Köln – Bevor an einen Kölner Derbysieg überhaupt zu denken war, hatten sich am Freitagabend im Kölner Grüngürtel folgenreiche Szenen abgespielt. Mit allerhand Feuerwerk und Leuchtfackeln verabschiedeten Fans am Geißbockheim ihr Team nach Mönchengladbach, der Schein ihrer Bengalischen Lichter war weithin zu sehen.
Machtvolle Bilder
Die Bilder aus dem Grüngürtel verbreiteten sich zehntausendfach, es war aus Sicht der Fans eine gelungene Aktion, obgleich es selbstverständlich nicht vernünftig ist, an einem Freitagabend inmitten einer Pandemie im Grüngürtel verbotenerweise Feuerwerk abzubrennen. Doch darum ging es am Freitag nicht, sondern um ein Derby, das ein Debakel zu werden drohte und auf dessen Verlauf und Ausgang die Fans, wo sie schon seit Monaten nicht ins Stadion dürfen, einen positiven Einfluss nehmen wollten.
Die modernen Medien erlauben in Momenten wie diesen mittlerweile einen weiteren Betrachtungswinkel derartiger Szenen. Bereits am Freitagabend kursierte ein Video, das aus dem Mannschaftsbus gefilmt war. Zu sehen ist der rote Feuerschein, zu hören sind gedämpfte Explosionen und allerlei Rufe. Die Inszenierung hat zwar offenbar einige Spieler dazu verleitet, ihre Telefone zu zücken und Videos zu drehen. In einem Video hört man auch Trainer Markus Gisdol sagen, die Aktion sei schon „geil“. Andere reagieren nicht weiter und rufen vielmehr ihre Kollegen dazu auf, sich nun endlich wieder dem Kartenspiel zu widmen. Und dann ist Dominick Drexler zu hören, wie er sagt: „Diese Spacken“.
Das Wort steht umgangssprachlich für „dumme Menschen“, es ist deutlich harmloser als vieles, was man im Stadion so zu hören bekommt, wenn Fans verbal auf Spieler losgehen, Drexler weiß das spätestens, seit er einmal gegen Schalke einen Elfmeter über das Tor schoss und anschließend von den eigenen Fans derart angegangen wurde dafür, dass er seitdem nie wieder einen Elfmeter geschossen hat, nicht einmal im Training.
Drexler hat kein Recht
Doch als Profi hat Drexler nicht das Recht, die Dinge mal eben auf den Kopf zu stellen. Die Privilegien, der Ruhm, der sagenhafte Reichtum – das alles erleben Spieler wie Drexler vor allem deshalb, weil der Profifußball Menschen zum Beispiel dazu bewegt, am Freitag früher von der Arbeit zu gehen und sich in den Wald zu stellen, um etwas zu tun, von dem sie glauben, dass es Fußballer dazu motivieren könnte, ein Derby nicht zu vermasseln.
Ist Dominick Drexler dazu verpflichtet, sich dadurch dann auch tatsächlich motiviert zu fühlen? Nein. Sollten die Fans in Dominick Drexlers Gedankenwelt den Ehrenplatz haben, der ihnen gebührt und der Drexler davon abhält, sie spontan als Idioten zu bezeichnen? Absolut ja. Das hat der Verein erkannt, Drexler bat um Entschuldigung und wird mit einer Strafe belegt – wie auch der Nachwuchsspieler, der ein Video aus dem vermeintlich geschützten Bereich des Mannschaftsbusses verbreitete.
Damit war die Debatte dann womöglich auch ausreichend aufgeflammt, denn Drexler ist, das darf vielleicht erwähnt sein, ein auffallend angenehmer, interessierter und kluger Mensch, der gewiss nicht unter einem grundsätzlichen Mangel an Respekt leidet. Doch offenbar kommt man so einfach nicht davon.
Emotionale Rückkehr
In der Nacht zum Sonntag empfingen Fans des 1. FC Köln die Mannschaft am Geißbockheim, erneut mit viel Pyrotechnik, kurz zuvor hatten die Kölner sensationell das Derby gewonnen. Wieder gab es Videos. Diesmal ist ein Vermummter zu sehen, der sich vor Markus Gisdol aufgebaut hat: „Stell den einfach nicht mehr auf. Scheiß auf den“, brüllt der Mann.
Und das war dann der Moment, in dem der Verein sich tatsächlich Gedanken machen sollte, wie weit man zu gehen bereit ist, weil ein Spieler sich im Ton vergriffen hat.