründen“ habe der FC Gospodarek freigestellt, teilte Keller mit. Es war zu hören, dass dem Ex-Profi vorgeworfen wurde, zu oft in seiner Wahlheimat München gewesen zu sein. Er und Wagner beziehen weiter ihre Gehälter – oder sie müssen wie Baumgart abgefunden werden.

Keller erklärte, dass die Co-Trainer André Pawlak und Kevin McKenna bleiben müssen. Das sei sogar „unverhandelbar“. Doch nach Informationen dieser Zeitung hatte der 52-jährige Pawlak mit dem Cheftrainer-Posten geliebäugelt. Er wird nun abwarten, wie er mit dem neuen Chef zurechtkommt und dann sicherlich selbst entscheiden. Pawlak hatte 2019 die Bundesliga-Rückkehr finalisiert. Es gab Fürsprecher für ihn, doch Keller möchte ein frisches Gesicht, eine externe Lösung, die „komplett unbefleckt“ an die Sache herangehe.

Die Mannschaft

So viele Leistungsträger hat der FC nach dem Aderlass der vergangenen zwei Jahre (unter anderem Modeste, Özcan, Hector, Skhiri) nicht mehr. Würden Jeff Chabot, Timo Hübers, Marvin Schwäbe, Dejan Ljubicic, Mark Uth oder der von Wolfsburg mit Kaufoption ausgeliehene Luca Waldschmidt im Fall des Abstiegs alle mit in die 2. Liga gehen? Das darf bezweifelt werden. Keller sprach davon, dass es nur „ganz wenige Ausstiegsklauseln“ in den Verträgen gebe. Doch selbst wenn nur wenige Leistungsträger gingen, könnte der FC darauf nicht adäquat reagieren. Weil er keine Transfers tätigen darf.

Die Geschäftsführung

Besonders Keller steht in der Kritik. Seine Transfer-Politik floppte bis dato. Die finanziellen Spielräume für den Sportchef waren zwar begrenzt. Doch die Spieler, für die er Geld ausgab, brachten den FC in der Mehrzahl nicht weiter. Zudem ist der 1. FC Köln der erste deutsche Verein überhaupt, gegen den eine Transfersperre ausgesprochen wurde. Die hätten Geschäftsführung und Vorstand verhindern können, doch auch Keller war mehrfach nicht in der Lage, das Thema abzuräumen und sich mit Olimpija Ljubljana zu einigen.

Nach dem „schwarzen Donnerstag“ mit dem Cas-Urteil und der Baumgart-Trennung hatten sich Keller, Geschäftsführer Philipp Türoff und Präsident Werner Wolf öffentlich nicht mal in Ansätzen selbstkritisch gezeigt oder Fehleinschätzungen eingeräumt. Das Echo darauf war verheerend. In dieser Woche hörte sich das bei Keller anders an, der Sportchef sprach davon, dass die „Kritik total nachvollziehbar“ sei: „Wenn ich das als Mitglied oder Fan sehen würde, wäre ich nicht gerade begeistert.“

Keller, seit April 2022 im Amt, muss jetzt liefern. Andernfalls hat er keine Zukunft mehr am Geißbockheim. „Um meine Person geht es nicht, die ist auch irrelevant. Ich habe die Verantwortung, und wenn ich dieser nicht gerecht werde, dann wird es Personen geben, die im Zweifel über meine Person entscheiden“, sagte Keller und betonte auch die eigene Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, denen man einen „guten und sicheren“ Arbeitsplatz bieten wolle, und gegenüber den 135.000 Mitgliedern.

