Kölns Sport-Geschäftsführer Christian Keller zieht im ersten Teil des Gesprächs eine Saison-Bilanz und blickt voraus.
„Okay, interessant, dass der zum 1. FC Köln wechselt“FC-Geschäftsführer Keller kündigt spannenden Transfer an
Herr Keller, wie fällt Ihr Saisonfazit aus?
Christian Keller: Unsere zentrale Prämisse lautet: Leistung kommt vor Ergebnis. Ich war im Rahmen dessen, was diese Mannschaft leisten kann, über den Saisonverlauf gesehen wirklich zufrieden. Mit den Ergebnissen bin ich dagegen nicht ganz zufrieden, wir hätten ein paar Punkte mehr holen können. Am Ende lügt aber eine Tabelle nach 34 Spieltagen auch nie, wir sind schon richtig platziert. Uns hat einfach im letzten Drittel die Effizienz gefehlt, um noch mehr Punkte zu holen.
War es für Sie persönlich die bisher intensivste Saison im Profifußball?
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Ich habe auch schon Zeiten bei Jahn Regensburg erlebt, da wurde mir mein Auto zerkratzt, da lagen Drohbriefe und Eier bei mir im Briefkasten und da musste ich über mehrere Spieltage mit Keller-raus-Sprechchören leben. Das waren zwar nur 4000 bis 5000 Zuschauer, aber die waren in dem kleinen Regensburger Stadion deutlich zu hören. Wir mussten auch mal mit Polizeieskorte aus dem Stadion begleitet werden. Und in der Stadt hingen überall Plakate gegen mich, auf denen stand: „Suchen neuen Sport-Geschäftsführer“.
Also geht es in Köln fast schon beschaulich zu?
Die Menschen waren jedenfalls alle freundlich zu mir, deshalb bin ich auch gern hier. Aber natürlich war die Zeit sehr intensiv. Wir haben auch wegen unserer Teilnahme an der Conference League gefühlt alles mitgenommen, was so möglich gewesen wäre: Vom Gewalt-Eklat in Nizza über die mehrfache Spielunterbrechung in Belgrad bis hin zur Spielverlegung wegen Nebels beim FC Slovacko, nach der wir nur zwei Tage später wieder in der Bundesliga gegen Hoffenheim antreten mussten. Dann kam eine ewig lange WM-Pause. Zwischenzeitlich hatten wir großes Verletzungspech. Und Ende März sprach die Fifa auch noch eine Transfersperre aus, die jetzt zum Glück wieder ausgesetzt wurde. Zudem gab es noch Nebenkriegsschauplätze, ich erinnere da an das Derby in Leverkusen, das kurzfristig verlegt wurde.
Die Mannschaft und ihr Trainer haben stets viel investiert und geleistet. Das belegen auch die Statistiken. Dennoch hat es nicht für einen Platz unter den ersten zehn Teams gereicht. Muss man deshalb noch einmal die Qualität im Kader erhöhen, wenn man höhere Ziele in Angriff nehmen will?
Wir müssen physisch und mental sicherlich immer am Leistungslimit kratzen. Natürlich gibt es in der Liga mehrere qualitativ noch besser besetzte Mannschaften, die einen deutlich höheren Spieleretat haben und das Doppelte, Drei- oder Vierfache investieren. Das müssen wir dann mit anderen Waffen kompensieren. Und zwar über ein starkes Kollektiv, eine klare Spielidee, eine gute Führung und eine herausragende Physis. Und über die Bereitschaft, möglichst in jedem Spiel wirklich alles zu geben. Und diese Bereitschaft konnte man der Mannschaft nie absprechen.
Konkret: Lässt sich dieses Maß an Leistung wiederholen?
Die Qualität wird sich automatisch durch die Weiterentwicklung einzelner Spieler erhöhen. Bereits jetzt haben sich einige Spieler, die vorher überhaupt keine Erfahrung im Oberhaus hatten und die kaum jemand kannte, positiv entwickelt – der eine mehr, der andere weniger. Ich glaube nicht, dass diese Entwicklungen jetzt enden. Unsere U21-Nationalspieler Eric Martel, Jan Thielmann und Denis Huseinbasic sind da gute Beispiele. Sie sind sicherlich noch keine fertigen Bundesligaspieler. Sie können weitere Schritte nach vorne machen. Auch die Entwicklungen von vielen anderen Jungs wie beispielsweise Linton Maina und Steffen Tigges ist sehr positiv. Aber uns ist natürlich klar, dass das weiterhin auch ein Vabanquespiel im Vergleich zur Konkurrenz ist, die sich im Gegensatz zu uns häufig fertige Spieler holen kann.
