Stephan Engels war der letzte Kölner Pokalheld gegen Leverkusen. Am Mittwochabend hofft der 64-Jährige auf die Sensation.
FC-Ikone Stephan Engels über Bayer 04„Calli wollte mich mit einem Trecker ködern“
Stephan Engels hat beim 1. FC Köln sehr viel erlebt: Vor allem in den 296 Pflichtspielen, die er für seinen Heimatklub absolvierte und in denen der Mittelfeldspieler stattliche 56 Tore erzielte. Aber auch danach in verschiedenen Funktionen als Trainer, Scout oder Nachwuchskoordinator am Geißbockheim.
Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht der 64-Jährige vor dem Pokal-Viertelfinale des Zweitliga-Tabellenführers beim Doublesieger Bayer 04 Leverkusen (Mittwoch, 20.45 Uhr, ARD und Sky) über die Beziehung und Rivalität zwischen den Klubs, veränderte Kräfteverhältnisse, Florian Wirtz, die aktuelle FC-Situation und über ein kurioses Angebot von Ex-Bayer-Manager Reiner Calmund.
Herr Engels, der letzte Pokal-Erfolg des 1.FC Köln gegen Bayer 04 Leverkusen liegt über 42 Jahre zurück. Sie waren mit Ihrem frühen Tor zum 1:0 und einer starken Leistung im Oktober 1982 entscheidend daran beteiligt, dass der spätere Pokalsieger FC die Werkself mit 3:1 bezwang. Wie sind Ihre Erinnerungen?
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Stephan Engels: Vor allem erinnere ich mich, wie jung ich damals noch war – 22 Jahre (lacht). Wir hatten damals unter Trainer-Haudegen Rinus Michels eine richtig starke Mannschaft mit vielen erfahrenen Spielern: Toni Schumacher, Herbert Zimmermann, Gerd Strack, Harald Konopka, Rainer Bonhof, Dieter Prestin, Pierre Littbarski, Klaus Fischer oder Klaus Allofs, die dann am Ende auch den Pokal gewann. Dass das bis heute der letzte Titel für den 1. FC Köln sein sollte, hätte man damals niemals für möglich gehalten. Der FC war seinerzeit eine große Nummer. Es war eine große Herausforderung für mich jungen Spieler, in der Truppe mir überhaupt einen Stammplatz zu erkämpfen. Da musste man jeden Tag, in jedem Training auf Sendung sein und abliefern. Persönlich lief die Pokalsaison für mich sehr gut. Sechs Treffer gelangen mir in dem Wettbewerb, dann durfte ich auch noch mein erstes Länderspiel gegen Brasilien machen. Ich erinnere mich an einen souveränen Sieg gegen Bayer und an die Kulisse – beziehungsweise die nicht vorhandene Kulisse. Ich meine, es waren 7000 Zuschauer in der riesigen Schüssel in Müngersdorf. Was für ein Totentanz! Wenn der FC heute nur sein Stadion aufmacht, kommen zu jedem Zweitligaspiel 50.000. Die kamen damals höchstens zu großen Spielen im Europapokal, die wir regelmäßig bestritten, aber dann eben nicht mehr in der Liga oder im Pokal.
Siege gegen den noch „kleinen“ Nachbarn Leverkusen waren dementsprechend Pflichtaufgaben?
Ja, das kann man so sagen. Und das meine ich jetzt nicht respektlos. Bayer hatte sich nach dem Aufstieg 1979 schon etwas in der Bundesliga etabliert und auch damals schon eine gute Truppe mit Spielern wie Jürgen Röber, Peter Hermann, Jürgen Gelsdorf, Arne Ökland oder Herbert Waas. Und Dettmar Cramer war ein regelrechter Trainerfuchs. Aber in der Summe hatten wir damals immer eine besser besetztere Mannschaft als Leverkusen. Wir hatten andere Ansprüche.
Wie haben die Kölner Bayer 04 damals gesehen?
Als Nachbar, als Emporkömmling. Aber die großen Duelle im Westen, das waren die gegen unseren Erzrivalen Gladbach, gegen Schalke oder Dortmund. Klar, von vielen Fans wurde Bayer lange Zeit oft etwas belächelt, nicht richtig ernst genommen. Zwischen den Klubs sah das ein bisschen anders aus, da respektierte man sich schon gegenseitig. Und teilweise gab es auch freundschaftliche Bande zwischen Spielern. Man muss einfach konstatieren, dass sich Leverkusen danach peu à peu noch vorne gearbeitet hat. Und das war vor allem das Werk eines Mannes aus Frechen: Reiner Calmund ist untrennbar mit dem Aufstieg von Bayer 04 verbunden. Er hat so viele wichtige Transfers realisiert: angefangen mit den Spielern aus der früheren DDR wie Ulf Kisten, Andreas Thom, danach mit Rudi Völler oder Bernd Schuster, später kamen die vielen starken Brasilianer. Natürlich hat ihm dabei das Geld der Bayer AG geholfen, aber er war auch wirklich gerissen und ein echter Fachmann. Sein größter Schachzug war sicherlich die Verpflichtung des überall beliebten Rudi Völler. Rudi hat Bayer ein Gesicht gegeben – erst als Spieler, dann als Manager.
Unmittelbar vor dem Pokalspiel hat Leverkusen jetzt den FC in der Ewigen Tabelle der Bundesliga überholt. Wie sehen Sie das als Ur-Kölner?
