Nur noch drei Kandidaten sollen beim FC im Rennen sein. Ein junger Coach überzeugt beim Video-Call. Von zwei weiteren Trainern hat sich der Klub hingegen getrennt.
Junger Coach kann überzeugen1. FC Köln präsentiert in dieser Woche neuen Cheftrainer
Während der Mitgliederversammlung des 1. FC Köln Ende September hatte sich ein älteres FC-Mitglied in seiner Wortmeldung im kölschen Idiom darüber echauffiert, dass das Bundesliga-Team im „Callcenter“ angeblich viel zu viele Trainer habe. Er habe sich über die Anzahl regelrecht erschrocken. „Die müssten ja überfit sein“, sagte dieser und schob fast resigniert nach, dass das alles ja leider nicht viel bringen würde: „Das Ergebnis sieht man jedes Wochenende.“ Lachen in der Lanxess-Arena war die Folge.
Auch das ältere FC-Mitglied hätte damals gewiss nicht für möglich gehalten, was jetzt eingetreten ist: Denn über drei Monate später ist nicht nur der auf der Versammlung gefeiert Cheftrainer Steffen Baumgart (51) bereits Geschichte, auch zwei weitere Trainer aus dem Großraumbüro sind nicht mehr beim FC im Amt. Denn nach der Trennung von Baumgart am 21. Dezember hat der akut abstiegsgefährdete Klub auch Co-Trainer René Wagner (35) und den erfahrenen Torwarttrainer Uwe Gospodarek (50) freigestellt. Dies teilte am Dienstag Sport-Geschäftsführer Christian Keller mit.
Die erste Einheit im neuen Jahr im strömenden Regen, an der auch die Top-Talente Justin Diehl und erstmals Jaka Cuber Potocnik teilnahmen, leiteten die langjährigen Assistenten André Pawlak (52) und Kevin McKenna (43). Pawlak spielt allerdings bei der Neu-Besetzung des Cheftrainer-Postens trotz einiger Fürsprecher keine Rolle. Keller will einen externen Kandidaten holen und diesen in dieser Woche auch präsentieren. „Wir haben die Tage nach der Freistellung von Steffen intensiv damit verbracht, einen neuen Kandidaten zu suchen. Ich gehe davon aus, dass schon im Verlauf der nächsten Tage eine Entscheidung fallen wird. Es wird eine externe Lösung“, bestätigte Keller.
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Der Sportchef sieht es nicht als Problem an, dass die Kölner zwölf Tage nach der Trennung von Baumgart und rund anderthalb Wochen vor dem wichtigen Bundesligaspiel gegen Heidenheim noch keinen Coach präsentieren konnten. „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Und wir haben es sehr gründlich gemacht“, sagte Keller. Wenig verwunderlich war, dass der Sportchef auf kolportierte Trainer-Namen nicht einging. Angeblich sind nur noch drei Kandidaten in der engeren Auswahl: Der Däne Bo Henriksen vom FC Zürich, der Schweizer Thomas Stamm vom SC Freiburg II und der derzeit vereinslose Matthias Kohler, das unbeschriebenste Blatt aus dem Trio, mit dem die Kölner laut „Sky“ bereits konkrete Gespräche geführt haben sollen. Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ können das bestätigen.
1. FC Köln: Matthias Kohler kann in Video-Call Keller und Co. überzeugen
So soll sich Keller nach einem längeren Video-Call mit Kohler von diesem begeistert gezeigt haben. Der 32-Jährige soll mit einer detaillierten Analyse überzeugt und sehr aufgeräumt gewirkt haben. Der Coach soll klar aufgezeigt haben, wo er bei der abgestürzten Mannschaft ansetzen und was er verändern will. Ein „Laptop-Trainer“, sagen Fachleute, die ihn kennen, soll Kohler hingegen nicht sein.
Offenbar ist Kohler mittlerweile der Top-Kandidat auf den FC-Posten. Sollte sich der FC für ihn entscheiden, wäre das eine äußerst mutige Wahl, mit der auch Kellers Schicksal am Geißbockheim verknüpft wäre. Aber ganz gleich, wer auch Trainer wird: Die Entscheidung muss sitzen und der Abstieg vermieden werden – ansonsten hat auch der unter großen Druck geratenen Keller keine Zukunft mehr am Geißbockheim.
