AboAbonnieren

Parallelen zum Saisonfinale von 1999Eintracht-Retter Fjörtoft erklärt, wie es der 1. FC Köln noch packen kann

Lesezeit 6 Minuten
Frankfurts Stürmer Jan Aage Fjörtoft  überlistet am 29. Mai 1999 nach einem Übersteiger Kaiserlauterns Torwart Andreas Reinke und trifft zum 5:1-Sieg.

Bundesliga-Geschichte: Frankfurts Stürmer Jan Aage Fjörtoft überlistet am 29. Mai 1999 nach einem Übersteiger Kaiserlauterns Torwart Andreas Reinke und trifft zum 5:1-Sieg, der den Klassenerhalt bedeutet.

Der FC befindet sich in einer ähnlichen Lage wie einst Frankfurt. Eintracht-Held Jan Aage Fjörtoft erinnert sich und blickt auf das Saisonfinale am Samstag.

25 Jahre ist es her, da erlebte die Fußball-Bundesliga am letzten Spieltag einen Abstiegskampf, der als der spannendste aller Zeiten gilt. Er war ein Drama, das erst auf vier, später drei und am Ende nur noch auf zwei Bühnen spielte. Und das wahrlich nichts für schwache Nerven war. Ein Stürmer und ein Trainer machten sich am Ende der Saison 1998/99 unsterblich – jedenfalls aus Sicht von Eintracht Frankfurt: Torjäger Jan Aage Fjörtoft und Coach Jörg Berger, der Anfang der 90er-Jahre auch den 1. FC Köln vor dem Abstieg bewahrt hatte.

4:1 führte die Eintracht am 34. Spieltag gegen den amtierenden Meister 1. FC Kaiserslautern und wähnte sich mit einem begeisternden Auftritt gegen die Pfälzer schon am Ziel. Wer damals die Radio-Schlusskonferenz gehört hatte, der dürfte sich daran erinnern, wie sich BR-Reporter-Legende Günter Koch um 17.12 Uhr aus Nürnberg mit für Frankfurt dramatischer Kunde meldete: „Tor, Tor, Tor in Nürnberg. Ich pack das nicht, ich halt das nicht mehr aus, ich will das nicht mehr sehen. Aber sie haben ein Tor gemacht. Ich weiß nicht wie, Kopfball, der Nikl. Nein, es tut mir leid, 1:2. Es ist nicht zu fassen.“ Der „Club“ hatte im Heimspiel gegen den SC Freiburg doch noch auf 1:2 verkürzt. Die Franken schien mit dieser knappen Niederlage gerettet, die Eintracht abgestiegen. Denn ein einziges Tor fehlte den Hessen.

Im Waldstadion folgte der letzte Angriff des Spiels. „Die Eintracht weiß: Ein Tor könnte wieder Nürnberg in den Abgrund stoßen. Sie kommen jetzt wieder. Dann ist es Fjörtoft, der ist im Strafraum“, kommentierte Dirk Schmidt. Fjörtoft kam an den Ball, überlistete den verdutzen FCK-Keeper Andreas Reinke mit einem Übersteiger. Verzögerte und schoss. Der Ball landete im Netz. „Tooor, Tor für die Eintracht, 5:1. Herrje, welche Leistung.“ Jetzt war auf einmal Frankfurt gerettet und Nürnberg abgestiegen. Im Vor-Smartphone-Zeitalter hatte fast kein Eintracht-Fan mitbekommen, dass Nürnbergs Frank Baumann kurz vor dem Abpfiff eine unfassbare Großchance zum 2:2 vergeben hatte. Frankfurt und Fjörtoft jubelten, und der Stürmer fand Bundesliga-historische Worte: „Jörg Berger hätte sogar die Titanic gerettet.“

1. FC Köln: Das rät Eintracht-Retter Fjörtoft dem FC und Trainer Schultz

Was das mit der aktuellen Situation des akut abstiegsbedrohten 1. FC Köln zu tun hat? So einiges. Zwar drohte damals vor dem letzten Spieltag neben den bereits feststehenden Absteigern Gladbach und Bochum sogar noch fünf Teams der Gang ins Unterhaus (s. nebenstehende Tabelle: neben Frankfurt und Nürnberg auch Rostock, Freiburg und Stuttgart; damals gab es noch drei direkte Absteiger und keine Relegation), doch ganz am Ende hieß es: Frankfurt oder Nürnberg, einer musste dran glauben. Vor dem Saisonfinale hatte die Eintracht drei Punkte und sogar fünf Tore auf Nürnberg aufholen müssen. Heute hat der FC vor der letzten Partie in Heidenheim (Samstag, 15.30 Uhr, Sky) ebenfalls drei Zähler Rückstand und muss mindestens drei, wegen der Anzahl an weniger erzielten Treffern höchstwahrscheinlich vier Treffer auf Union Berlin gutmachen. Und wie damals Nürnberg, so beenden auch die Ostberliner die Saison ebenfalls gegen Freiburg.

