Das 0:2 gegen den Tabellen-Letzten könnte die entscheidende Niederlage im Kampf gegen den Abstieg gewesen sein. Timo Schultz bleibt zuversichtlich, Keller räumt Fehler ein.
1. FC Köln am AbgrundDie Angst vorm Verlieren lähmt die Kölner
Torsten Lieberknecht war es wichtig, die Dinge hinterher nach ihrer Wichtigkeit zu sortieren. Sein „Highlight“ habe er demnach schon vor dem Spiel erlebt, teilte der Trainer des SV Darmstadt 98 nach dem 2:0 (0:0) seiner Mannschaft vor einmal mehr 50000 Zuschauern im ausverkauften Kölner Stadion mit. Das sei gewesen, „Wolfgang Niedecken die Hand geben zu dürfen. Da habe ich an 'Verdamp lang her' gedacht – und wie lange es schon her war, dass wir einen Sieg eingefahren hatten“, sagte der 50-Jährige.
22 Spiele war Darmstadt zuvor ohne dreifachen Punktgewinn geblieben, doch den Trainer freute besonders, Kölns Musikerlegende getroffen zu haben. Überhaupt gab sich Lieberknecht im ungewohnten Moment des Triumphs bescheiden. Der Aufsteiger, der auch nach dem Sieg als designierter Absteiger zu gelten hat, jubelte zurückhaltend. „Uns war wichtig, die Situation des Gegners hier in diesem Stadion zu respektieren, wo die Leute sehr emotional reagieren.“
In der Schlussphase war die Stimmung auf den Rängen erstmals in dieser Saison deutlich hörbar gekippt. Die FC-Profis hatten ihr in dieser Saison schon grundsätzlich schwaches Heimniveau noch einmal drastisch unterboten – gegen eine Darmstädter Mannschaft, die am Samstag bei ungünstigem Verlauf bereits als Absteiger hätte feststehen können. Doch mit der Endspielsituation hatten die Kölner deutlich größere Schwierigkeiten gehabt als ihre Gegner.
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Erstmals in diesem Jahr stiegen nach dem Schlusspfiff auch die Fans der Südtribüne auf den Zaun und gaben vorerst ihre Haltung auf, ihr Team bedingungslos zu unterstützen. Denn offenbar ist die Loyalität doch an Bedingungen gebunden – zumindest an die eine, sich wenigstens mit Mut und Kampfbereitschaft dem Gegner zu stellen. Nichts davon zeigte der FC am Samstag.
Der Unmut richtete sich auch gegen Christian Keller; Teile der Anhängerschaft haben den Sportchef offenbar als Schuldigen ausgemacht. Keller äußerte Verständnis dafür. „Es war ein bitterer Auftritt gegen einen überschaubar guten Gegner. Der Kopf hat eine Riesenrolle gespielt. Ich hätte gehofft und erwartet, dass wir überzeugter spielen. Aber die Angst vorm Verlieren war zu groß.“ Wehren mochte er sich nicht gegen die Vorwürfe. „Wir haben eine sehr, sehr schlechte Leistung abgerufen in einem Spiel, in dem es um sehr viel ging. Ich verstehe den Ärger der Zuschauer. Ich bin hauptverantwortlich, das ist nachvollziehbar.“
Nach einer halbwegs ansehnlichen Startphase und Alidous Pfostentreffer (18.) waren die Kölner emotional kollabiert. Schon zur Halbzeitpause hatte das Publikum gepfiffen, nach dem Seitenwechsel war es dann steil bergab gegangen. In der 57. Minute schlug Kempe eine Ecke in den Kölner Strafraum. Der Ball fiel am Fünfmeterraum zu Boden, was nie gut ist. Noch schlechter war, dass Christoph Klarer in zentraler Position schießen konnte und durch Hübers' und auch Schwäbes Beine hindurch flach zur Führung traf. Ein Kölner Abwehrverhalten, das sich gut in den allgemeinen Eindruck fügte.
In der Schlussminute lief der eingewechselte Holtmann bis in den Kölner Strafraum. Seinen Schuss aufs lange Eck konnte Schwäbe nur nach vorn abwehren, wo Vilhelmsson abstaubte. Wenig später hätte Holtmann beinahe noch zum 3:0 getroffen, was etwas viel, jedoch nicht unverdient gewesen wäre.
Die Mannschaft kann das Versprechen ihres Trainers nicht halten
Timo Schultz hatte in den Tagen vor der Partie mehrfach versprochen, dass die Tabelle nach dem 30. Spieltag freundlicher aussehen würde für die Kölner. Doch seine Mannschaft hatte sich erneut nicht bundesligatauglich präsentiert. „Wir sind maßlos enttäuscht. Über das Ergebnis, aber auch über die Art und Weise, wie wir uns präsentiert haben“, sagte der Trainer: „Wir haben es nicht geschafft, den Hebel umzulegen, den Druck beiseitezuschieben und befreit drauflos zu spielen. Deswegen dürfen wir uns auch nicht beklagen, hier heute verloren zu haben.“ Beinahe spielten die Kölner, als wollten sie das Klischee einer verängstigten Mannschaft im Abstiegskampf in die Realität übertragen, der im Angesicht des Untergangs jeder Ball verspringt. Qualität im Fußball misst sich daran, grundsätzliches Können in den Wettkampf zu überführen. Entsprechend ratlos wirkte Schultz, als er beschrieb, wie seine Spieler beim Aufwärmen „das Tornetz zerschießen“, um dann im Spiel jede Spannung zu verlieren. Doch wird es nicht damit getan sein, etwaige Qualitäten zu beschwören. Dafür ist das Defizit zwischen angenommenem und tatsächlichem Leistungsvermögen zu groß.
Selbst zum Kämpfen schien den FC-Profis die Nervenstärke zu fehlen. Daher gingen auch die Rufe der Südtribüne ins Leere, man wolle die Mannschaft kämpfen sehen. Im Gegenteil schien es glatt ungerecht, verlangten die Leute doch offensichtlich mehr von den Spielern, als diese in der aktuellen Konstellation zu liefern in der Lage sind.
Verständlich war es dennoch, und Schultz dankte sogar für den Impuls – und versuchte einmal mehr, tapfer das Beste aus der üblen Lage zu machen. „Vielleicht ist jetzt der Zeitpunkt erreicht, wo man von Natur aus alles von sich werfen und eine gewisse Scheißegal-Stimmung initiieren kann und dann befreit ins nächste Spiel geht“, erklärte der Norddeutsche. Das Training am Sonntag sagte er ab, auch der Montag ist frei. Am Dienstag geht es für den FC mit der Vorbereitung auf das nächste Endspiel bei Mainz 05 am Sonntag weiter. Dann hofft Köln ein womöglich letztes Mal darauf, dass mehr zu sehen sein wird vom Potenzial der Mannschaft. „Wir können besser spielen und wir müssen besser spielen“, postulierte Schultz einmal mehr: „Wenn wir das hinbekommen, haben wir auch eine Chance, in Mainz zu gewinnen.“