- Marco Höger hat seine Meinung über Geisterspiele fundamental geändert. Es gehe jetzt um die Existenz vieler Vereine, sagt der Kölner Vizekapitän im Interview.
- Mit seinen Leistungen in der Hinrunde geht er sehr selbstkritisch um: „Ich habe nicht abgeliefert."
- Der gebürtige Kölner verrät, dass er die vermehrte Freizeit zuletzt sinnvoll genutzt hat.
Köln – Herr Höger, wie sieht Ihr Tagesablauf in Zeiten der Corona-Krise aus?
Es ist absolut gut, dass wir am Geißbockheim wieder trainieren können – wenn auch unter eingeschränkten Bedingungen. So sieht man zumindest einige der Jungs und führt Gespräche. Der Tag bekommt wieder mehr Struktur. Ich bin ungefähr eine Stunde vor der Einheit da, bin dann beim Physiotherapeuten und zum Aufwärmen in der Halle, bevor es um 10 Uhr auf den Platz geht. Das Training ist aufgrund der Abstandsregeln natürlich ungewohnt, aber dennoch sehr motivierend. Um alle Vorschriften einzuhalten, müssen wir spätestens um 12 Uhr die Anlage ohne zu duschen wieder verlassen haben. Der Tag ist deshalb längst nicht so gefüllt wie sonst.
Und sie füllen ihn mit…?
Vor allem in den Wochen zuvor, in denen nur Heimtraining möglich war, war ich wirklich froh, dass ich zu Hause einen schönen Garten habe. Da habe ich fast täglich gearbeitet. Ich habe den Rasen vertikutiert, Bäume und Pflanzen zurechtgeschnitten, die Terrasse mit einem Hochdruckreiniger sauber gemacht, Fugen erneuert und den Pool für den Sommer vorbereitet. Der Garten sieht jetzt tipptopp aus. In den vergangenen Jahren hat mir schon mal ein Gärtner geholfen, diesmal habe ich alles selbst gemacht und mir vieles angeeignet. Am Ende des Tages blickt man auf sein Werk und stellt fest: Das war richtig produktiv. Und ich habe etwas für den Kopf getan – mit einer App für Anfänger Spanisch gelernt und mein IST-Fernstudium im Bereich Spielanalyse und Scouting abgeschlossen. Scouting interessiert mich total, das ist ein Bereich, den ich mir auch für die Zeit nach meiner aktiven Karriere vorstellen könnte.
Es gibt immer noch keinen sicheren Zeitpunkt, an dem es mit Pflichtspielen wieder losgehen könnte. Ist das ein Problem?
Das Wichtigste im Moment ist die Gesundheit der Menschen. Genauso wie die Friseure gerne wieder öffnen würden, würden wir gerne wieder spielen. Deshalb wäre es natürlich schön, wenn wir ein konkretes Datum in Aussicht hätten, an dem es wieder losgeht. Ich sehe diese Phase auch nicht als Sommerpause oder Auszeit an, sondern als Unterbrechung. Wir alle halten uns in dieser Zeit körperlich weiter auf einem Top-Niveau und achten ebenso weiter auf die Ernährung.
Wie ist Ihre Meinung zu Geisterspielen?
In dieser Situation sind sie die einzige Chance für die Profivereine. Hätten Sie mich das ein halbes Jahr zuvor gefragt, dann wäre meine Meinung sicher anders ausgefallen. Mit Schalke hatte ich mal ein Geisterspiel in Thessaloniki, ganz ehrlich, das war eine Katastrophe. Und natürlich war auch das Derby zuletzt mit dem FC vor leeren Rängen in Gladbach alles andere als schön. Aber mit dem Hintergrundwissen von heute, da nehmen wir alle Geisterspiele dankend an. Es geht mittlerweile um die Existenz vieler Vereine. Und wir Spieler wären dankbar über jede Form des Wettbewerbs. Ich mache drei Kreuze, wenn die Bundesliga wieder losgeht. Ich weiß auch, dass sich die Welt derzeit natürlich nicht nur um den Fußball dreht und drehen darf, aber dennoch denke ich, dass Fußball in der schweren Zeit jetzt auch etwas Verbindendes hat. Der Fußball kann Teile der Gesellschaft zusammenschweißen – selbst mit Geisterspielen.
Wäre denn die Wiederaufnahme des Ligabetriebs für Sie eine Art Neustart? Zuletzt spielten Sie fast überhaupt nicht mehr.
Natürlich habe ich den Anspruch und auch das Selbstverständnis, wieder mehr zu spielen. Aber ich muss auch ehrlich zu mir sein: Als ich gegen Ende der Hinrunde die Chance bekommen hatte, war ich schlecht drauf und habe nicht abgeliefert. Die ganze Mannschaft war zu dem Zeitpunkt schlecht – ich eingeschlossen.
Also keinen Vorwurf an den neuen Trainer Markus Gisdol?
Nein, der Trainer hat ja in den ersten Spielen auf mich gesetzt. Ich bin aus der Mannschaft rausrotiert, und der Trainer hat dann an der erfolgreichen ersten Elf festgehalten. Das ist normal, auch wenn es bitter für mich ist. Wir wollen zusammen Erfolg haben, der FC liegt mir am Herzen: Deshalb stelle ich mein Ego hintenan. Ich muss auf die Zähne beißen und mich mit Leistung wieder anbieten.
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Der Aufwärtstrend des FC vor der Zwangspause war beeindruckend. Da waren schon wieder Stimmen zu hören…
…ich weiß schon, worauf sie hinauswollen. Bei uns träumt niemand, wirklich niemand, von der Europa League. Ich habe mit Schalke regelmäßig Champions League gespielt, aber einer meiner Höhepunkte war trotzdem die Qualifikation für Europa mit dem FC. Die Emotionen waren unglaublich. Doch am Ende wäre es für die Entwicklung des Vereins vielleicht besser gewesen, wenn wir damals nur Achter geworden wären. Der Abstieg danach hat uns brutal zurückgeworfen. Wir sollten einen Schritt nach dem anderen machen und nicht träumen.
Ihr Vertag beim FC läuft am 30. Juni 2021 aus.
Darum mache ich mir jetzt absolut keine Gedanken. Keiner kann derzeit seriös sagen, was in ein paar Wochen ist. 2021 bin ich 32 Jahre und will am liebsten beim FC weiterspielen.Das Gespräch führteLars Werner