Kohler hatte bis Anfang Dezember den niederländischen Erstligisten FC Volendam trainiert. Und war von seinem Posten zurückgetreten, nachdem der Verein von einem Streit zwischen dem Aufsichtsrat und seinem Management erschüttert worden war. Kohlers Bilanz in Volendam ist schwach: In 14 Spielen holte der Coach nur zwei Siege (bei zwei Unentschieden und zehn Niederlagen). Zuvor war der Fußballlehrer beim FC Basel als Trainer der U21 und U18. 2019 war er für den slowakischen Erstligisten AS Trencin (knapp vier Monate als Coach) und 2014/15 als Jugendtrainer für Ajax Amsterdam tätig. Kohler stammt aus Obermettingen, der Ort in Baden-Württemberg ist nur rund 40 Kilometer von Gutmadingen entfernt, dem Heimatort von Keller. Doch beide sollen sich erst seit kurzem kennen. Kohler war selbst kein Profi, in der Jugend spielte er für den SC Freiburg. Zwei Kreuzbandrisse verhinderten wohl mehr.
Stamm machte sich vor allem in der vergangenen Saison beim SC Freiburg einen Namen, der 40-Jährige hatte die Zweitvertretung mit erfrischendem Fußball sensationell zur Vizemeisterschaft in der 3. Liga geführt. Der Schweizer, zuvor Junioren-Nationaltrainer der Schweiz (U15 und U16), wurde zuletzt mit anderen Klubs in Verbindung gebracht, gilt aber auch als möglicher Nachfolger von Christian Streich, sollte die Klub-Ikone das Traineramt beim Sport-Club einmal abgeben wollen. In dieser Saison läuft es für Stamms Team nach einem Umbruch aber nicht, der SC Freiburg II ist abgeschlagener Drittliga-Letzter.
Henriksen kam im Oktober 2022 vom FC Midtjylland zum FC Zürich und löste den bisherigen Coach Franco Foda ab. Der Traditionsklub war damals in einer großen Krise und Tabellenletzter, Henriksen führte den FCZ doch noch zum Klassenerhalt. Derzeit steht er mit dem Meister von 2022 auf Platz drei. Der frühere Stürmer setzt auf hohes Angriffspressing, bevorzugt in der 3:4:3-Grundordnung. Der 48-Jährige steht bis Juni 2024 in Zürich unter Vertrag. Und strebt offenbar den nächsten Karriereschritt an.
Wagner will Baumgart folgen, doch Gospodareks Abgang wirft Fragen auf
Den hatte sich auch Pawlak erhofft. Der 52-Jährige hätte es sich zugetraut, die Profis auch als Cheftrainer zu übernehmen. Wie in der Endphase der Saison 2018/19, als er die Bundesliga-Rückkehr des FC geschafft hatte. Doch Keller entschied sich anders. Pawlak und McKenna sollen dem neuen Cheftrainer assistieren, ihr Bleiben sei aber „nicht verhandelbar“, sag Keller. Pawlak gilt als überaus loyal, ausgeschlossen ist indes nicht, dass auch er sich jetzt seine Gedanken macht.
Diese Phase haben Wagner und Gospodarek bereits hinter sich. Wagner sei zwar ein „hochgeschätzter Trainer“, sagt Keller, doch man habe auch ein „klares Commitment“ von diesem eingefordert. „René hat eine hohe Loyalität zum FC, aber eine einen Tick höhere Loyalität zu Steffen Baumgart. Er hat uns klar zu verstehen gegeben, dass er ihm gerne folgen würde, wenn er eine neue Anstellung findet.“
Der Abgang von Gospodarek nach zweieinhalb Jahren hinterlässt Raum für Spekulationen: „Wir haben die Arbeit von Uwe sehr geschätzt. Wir haben uns aber Gedanken darüber gemacht, ob es in der neuen Konstellation passt und sind dann zu dem Entschluss gekommen, dass wir auf dieser Position eine Veränderung vornehmen möchten“, sagte Keller. Anstelle von Gospodarek leitete am Dienstag Eberhard Trautner das Torwart-Training. Den erfahrenen 56-Jährigen konnte das ältere FC-Mitglied Ende September übrigens nicht gemeint haben, denn Trautner war zuvor nicht bei den Kölner Profis, sondern bei der U21 als Torwarttrainer tätig.