Seit 2022 hat Christian Keller das Budget für den Lizenzkader um ein Drittel reduziert. Im Vergleich hat der FC aber auch seine Punkte-Ausbeute mehr als halbiert.
Köln in der KriseDer Sparkurs und die Folgen für den FC
Die Band spielte schon zum Abschied, der Schlussapplaus setzte ein, da wollte Christian Keller noch etwas loswerden in der Sendung „Doppelpass“ beim Fernsehsender Sport1. Wenn der Geschäftsführer des 1. FC Köln einen Standpunkt besonders deutlich machen will, argumentiert er gern in Listen; „erstens, zweitens, drittens“, sagt er dann. Trotz des 0:2 der Kölner gegen Darmstadt 98 war Keller zur Sendung erschienen und versuchte zum Abschluss noch einmal, den Eindruck zu richten, den der FC in diesen Tagen hinterlässt. Und so zählte er also auf, was ihn noch zuversichtlich stimmt: „Erstens wird die Mannschaft in den letzten vier Spielen ganz sicher ein anderes Gesicht zeigen. Zweitens: danke an die paar, die noch daran glauben. Drittens: Egal, wie es ausgeht – der 1. FC Köln wird wieder aufstehen.“
Das blieb also am Ende einer ausführlichen Debatte über den Zustand des 1. FC Köln, der im April 2024 vier Spieltage vor Saisonende dem direkten Abstieg sehr viel näher ist als der Relegation. Keller hatte erneut alle Anwürfe erduldet und vieles eingeordnet in sein Koordinatensystem voller nachvollziehbarer Überlegungen. Doch letztlich stehen die Kölner bei 22 Punkten nach 30 Spieltagen, selbst in der Schreckenssaison 2017/18 waren sie zu diesem Zeitpunkt nur um einen Punkt schlechter, dafür aber abgeschlagen Letzter.
Das ist in diesem Jahr anders, einmal mehr wird die Hoffnung zuletzt sterben. Der Auftritt am Sonntag bei Mainz 05 wird endgültigen Charakter haben, nach einer Niederlage wäre Mainz dem FC final enteilt. Wobei sich ein Teil der im Umlauf befindlichen Rettungs-Rechnungen ohnehin nicht mehr auf Mainz bezieht, sondern längst auf den VfL Bochum, der seit seinem Überraschungssieg über den FC Bayern (3:2) im Februar in acht Spielen nur noch zwei Punkte geholt und am vergangenen Wochenende schließlich auf dem Relegationsplatz aufgesetzt ist.
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Jeweils fünf Punkte liegen Bochum und Mainz noch vor den Kölnern, im Falle einer Niederlage in Mainz bliebe dem FC womöglich Bochum als Kontrahent. Dafür müsste die TSG Hoffenheim am Freitag im Ruhrstadion gewinnen. Möglich ist das. Fraglicher ist angesichts der jüngsten Leistungen vielmehr, wo die für ein Wunder benötigten Kölner Siege herkommen sollen. Immerhin trugen die FC-Profis vor drei Wochen durch ihr 2:1 über Bochum maßgeblich dazu bei, dass es womöglich den VfL treffen könnte und nicht sie. Doch abgesehen von den sensationellen 95 Sekunden, in denen Tigges und Waldschmidt das 0:1 noch in einen Sieg drehten und die insgesamt unzumutbare Kölner Heimleistung in den Hintergrund treten ließen, war auch da kaum etwas zu sehen, das fußballerisch Hoffnung machen könnte.
Der Auftritt gegen Darmstadt fügte sich so gesehen also ein in die Heimleistungen dieser Saison. „Zu wenig, nicht bundesligatauglich“, befand Keller, der den Kölnern „Angst vor der eigenen Courage“ attestierte. Angst vor einem Spiel gegen einen Aufsteiger, der in Köln mit der Bilanz von 72 Gegentoren in 29 Spielen antrat und es dann schaffte, erstmals in dieser Saison zu null zu gewinnen.
Anders als die darbenden Darmstädter spielt Mainz seit dem Trainerwechsel zu Bo Henriksen (49) zeitweise wie entfesselt und holte zuletzt 15 Punkte aus neun Spielen. Timo Schultz (46) steht bei zwölf Zählern aus 14 Partien, was zu wenig ist, zumal die Tendenz nach unten deutet, mit dem vorläufigen Tiefpunkt im Duell mit Darmstadt. Nach einer derartigen Leistung würde ein Bundesligist üblicherweise darüber nachdenken, den Trainer zu wechseln. Doch das ist beim um personelle Konstanz bemühten FC vorerst nicht zu erwarten, zumal es von Keller verlangte, eine schwere Fehleinschätzung einzuräumen.
Immerhin stellte Keller fest, dass es so nicht weitergehen dürfe. „Wenn wir jetzt keinen Quantensprung machen, wird es nicht reichen“, sagte er, blieb aber eine Erklärung schuldig, warum die Kölner auch nach Trainerwechsel und Spanienreise derart stagnieren. Wie einem Reflex folgend versuchte er, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, wenngleich das längst nicht mehr nötig ist. Schließlich hatten die Zuschauer in Müngersdorf am Samstag zu Tausenden Kellers Ablösung gefordert. „Bevor die Mannschaft kritisiert wird, muss ich kritisiert werden, denn ich bin hauptverantwortlich“, sagte der 45-Jährige.
Zwar nennt der Sportchef mittlerweile eigene Fehler, etwa den, die Abgänge von Jonas Hector und Ellyes Skhiri nicht ansatzweise kompensiert zu haben. „Das waren unsere Unterschiedsspieler, an denen die Stabilität der Mannschaft hing. Das ist sicherlich ein Hauptgrund.“ Allerdings verwies er auch am Wochenende auf die wirtschaftlichen Zwänge. Sein „Auftrag“ sei gewesen, „einen erheblichen Anteil des Kaderbudgets einzusparen und darüber das Überleben zu sichern“, sagte er. Tatsächlich hat Keller den Aufwand für den Lizenzspielerkader seit seiner Ankunft in Köln im April 2022 um rund ein Drittel reduziert. Man habe schon vorher nur „im hinteren Mittelfeld“ der Bundesliga gelegen mit seinen Aufwänden. Nun, stellte Keller fest, und man konnte nicht genau erkennen, ob er das noch als Erfolg verstanden wissen will, „sind wir unter den letzten Drei“.
In der nicht weniger wichtigen Tabelle, in der die Platzierung anhand der eingespielten Punkte vorgenommen wird, sind die Kölner Vorletzter. Allerdings fällt auf: Die Punktezahl hat sich seit April 2022 nicht um ein Drittel reduziert. Sondern um mehr als die Hälfte – damals lag der FC nach dem 30. Spieltag mit 46 Zählern auf dem siebten Rang. Entsprechend stellte Keller selbst die seiner Ansicht nach „entscheidende Frage: Hätte man mit diesem massiv reduzierten Budget bessere Personalentscheidungen treffen können?“
Kellers Auftraggeber sind die Mitglieder des Präsidiums, deren Sanierungskurs der Manager so folgenreich umsetzt. Es wäre interessant zu wissen, wie die Klubführung Kellers Frage beantwortet. Auf die Bitte des „Kölner Stadt-Anzeiger“ um eine Reaktion auf die Stimmung gegen den Geschäftsführer ließ sich FC-Präsident Werner Wolf so zitieren: „Wir arbeiten vertrauensvoll mit Christian Keller zusammen und behalten den vollen Fokus auf den Klassenerhalt!“