Der Vorstand

Der Vorstand mit Präsident Werner Wolf und den Stellvertretern Eckhard Sauren und Carsten Wettich bestellt die Sport- und Finanzgeschäftsführer, die die Geschicke der Kapitalgesellschaft leiten. Oder beruft sie eben ab. Keller, zuvor bei Jahn Regensburg tätig, war die erklärte Wunschlösung des Vorstands. Scheitert dieser, wäre das auch eine Niederlage für den Vorstand, der auch auf anderen Ebenen mehrfach kein gutes Bild abgegeben hat. Von der Umsetzung des so genannten „FC-Matchplans“, der 2021 angekündigten Sieben-Jahres-Strategie, ist man weit entfernt. Beim Geißbockheim-Ausbau kommt man nicht voran. Der Klub sperrt sich zudem weiter gegen den Einstieg eines Investors. Der Vorstand setzt damit ein früheres Wahlversprechen um. Auch, weil er von diesem Weg selbst überzeugt ist.

Zur Wahl steht der Vorstand erst im Herbst 2025. Sollte der FC allerdings abstiegen, läge ein Rücktritt des Vorstands ohnehin nahe. Oder es könnte theoretisch zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung kommen. Diese kann laut Satzung entweder der Vorstand oder der Mitgliederrat per Beschluss einberufen – oder eine Gruppe von mindestens 1000 Mitgliedern. Doch diese würde man eigentlich nicht benötigen, da die nächste Mitgliederversammlung (mit einer dann außerordentlichen Wahl) ohnehin im kommenden Herbst stattfindet.

2022 war der Vorstand mit sehr großer Mehrheit, aber vor einer Minuskulisse, wiedergewählt worden. Denn in der Lanxess Arena waren bei der späten Wahl nur noch 799 der damals rund 125.000 Mitglieder anwesend.

Der Mitgliederrat

Das Gremium überwacht die Geschäftsführung des Vorstands und berät diesen, ist also eine Art Aufsichtsrat. Und: Der Mitgliederrat hat alle drei Jahre das alleinige Vorstands-Vorschlagsrecht. Dieser hatte 2019 das Trio Wolf, Sauren und Jürgen Sieger vorgeschlagen, der 100 Tage nach der Wahl schon zurücktrat und durch den bis dato stellvertretenden Vorsitzenden des Mitgliederrats, Carsten Wettich, ersetzt wurde. 2021 wurde Wettich in den Vorstand gewählt.

Zwar wäre für ein alternatives Trio grundsätzlich auch eine Kampfkandidatur möglich, doch die scheuten bereits in der Vergangenheit mögliche Kandidaten.

Derzeit gehören 15 Personen dem Mitgliederrat an. Das Gremium wird im Herbst neu gewählt — ein wichtiger Termin, auch für den Vorstand. Möglicherweise verschieben sich Mehrheiten (und auch Einstellungen), möglich ist aber auch, dass vieles gleich bleibt. Der Vorsitzende (Ho-Yeon Kim) und sein Stellvertreter (Fabian Schwab) gehören qua Amt dem wichtigen Gemeinsamen Ausschuss an. Das siebenköpfige Gremium, zu dem auch das Vorstands-Trio zählt, muss „Maßnahmen und Geschäfte von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung“ der KGaA genehmigen. Dazu zählt auch die Verpflichtung eines Cheftrainers. Der GA könnte diesen theoretisch durchfallen lassen, dann wäre aber der Sport-Geschäftsführer massiv beschädigt. Und so hängt beim 1. FC Köln alles mit allem irgendwie zusammen.

Die FC-Zukunft

Diese steht wohl mehr denn je auf dem Spiel. Auch wenn sich im Falle eines Abstiegs der Spieler-Etat weiter reduziert, ist dadurch nichts gewonnen. Ein erneuter Abstieg mit den damit verbundenen Mindereinnahmen (vor allem der TV-Gelder) würde über 40 Millionen Euro Umsatzverlust für den FC bedeuten, dazu kämen weitere Folgeverluste. 2018/19 gelang den Kölnern zwar der direkte Wiederaufstieg, doch er war teuer erkauft. Und er ist keine Selbstverständlichkeit. Der HSV hängt bereits in der sechsten Saison in der 2. Liga fest, Schalke ist nach dem Abstieg jetzt 14.. Das Gute und Schöne am Fußball aber ist: Nicht alles lässt sich prognostizieren. Und der 1. FC Köln kann den erneuten Abstieg auch noch vermeiden. Mit einem neuen Cheftrainer.