Köln – Am Freitagnachmittag wartete Michael Boris am Gleis drei des Kölner Hauptbahnhofs auf den ICE und später dann in Essen auf die S-Bahn in Richtung Heimat. Der Trainer von Kölns Playoff-Gegner Féhervár FC nutzte die wenigen freien Tage zum Besuch seiner Eltern in Gladbeck. Zuvor hatte der Coach seine Mannschaft am Geißbockheim noch einmal trainieren lassen („Dafür danken wir dem FC“), die Spieler flogen dann am Nachmittag nach Budapest zurück.
Auf der rund 90-minütigen Zugfahrt ins Ruhrgebiet ließ der gebürtige Bottroper sicherlich die Ereignisse vom Vorabend noch einmal Revue passieren. Es waren tolle Ereignisse, denn für seine Mannschaft, aber auch für den 47-Jährigen selbst war die Partie in Köln optimal verlaufen. Durch den überraschenden 2:1-Sieg im Hinspiel haben sich die Ungarn eine sehr gute Ausgangsposition für das Rückspiel am kommenden Donnerstag (19 Uhr) verschafft. Aber für den früheren Torwart Boris, der mit kurzer Unterbrechung seit 2016 in Ungarn als Trainer tätig ist, war die Partie sicherlich auch Werbung in eigener Sache. Er hatte den Außenseiter optimal auf den Bundesligisten vorbereitet, 44.000 Zuschauer im Stadion und bis zu 1,8 Millionen vor den TV-Geräten konnten sich davon überzeugen.
„Es war ein schöner Donnerstagabend für uns – in jeglicher Hinsicht. Ich bin stolz auf meine Mannschaft. Aber es war auch ein Vergnügen, in Köln vor dieser Kulisse und bei dieser fantastischen Stimmung zu spielen. Genau für solche Erlebnisse hat man ja auch mal den Trainerschein gemacht“, sagt Boris im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
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Doch der Coach weiß natürlich auch, dass im Rückspiel die Karten neu gemischt werden und der Vorteil seines Teams kein riesiger ist. „Wir haben die Rote Karte erzwungen und durch unsere Fähigkeiten die zwischenzeitliche Konfusion beim FC gut ausgenutzt. Aber in der zweiten Halbzeit hat man schon gesehen, welche Qualitäten die Kölner haben – und dies selbst in Unterzahl. Für uns war das schon brutal. Trotz des 2:1 ist noch gar nichts entschieden, auch der FC wird dann wieder zu elft sein. Aber natürlich gehen wir jetzt dennoch mit Selbstvertrauen und Zuversicht ins Rückspiel“, sagt Boris, der sich trotz des Heimvorteils auf ein halbes Auswärtsspiel einstellt. Zwar ist die MOL Aréna Sóstó in Székesfehérvár mit rund 14.000 Zuschauern erstmals ausverkauft, doch unter diesen werden auch mehrere tausend Fans aus Köln erwartet. Offiziell erhielt der FC 2700 Tickets aus Ungarn.
Verlegung frühzeitig beantragt
So schön der Abend für Boris und den Féhervár FC war, so wenig Verständnis zeigt der Coach aber für erste Schlagzeilen aus Deutschland von vermeintlicher Wettbewerbsverzerrung. Denn im Gegensatz zum Baumgart-Team, das am Sonntag (15.30 Uhr) noch das schwierige Auswärtsspiel bei Eintracht Frankfurt bestreiten muss, hat Féhervár spielfrei. Das ursprünglich geplante Ligaspiel am Sonntag gegen Ujpest Budapest wurde verschoben, der ungarische Verband erlaubte dies. Steffen Baumgart wollte das bereits nicht als „Ausrede“ für ein mögliches Scheitern seiner Kölner gelten lassen und sich kein Urteil dazu erlauben.
Boris erklärt den Vorgang so: „In den Statuten des ungarischen Fußballs gibt es einen Paragraphen, der solch eine Verlegung zulässt. Allerdings nur mit Vorlaufzeit. Wir haben eine mögliche Verlegung bereits vor der dritten Qualifikationsrunde gegen Hincesti beantragt. Wir hatten zudem jetzt fünf Englische Wochen in Serie. Es ist jetzt nicht so, dass wir sagen können: ,Komm‘, wir haben das Spiel in Köln überraschend gewonnen, lasst uns mal einfach so das Ligaspiel verlegen.‘ So einfach geht das bei uns nun auch nicht.“
Bis Sonntag wird Boris bei seiner Familie in Gladbeck noch etwas ausspannen können, dann reist er nach Ungarn zurück. Und bereitet seine Mannschaft dann auf das Rückspiel vor, in dem es um so viel geht: um den sportlichen Erfolg, um Reputation, aber auch um sehr viel Geld. Allein die Qualifikation für die Gruppenphase (ab dem 8. September) würde dem FC oder Féhervár 2,94 Millionen Euro einbringen. Für jeden Sieg gäbe es in der Gruppenphase 500.000 Euro, ein Remis brächte 166.000 Euro. TV-Einnahmen und Erlöse aus den Ticketverkäufen für die Heimspiele kämen noch dazu.