Florian Kainz verbrachte gegen Bayer 04 die vollen 90 Minuten auf der Bank, doch FC-Trainer Schultz zählt weiter auf seinen Kapitän.
Florian Kainz in der KriseDer FC-Kapitän, der nicht spielt
In den Wirren des Spiels gegen Bayer 04 Leverkusen (0:2), das Timo Schultz später angesichts zweier Sperren und einer Verletzung eine „verlustreiche Schlacht“ nannte, ging beinahe unter, dass der 1. FC Köln eine vollständige Partie ohne seinen Kapitän bestritten hatte. „Ohne Einsatz im Kader“ lautete Florian Kainz’ Status nach der Partie in Müngersdorf, erstmals in dieser Saison hatte der Österreicher nicht eine Minute auf dem Platz gestanden.
Das war durchaus als vorläufiger Tiefpunkt einer Entwicklung zu verstehen. In der vergangenen Saison war Kainz noch mit zehn Vorlagen und sechs Toren Kölns bester Scorer, nur Ellyes Skhiri schoss mehr Tore als der Österreicher. Nach Jonas Hectors Abschied im Sommer übernahm Kainz das Kapitänsamt, und es war klar, dass der gebürtige Grazer ein eher stiller Anführer sein würde. Das ist nicht weiter schlimm, auch Hector war kein Lautsprecher. Doch während sein Einfluss in der Kabine wuchs, verschwand Kainz zunehmend aus dem Kölner Spiel. Drei Tore hat er bislang erzielt, alle per Elfmeter. Nur eine Vorlage gelang ihm in 23 Einsätzen.
Niemand kann abschließend beurteilen, wie groß die Rolle war, die das Amt für die Leistungen des Offensivmanns gespielt hat. Doch seit er Kapitän ist, haben die Leistungen deutlich nachgelassen. Ob Kainz nun darunter leidet, dass die Kölner in dieser Saison insgesamt schwächer auftreten – oder ob Köln schwächelt, weil Kainz seinem Niveau hinterherläuft – schwierig zu sagen. Noch immer spielt er die meisten progressiven Pässe, das sind Aktionen in der gegnerischen Hälfte, die den Ball zehn Meter oder mehr in Richtung gegnerisches Tor befördern. Doch das Passspiel hat unter Timo Schultz derzeit grundsätzlich eine schwindende Bedeutung.
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„Es ist eine große Ehre und Auszeichnung für mich“
„Es ist eine große Ehre und Auszeichnung für mich. Ich freue mich, dass mir das Vertrauen entgegengebracht wurde, bei einem großen Verein in der Bundesliga Kapitän zu sein. Das macht mich stolz“, hatte Kainz im Sommer gesagt, nachdem er Hector beerbt hatte, dessen Vertreter er bereits in der Vorsaison sechsmal gewesen war. „Natürlich kommt jetzt noch mehr Verantwortung auf mich zu“, erklärte Kainz. Mit 30 Jahren sollte er der Kölner Mannschaft dabei helfen, nach den Abschieden von Hector und Skhiri eine neue Hierarchie zu etablieren. Doch der Saisonstart missglückte, im Dezember musste Cheftrainer Steffen Baumgart nach zweieinhalb Jahren gehen.
Baumgart hatte Kainz in der Hinrunde von einer Position zur nächsten geschoben. Dem Trainer ging es darum, keinen seiner wenigen Leistungsträger aus taktischen Gründen auf die Bank zu setzen. Und weil der FC über mehrere taugliche Angreifer für die Außenbahn verfügt, fand sich Kainz plötzlich im defensiven Mittelfeld wieder, wo er vor der Abwehrkette zwar Kilometer um Kilometer abspulte und viele Ballkontakte hatte. Aber kaum Impulse setzen konnte.
Timo Schultz verfolgte einen anderen Ansatz, der zunächst verheißungsvoll klang für Kainz: Er sehe den Spieler „grundsätzlich im linken offensiven Raum“, sagte der 46-Jährige gleich nach seinem Dienstantritt in Köln. Doch waren das nur scheinbar gute Nachrichten für Kainz. Denn auf der linken Offensivseite hat er nicht nur einige Konkurrenz. Er passt mit seiner Spielweise dort auch regelmäßig nicht zu den Ideen seines Trainers.
Und zwar schon vor der Partie gegen Leverkusen. Kainz spielt grundsätzlich selten durch im FC-Trikot, in dieser Bundesliga-Saison kam er nur fünfmal auf volle 90 Minuten. Beim 1:1 in Hoffenheim am 21. Spieltag nahm ihn Schultz schon nach 58 Minuten vom Platz – aus taktischen Erwägungen: „Wir haben gesehen, dass wir nicht zwischen die Linien kommen. Wir brauchten eher einen Spieler, der noch mehr Tempo mitbringt“, erklärte Schultz damals.
Die Überlegung dahinter war, dass die Kölner Probleme hatten, fußballerische Lösungen zu finden. Lieber verzichteten sie also auf den spielstarken Kainz und brachten einen Sprinter, den es mit langen Bällen zu erreichen galt. In Hoffenheim war das Linton Maina. Auch vor der Partie in Stuttgart hatte Schultz darüber nachgedacht, Kainz zunächst draußen zu lassen. „Wir hatten den Gedanken, in Spielen, in denen es eher darum geht, abwartend zu agieren und weniger Ballbesitz zu haben, noch mehr auf Tempo zu setzen“, beschrieb Schultz am Sonntag.
Gegen Leverkusen zu Beginn auf Kainz zu verzichten und auf die laufstarken Faride Alidou und Maina zu setzen, war da nur folgerichtig. Angesichts von nur 22 Prozent Ballbesitz und der Leverkusener Sprintgewalt auf dem Flügel war es kein Spiel für Kainz, zumal in Unterzahl. Dennoch: „Dass er dann gar nicht zum Einsatz gekommen ist, war nicht geplant. Wir hatten das Spiel lange offenhalten wollen und vorgesehen, dass er die entscheidenden Akzente setzt, wenn er reinkommt“, beschrieb Schultz.
Wegen Justin Diehls Verletzung hatten die Kölner früh ihre zweite Wechselmöglichkeit aufbrauchen müssen. „Es hat sich heute nicht ergeben, aber er wird für uns ein ganz entscheidender Spieler bleiben. Er ist mein verlängerter Arm auf dem Platz. Ich bin häufig mit ihm in der Kommunikation. Florian kann ein absoluter Unterschiedsspieler sein“, beschrieb Schultz nach dem Spiel gegen Bayer.
Samstag Derby in Mönchengladbach
Am Samstag (15.30 Uhr) gastieren die Kölner bei Borussia Mönchengladbach. Anders als gegen Leverkusen wird der FC im Derby regelmäßig am Ball sein. Leverkusen hat im Schnitt 62 Prozent Ballbesitz und liegt auch damit an der Spitze der Liga. Mönchengladbach dagegen liegt mit 46,9 Prozent wie Köln (45,3) eher im Mittelfeld. „In Spielen, in denen wir hoffentlich mehr Ballbesitz haben und den Gegner mehr ins letzte Drittel drängen können, wird er noch einen enormen Wert für uns haben“, beschreibt Schultz, der das intakte Verhältnis zu seinem Führungsspieler betonte. „Es war eine sportliche Entscheidung, das muss man dann auch so akzeptieren. Wir sind in einem sehr guten Austausch.“