Das schmerzt schon, da bin ich ehrlich. Vor einigen Jahren hätte ich das auch nicht für möglich gehalten. Es spiegelt aber am Ende die Entwicklung beider Vereine wider. Doch ich bin ein optimistischer Mensch, sehe das Glas lieber halbvoll denn halbleer. Vielleicht können wir Kölner die Kräfteverhältnisse auch mal wieder umdrehen. Wann das der Fall sein wird, weiß ich aber auch nicht (lacht). Aber ich glaube fest daran, dass es irgendwann mal passiert.
Sie selbst haben nie für Bayer 04 gespielt. Waren Sie sauer auf Ihre Ex-Mitspieler wie Schuster, Littbarski oder Schumacher, die es als Spieler oder Trainer-Assistenten nach Leverkusen zog?
Nein, absolut nicht. Für mich war ein Wechsel als Profi nach Leverkusen aber nie eine Option, da es für mich nur den FC und meinen Heimatklub TuS Mondorf gab und gibt, bei dem ich seit fast 15 Jahren Präsident bin. Es gab immer Wechsel zwischen den Vereinen, auch Patrick Helmes oder Lukas Sinkiewicz gingen nach Leverkusen. Umgekehrt: Als ich Cheftrainer beim FC war, wollte ich Anfang 1996 zusammen mit Bernd Cullmann, unserem damaligen Manager, Bernd Schuster von Bayer zum FC zurückholen. Wir waren bereits in guten Gesprächen. Bei Erich Ribbeck musste Bernd als Libero ran, darauf hatte er wenig Lust. Bei uns hätte er im Mittelfeld spielen können. Leider hat Calli dann sein Veto eingelegt.
Hatten Sie mal ein Angebot von Bayer?
Ja, mit 16, als ich noch in Mondorf spielte. Ich galt als großes Talent, aber damals wechselte man noch nicht so früh wie heute. Calli, damals Jugendleiter bei Bayer, hatte mich dann auch bei meinen Eltern auf dem Bauernhof besucht und wollte mich vom Wechsel nach Leverkusen überzeugen. Kein Witz: Er wollte meinen Eltern einen Trecker schenken. Und als wir zögerten, da entgegnete er: ,Ihr könnt auch noch einen Mähdrescher dazu haben!' So wollte er mich ködern.
Das ist bauernschlau, Sie wechselten dann aber doch zum 1. FC Köln…
Genau. Denn zwei Wochen später standen bei uns Heinz Flohe und Bernd Cullmann auf der Matte. Kalli Thielen (FC-Manager, d. Red.) musste von Callis Bemühungen Wind bekommen haben und schickte zwei Spieler zu mir, die für mich Stars und Vorbilder waren. Flocke und Culli hatte ich gerade erst währen der EM im TV spielen gesehen! Das hat auf mich jungen Kerl Eindruck gemacht. Ich war glücklich und stolz, dass ich mit 16 gleich mit den Profis ins Trainingslager nach Grünberg durfte.
Sehen Sie da sogar einige Parallelen zu Florian Wirtz, der Anfang 2020 aus der FC-Jugend zu Leverkusen wechselte?
Genau das. Ich weiß, dass es bei Florian und der gesamten Familie Wirtz ebenfalls Eindruck hinterlassen hat, dass damals Rudi Völler, Simon Rolfes und Peter Bosz vorstellig wurden. Sie haben den richtigen Moment genutzt, als der FC zögerte und nicht schnell genug handelte. Der FC hatte damals auf den beiden entscheidenden Positionen im sportlichen Bereich, auf der Manager- und Cheftrainer-Position, zu viel Fluktuation und keine Kontinuität. Da sind Dinge passiert, die sich nicht wiederholen dürfen und aus denen der FC seine Lehren ziehen muss. Die Entwicklung von Florian in Leverkusen spricht für sich. Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass die Nationalmannschaft endlich wieder so tolle Spieler wie Wirtz und Jamal Musiala hat. Es ist ein Genuss, Florian spielen zu sehen, diese Leichtigkeit, diese Dribblings, diese Raffinesse – am Mittwoch darf er aber ruhig mal einen schlechten Tag haben (lacht).
Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung des FC?
Auf den Klub ist in der jüngeren Vergangenheit mit dem erneuten Abstieg und der Transfersperre viel eingeprasselt. Die Krise im Herbst haben die Mannschaft und der Trainer durch ein paar Umstellungen aber gut gemeistert. Ich bin mir sicher, dass der FC aufsteigen wird – auch wenn der Start in die Rückrunde vor allem spielerisch holprig war. Der FC hat den besten Kader der Liga und spielt mittlerweile cleverer und ergebnisorientierter. Es scheint zudem ein guter Geist in der Mannschaft und dem Stab zu herrschen. Ich hoffe nur, dass alle im Verein an einem Strang ziehen, alles andere hintansteht, damit der Aufstieg, der für mich ein Muss ist, nicht in Gefahr gerät. Im Klub müssen alle eng zusammenstehen.
Die Verantwortlichen haben Sie im Verein wieder eingebunden, Sie sind der Organisator des „Klubs der Legenden“.
Neben der Organisation der Traditionsmannschaft ist das ebenfalls eine Aufgabe, die mir ungemein viel Freude bereitet. Wir sollten es gemeinsam schaffen, die Tradition und die Strahlkraft des Klubs zu nutzen, um die Zukunft erfolgreich zu gestalten. Die wurden in der Vergangenheit zu wenig genutzt. Die Bayern, Dortmund und Stuttgart machen das schon seit Jahren besser. Auch der FC hat immer noch viele große Spieler, die dem Verein mit ihrer ungemeinen Erfahrung und ihrem Standing helfen können und das auch wollen. Und wie geht das Spiel am Mittwoch aus? Sie wissen doch: Ich tippe nie. Wir haben keine Chance, werden sie aber nutzen! (lacht)