Fjörtoft, der seit einigen Jahren für die schwedische Viaplay Mediengruppe sowie für ServusTV und ESPN tätig ist, wird immer wieder auf das sagenhafte Saisonfinale samt seines Übersteiger-Tores angesprochen, natürlich auch im Jahr des 25. Jubiläums. „Wir waren zuvor schon längst abgeschrieben und hatten eigentlich nichts mehr zu verlieren. Die Nürnberger hingegen schienen nach ihrem Sieg am 32. Spieltag gegen die Bayern schon gerettet“, erinnert sich der frühere Torjäger im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Nach dem 30. Spieltag hatte Frankfurt bereits sechs Punkte Rückstand auf Platz 15. Doch dann folgte unter Berger eine famose Aufholjagd, nach drei Siegen in Folge in Bremen, gegen Dortmund und bei Schalke 04 waren sie wieder in Schlagdistanz. „Doch dann lief am letzten Spieltag auf den anderen Plätzen ganz, ganz lange alles nur gegen uns.“ Am Ende kam es doch noch zum Happy End für die Eintracht, bei der auch der heutige Viktoria-Trainer Olaf Janßen auf dem Rasen stand.

Jan Aage Fjörtoft besucht Eintracht Frankfurt

Jan Aage Fjörtoft zu Besuch bei Eintracht Frankfurt

Es war ein Saisonfinale, das Fjörtoft einiges gelehrt hat. „Die Mannschaft war damals das Spiegelbild ihres Trainers. Jörg Berger ist trotz der angespannten Lage äußerst ruhig, souverän und zuversichtlich geblieben. Bei mir war es sogar so, dass ich am Spieltag fast verschlafen hätte, wenn mich mein Zimmerkollege Oka Nikolov nicht rechtzeitig geweckt hätte“, sagt der 57-Jährige mit einem Lachen. Berger habe diese Abgeklärtheit mit all seiner Erfahrung auf die Mannschaft und vor allem auf die Führungsspieler übertragen. „Jörg Berger hat uns beruhigt und erreicht, dass wir uns nur auf unser Spiel konzentrieren. Also auf das, was wir selbst beeinflussen können. Selbst als es zur Pause gegen Lautern nur 1:1 stand, ist er nie in Panik verfallen.“

Ist diese Ruhe und Abgeklärtheit dann auch das Patentrezept für Kölns Trainer Timo Schultz? Als aufmerksamer Beobachter der Bundesliga sagt Fjörtoft zwar, dass sich natürlich Schultz nicht mit Berger lasse und auch die Gesamtkonstellationen eine etwas andere seien. Doch trotz der äußerst schwierigen Situation für die Kölner, die auf jeden Fall Schützenhilfe von Freiburg benötigen, sieht er auch einige Vorteile für den FC. „Das Last-Minute-Tor gegen Union hat dafür gesorgt, dass beim FC plötzlich der Pessimismus dem Optimismus gewichen ist. Die Kölner haben jetzt noch eine Chance bekommen und haben wieder etwas zu gewinnen. Sie werden nicht taktieren können, denn sie wissen, dass sie auf Sieg spielen müssen. Union dagegen, dass in dieser Saison noch in der Champions League gegen Real gespielt hat und vor einigen Wochen praktisch gerettet schien, hat auf einmal wieder richtig etwas zu verlieren“, sieht Fjörtoft den psychologischen Vorteil durchaus auf der Kölner Seite.

Nur eines glaubt der Ex-Stürmer nicht: Weder der FC noch Union würden von ihren Gegnern etwas geschenkt bekommen. Genau das war Borussia Dortmund zuletzt beim 0:3 in Mainz vorgeworfen worden. Von einigen Seiten war sogar von Wettbewerbsverzerrung die Rede. Doch für Freiburg geht es ohnehin noch um die Europa-League-Teilnahme, Aufsteiger Heidenheim kam im Optimalfall ebenfalls noch die Conference League erreichen. Fjörtoft glaubt : „Heidenheim will eine tolle Saison krönen und hat auch eine Mannschaft mit einem sehr guten Charakter, die auch gegen Köln Gas geben wird. Doch das darf dem FC nicht interessieren, er muss ein gutes Auswärtsspiel bestreiten und Union im Parallelspiel so unter Druck setzen.“

Und wer weiß: Vielleicht kommt es dann wieder zu einer Wunder-Rettung. Ob mit oder ohne kultigem Übersteiger, das wäre jedem beim 1. FC Köln dann reichlich egal.