Wie der Kölner Cheftrainer versucht, die Abschiedskandidaten des kommenden Sommers wie Lemperle, Jonas Urbig oder Max Finkgräfe bei Laune zu halten
Abschiedskandidaten beim 1. FC KölnGerhard Struber kämpft um ein gutes Ende
Am Mittwoch im Training trug sich eine Szene zu, die den Beobachtern viel Raum zu Spekulationen gab. Die Torhüter übten im hinteren Bereich des Franz-Kremer-Stadions, ihr Trainer Peter Greiber gab einige ambitionierte Schüsse ab. Man darf behaupten, dass Greiber gut weiß, was er da tut: Seit den späten Neunzigern arbeitet der mittlerweile 56-Jährige als Torwarttrainer. Und nicht zum ersten Mal in seiner Laufbahn wird er einen seiner Schützlinge so hart gefordert haben, dass dabei etwas schiefging. Wie eben am Mittwoch, als ein Schuss des Trainers Jonas Urbig satt am Kopf traf.
Torhüter, Profis zumal, zeichnen sich durch eine gewisse Unerschrockenheit im Umgang auch mit harten Schüssen aus. Es dürfte nicht der erste Ball seines Lebens gewesen sein, der Urbig unglücklich traf. Doch der 21-Jährige wirkte erschüttert. Ging ein paar Achten auf dem Rasen des Franz-Kremer-Stadions, wechselte ein paar Worte mit Greiber. Um sich dann mit dem Ball unterm Arm allein auf den Weg zu den Kabinen zu machen.
Struber gibt Entwarnung bei Urbig
Urbig wirkte dabei mehr beleidigt als benommen. Als wolle er sagen: Nun darf ich schon nicht zum FC Bayern wechseln und soll weiter bei einem Zweitligisten auf der Ersatzbank hocken. Und dann schießt man mir auch noch Bälle ins Gesicht. Womöglich war das allerdings eine Überinterpretation.
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Gesundheitlich immerhin hatte die Episode keine Spuren hinterlassen. Gerhard Struber gab am Donnerstagvormittag Entwarnung. „Das war nach dem Training schon wieder gut. Ihm war nur etwas schwummrig“, sagte der Cheftrainer zwei Tage vor dem Duell des FC mit Aufsteiger SV Elversberg (Samstag, 13 Uhr, Rhein-Energie-Stadion), der Dauer-Überraschungsmannschaft dieser Saison.
Weitere Neuigkeiten zu Urbigs Zukunft wurden am Donnerstag nicht kommuniziert. „Jonas ist unser Spieler. Wir freuen uns, dass wir zwei sehr, sehr gute Torhüter im Kader haben“, sagte Christian Keller. Bis zum Ende der Transferphase sei allerdings noch vieles möglich. Man werde sehen.
Der Eindruck, dass der FC-Kader voller Spieler ist, die eigentlich längst lieber woanders wären, wäre eine Möglichkeit, den Auftritt vom vergangenen Samstag beim Hamburger SV zu deuten. Timo Hübers räumte ein, dass die Mannschaft beim 0:1 im Volksparkstadion nicht ihre Grenzen erreicht hatte, „es war vielleicht nicht das, was wir zu leisten imstande sind“, sagte der Kapitän konziliant und nannte „das Thema Intensität“, als eines, über das sich nachzudenken lohne. Dennoch glaube er, dass die fehlende Intensität nicht der Hauptgrund für die Niederlage und den insgesamt enttäuschenden Auftritt gewesen sei. „Im Ballbesitz war noch viel Potenzial nach oben“, beschrieb der Verteidiger.
Eine Hoffnung auf mehr Spielkultur müssen die FC-Fans vor dem Wochenende jedoch begraben. Luca Waldschmidt wird nach seinem enttäuschenden Auftritt in Hamburg keine Gelegenheit zur Wiedergutmachung haben. Der Angreifer „hütet das Bett“, wie Struber mitteilte. Bessere Nachrichten aus der Abteilung Angriff gab es dagegen von Tim Lemperle. Kölns Topscorer fehlt seit seiner im Test gegen Viktoria Köln (3:2) erlittenen Muskelverletzung, könnte aber nun zurückkehren. „Es sieht erfreulich gut aus“, sagte Struber. Man werde versuchen, Lemperle zurück ins Teamtraining zu bringen, der 22-Jährige stehe für Samstag auf der Liste.
Im Sommer wird Lemperle den 1. FC Köln verlassen und sich der TSG Hoffenheim anschließen. Es spricht wenig gegen die These, dass die Kraichgauer einen Spieler, den sie im Sommer verpflichten werden, gern schon jetzt im Kader hätten. Was wiederum die Lesart erlaubte, Lemperle würde ebenfalls lieber heute als morgen gehen. Denn auch diese These klingt folgerichtig: Wer sich entschieden hat, im Sommer den Verein zu wechseln, um dort unter anderem sehr viel besser zu verdienen, würde das wohl auch ein halbes Jahr früher tun.
Christian Keller argumentiert auch in dieser Angelegenheit auf der Sachebene. „Tim ist für uns ein extrem wichtiger Spieler, das soll er auch wieder sein, wenn er genesen ist. Und bis zum 30. Juni bleiben“, sagt der Sportchef. Doch Gerhard Struber genügte diese Darstellung nicht. Stattdessen lieferte er spontan einen Bericht aus der Praxis nach: „Zur Behauptung, er würde gern gehen“, hob der 47-Jährige an – nicht aggressiv, aber bestimmt: „Ich bin regelmäßig mit meinem Spieler im Austausch, und ich kann eines sagen: Der fühlt sich hier richtig wohl und ist voll committet. Ich will nicht, dass das hier falsch interpretiert wird, als wolle der Spieler hier weg. Das ist überhaupt nicht der Fall“, stellt Struber klar, wie um noch einmal zu unterstreichen, dass er nicht damit rechne, dass sein Spieler nun bis zum Frühjahr aus Rücksicht auf den neuen Arbeitgeber wegen etwaiger Muskelschwierigkeiten nur noch dosiert eingesetzt werden wolle.
Bleibt Max Finkgräfe, dem ein Angebot des VfB Stuttgart vorliegt und der wie Urbig ebenfalls die Möglichkeit hätte, schon in diesem Winter zu gehen – sollten die Stuttgarter eine Ablöse bieten, die Christian Keller beeindruckt. In Hamburg kam Finkgräfe, der seinen Stammplatz an Leart Pacarada verloren hat, zur zweiten Halbzeit ins Spiel und verursachte nach ein paar vielversprechenden Ansätzen mit viel Ungeschick den Strafstoß zum 0:1-Endstand.
Doch Struber klingt, als stehe er auch mit dem 20-Jährigen im guten Austausch. Der Coach hat dem Linksverteidiger umgehend verziehen. „Wir sind da nicht nachtragend. Es gilt, das Ding abzuhaken, wegzustecken und nach vorn zu schauen. Er soll nun mögliche Spielzeit nutzen und zeigen, was er draufhat. Man darf nicht in eine Opferposition geraten, weil so etwas passiert ist. Sondern muss darauf vertrauen, dass es beim nächsten Mal gut wird. In die Richtung geht meine Tonart mit ihm“, beschreibt der Coach.
Viel zu moderieren also für den Österreicher. Die gute Nachricht: Diese Phase wird absehbar zu Ende gehen. Das Winter-Transferfenster schließt am 3. Februar.