- Alexander Wehrle ist Geschäftsführer des 1. FC Köln.
- In einem Gastbeitrag schreibt er darüber, wie es im Profi-Fußball in und nach der Corona-Krise weitergehen muss.
- Dabei erklärt er, wie das Konzept als Blaupause für andere Sportarten dienen kann.
Köln – Bevorzugung. Egoismus. Rücksichts- und Verantwortungslosigkeit. All dies wird dem Profifußball derzeit vorgeworfen. Angenehm ist das nicht. Fußball profitiert jedoch von seiner öffentlichen Wahrnehmung und ist hoch emotional. Daher müssen wir mit dieser Kritik umgehen. Gerade in einer Situation, in der unsere gesamte Gesellschaft mit einer unvorhersehbaren Krise voller offener Fragen und Sorgen konfrontiert ist. Wir müssen uns auch selbst hinterfragen.
Für mich ist klar, dass wir nach der Krisenbewältigung in eine kritische Analyse gehen müssen. Kann man Ausgaben begrenzen und mehr Nachhaltigkeit schaffen, auch zwischen Amateur- und Profifußball?Viele Klubs engagieren sich wie der 1. FC Köln sozial, helfen in ihrer Region, in der sie fest verwurzelt sind. Profifußball, das ist nicht nur Paris St. Germain und Stars mit Ferraris.
Profifußball kämpft ums Überleben
Jonas Hector kommt mit dem Fahrrad zum Training. Viele Spieler sind bodenständige Jungs, die ihrem Sport seit Kindesbeinen alles unterordnen. Profifußball ist der Platzwart, die Mitarbeiterin der Buchhaltung, die Aushilfe im Fanshop. Die Fans, die ihre Klubs gut kennen, wissen das. Allen anderen müssen wir das besser vermitteln.
Aktuell geht es aber um etwas anderes. Der Profifußball kämpft ums Überleben, so wie andere Mittelständler, so wie Betriebe in Kultur und Gastronomie, mit denen wir in einem Boot sitzen. Die Bundesliga schafft und sichert Arbeitsplätze für Zehntausende und zahlt pro Jahr mehr als eine Milliarde Euro an Steuern und Abgaben. 40 Millionen Fans in Deutschland lieben Fußball. Wir haben nie eine Sonderstellung eingefordert, sondern eine faire Chance, um uns aus dieser Krise zu befreien. Aus eigener Kraft.
TV-Partner haben Klubs gerettet
Dank der TV-Partner haben wir diese Chance. Sonst würde es einige der Klubs, die den Volkssport Fußball traditionell ausmachen, nach der Krise nicht mehr geben. Entsprechend bin ich erleichtert, dass die Politik es uns ermöglicht, weiterzuspielen. Fußball ist für unsere Spieler kein Hobby. Es ist ihr Beruf, auf dessen Ausübung sie wie jeder andere Bürger ein Recht haben.
Grundlage für die Fortsetzung der Liga ist deshalb ein Infektionsschutzkonzept, das die Risiken auf ein Minimum reduziert. Trainieren und spielen darf nur, wer zweimal aufeinanderfolgend negativ auf das Coronavirus getestet wurde. Niemand soll auf dem Platz einen anderen anstecken können. Die Kapazitäten für diese engmaschigen Tests sind vorhanden, wir nehmen sie niemandem weg. Wäre es anders, würden wir den Spielbetrieb sofort einstellen.
Wissenschaft soll profitieren
Das Konzept ist eine Blaupause für andere Branchen und Sportarten. Wir werden die Erfahrungen daraus mit ihnen und der Wissenschaft teilen. Und es ist ein Wegbereiter. Ab dem 30. Mai dürfen auch Hobbysportler in NRW wieder Mannschaftssport treiben. Trotzdem akzeptiere ich Kritik an unserem Weg, insbesondere von Fans, die Spiele ohne Zuschauer ablehnen. Wenn es Alternativen gäbe, würden wir sie wählen – der FC ist ohne seine Fans im Stadion nicht dasselbe. Fußball ohne Zuschauer muss die Ausnahme bleiben. Eines aber weise ich leidenschaftlich zurück: Den Vorwurf, wir würden für Geld die Gesundheit opfern.
Ich habe als Rettungssanitäter, im Altersheim und im Beerdigungsinstitut gearbeitet. Wenn es etwas gibt, das ich nie auf die leichte Schulter nehmen werde, dann ist es die Gesundheit unser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zu denen gehören unsere Spieler. Fürsorge ist unabhängig von der Höhe des Gehalts.
FC wurde in falsches Licht gerückt
Dies gilt auch für unseren Spieler Birger Verstraete. Dass er Sorge um seine vorerkrankte Freundin hatte, nachdem Mitspieler positiv getestet wurden, verstehe ich sehr gut. Ich hätte mir aber gewünscht, dass er seine Sorgen mit uns oder dem Teamarzt teilt, bevor er ein Interview gibt. Es gab zahlreiche Sitzungen und Möglichkeiten dazu. Das Gesundheitsamt Köln, die DFL und der 1. FC Köln wurden öffentlich in ein falsches Licht gerückt. Das konnten wir nicht stehen lassen.
Birger hat diesen Fehler eingesehen und sich korrigiert. Nach einem ausführlichen Austausch mit uns und seiner Freundin hat er uns von sich aus mitgeteilt, dass er weiter beim FC trainieren möchte. Darüber freuen wir uns.
Mannschaft wird für Infektionsschutz sensibilisiert
Unsere Lehre ist: Selbst, wenn wir die Spieler mündlich und schriftlich in Deutsch und Englisch informieren, dürfen wir nicht grundsätzlich voraussetzen, dass alle sich verstanden fühlen. In einem quarantäne-ähnlichen Trainingslager wird das Team sich daher nun nicht nur sportlich vorbereiten, sondern auch in Bezug auf den Infektionsschutz noch mehr Sicherheit und Vertrauen entwickeln.
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Wir alle beim FC wissen, welche Verantwortung auf uns lastet. Aber wir freuen uns auch auf Fußball! Wir werden alles dafür tun, um ganz Köln gerade in der Krise das zu geben, wofür der 1. FC Köln gegründet wurde: Hingabe zu dem Spiel, das wir so lieben.