Steffen Baumgart sagte nach seiner Vertragsverlängerung, dass er möglichst immer um die internationalen Plätze mitspielen und ins Pokalfinale will. Ist das überhaupt möglich bei diesen Rahmenbedingungen?
Wir stimmen uns da natürlich ab. Das sind auch nicht Steffens Ziele, die er unbedingt in der nächsten Saison anstrebt, sondern die, die er im Kopf hat und perspektivisch erreichen will. In der Bundesliga ist es für uns ein realistisches Ziel, dass wir erst einmal wieder die 40-Punkte-Marke anpeilen. Das gilt nicht nur für uns, sondern wahrscheinlich für zwei Drittel aller Klubs. Das schließt aber nicht aus, dass wir mehr wollen – wenn mehr geht. Und warum soll man im Pokal nicht sagen, dass wir den Wettbewerb gewinnen wollen? Wohl wissend, dass man natürlich auch in der ersten Runde ausscheiden kann. Aber wir können doch nicht in einen K.o.-Wettbewerb starten, ohne das Ziel zu haben maximal weit zu kommen.
Auf der Mitgliederversammlung im vergangenen September war davon die Rede, dass der FC ein „Sanierungsfall“ sei. Wie lange wird die Sanierung des Klubs dauern?
Wenn man die Sanierung des FC konsequent verfolgt, dann wird sie drei bis fünf Jahre dauern. Sanierung heißt nicht, dass alles zusammengespart werden muss, sondern dass man die Mittel so einsetzt, dass auch eine Weiterentwicklung des Klubs einsetzt. Wir brauchen eine bessere Balance zwischen der Klub-Entwicklung und der Aufrechterhaltung der sportlichen Wettbewerbsfähigkeit, um langfristig das riesige Potenzial des 1. FC Köln wieder zu heben. Grundsätzlich sollte es nicht der Anspruch des viertgrößten Standortes in Deutschland sein, in 30 Jahren sechsmal abgestiegen zu sein oder gerade mal so eben den Klassenerhalt in der Bundesliga zu schaffen. Doch das geht nicht von heute auf morgen, dafür haben wir zu sehr den Anschluss verloren.
Ist denn mehr Handlungsspielraum da als vergangene Saison?
Vergangene Saison haben wir haben den Personaletat im Lizenzbereich um fast 25 Prozent reduziert, jetzt müssen wir das nicht tun. Aber wir können ihn auch nicht erweitern. In der neuen Saison haben wir letztmals die Situation, dass Erträge aus Sponsoring bereits in die Pandemiejahre vorgezogen wurden. Ab der Saison 2024/25 kommt alles, was wir verdienen, wieder zu uns. Das erweitert den Handlungsspielraum. Diese Situation haben wir aktuell noch nicht. Aber es ist schon deutlich besser als im Vorjahr, wo weitaus höhere Zahlungsströme bereits verfrühstückt waren.
„Sind nicht darauf angewiesen, Spieler abzugeben“
Nach den Transfers von Özcan und Modeste, den Europapokal-Einnahmen und Abschieden von Großverdienern wie Timo Horn und Jonas Hector sollte doch mehr Geld für Transfers da sein.
Auf den Positionen, auf denen wir suchen, haben wir ja nicht nur Spieler aus der Regionalliga eingeplant. Da taucht vielleicht auch einer auf, den die Leute kennen, ohne ihn googlen zu müssen (lacht). Vielleicht kommt ein Spieler, von denen man dann sagt: Okay, interessant, dass der zum 1. FC Köln wechselt.
Sollte für einen Spieler ein unmoralisches Angebot kommen, würden Sie etwaige Einnahmen in neue Spieler investieren?
Wir sind nicht darauf angewiesen, Spieler abzugeben. Das ist eine veränderte Situation im Vergleich zu den Vorjahren, wo es notwendig war, Transfers zu tätigen, um Lücken im Haushalt zu schließen. Das ist ein Meilenstein. Unsere grundsätzliche Absicht ist, keinen weiteren Spieler abzugeben. Wenn etwas käme und der Spieler darüber nachdenkt, gilt immer, dass man sich offen austauscht. Wenn sich für den Spieler ein Lebenstraum erfüllt, muss man sich überlegen, ob man es macht. Aber nur, wenn wir es sportlich kompensieren können. Die grundsätzliche Absicht ist, nicht einen einzigen Stammspieler abzugeben.
Das Gespräch zeichneten auf: Christian Löer und Lars Werner