Der 1. FC Köln hat am Mittwochabend seine jährliche Mitgliederversammlung abgehalten. Was von der siebenstündigen Veranstaltung übrigblieb.
Mitgliederversammlung des 1. FC KölnTumult, Konflikte – und vorbildliche Vereinsarbeit
Die Stimmung unter den zu Beginn der Veranstaltung 1199 Mitgliedern in der Lanxess-Arena war durchwachsen. Der Zusammenhalt der Gremien scheint belastet.
Der Vorstand: Der Abend nahm früh eine ungemütliche Wendung, als der Antrag eines Mitglieds, die Tagesordnung zu ändern, zunächst etwas ungeschickt verschoben und später per Handzeichen wie nebenbei abgelehnt wurde, statt die digitalen Abstimmungsgeräte zu benutzen. Mitgliederversammlungen brauchen keine großen Anlässe, um eine Richtung zu nehmen. Das war so einer, und so harmlos die Angelegenheit schien, so wenig souverän war der Umgang. Die Folge war ein belastetes Klima.
Dass am Ende nur 65 Prozent der gegen Mitternacht noch anwesenden Mitglieder für die Entlastung des Vorstands stimmten, zeigte, wie problematisch die Lage war. Die Entlastung ist ein rein formaler Akt. Doch nutzten die Mitglieder die Gelegenheit, um ihrem Präsidium eine Ohrfeige per Knopfdruck zu verpassen.
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Die Themen „Werterad“ und „Matchplan“ nahmen große Teile der Reden ein, trafen jedoch nur bedingt das Interesse der Mitglieder. Vielmehr geriet das Thema Werte in der Debatte um den Sponsor Gauselmann zum Bumerang. Außerdem mahnte der Mitgliederrat später an, dass es im Themenfeld Matchplan bislang vor allem beim Plan geblieben sei. Der Vorstand wies das zurück.
Zum Thema Geißbockheim blieb es auch am Mittwoch bei Absichtserklärungen: Man arbeite an einer Lösung, wolle nun aber nicht mehr gegen die Politik schießen, sondern verhandele „konstruktiv“ und „mit großem Respekt“. Man werde „kein wirtschaftliches Abenteuer“ mit einem Umzug nach Marsdorf eingehen. Daraus konnte man ableiten, dass in den laufenden Verhandlungen mit der Stadt eine entscheidende Rolle spielt, wie hoch die städtische Abstandszahlung an den FC für die Aufbauten am Geißbockheim ausfallen wird, sollte der FC den Grüngürtel verlassen. Wer um Geld verhandelt, ist tatsächlich gut beraten, es konstruktiv zu versuchen.
Der Mitgliederrat: Ho-Yeon Kim nahm die Rolle seines Gremiums als Aufsichts- und Beratungsorgan einmal mehr außerordentlich ernst. Der mahnende Ton des Vorsitzenden ist nicht jedermanns Sache und stieß beim Vorstand eher nicht auf fröhliche Zustimmung. Wiederholte Scharmützel und die kühle Reaktion des Präsidenten auf Kims Rede ohne Dank dokumentierte das beidseitig belastete Verhältnis zwischen Vorstand und dem Gremium, das ihn einst zur Wahl vorgeschlagen hat.
Im kommenden Jahr wird der Mitgliederrat neu gewählt. Erst danach wird man wissen, ob der amtierende Vorstand den Rückhalt der aktuellen Vertreter des Gremiums noch benötigt, um erneut nominiert zu werden.
Die Geschäftsführung: Christian Keller hatte den Vorwürfen zu begegnen, die sich aus dem aktuellen Tabellenstand ergeben: Fünf Spiele, ein Punkt – da war es eine gute Entscheidung, sich auch auf zunächst oberflächlich scheinende Wortmeldungen einzulassen. Keller machte das gut und schaffte es auch, bei allem Verständnis für den vorgetragenen Ärger und die Zweifel mancher Mitglieder am Sparkurs bei seiner Überzeugung zu bleiben – und die Leute dabei glaubhaft ernst zu nehmen.
Keine neuen Details zur Verhandlung vor dem Cas
Zum Themenfeld Cas/Potocnik referierte Keller zwar klar, doch blieb er bei der Schilderung des Sachverhalts und formulierte die Hoffnung, die Schiedsrichter am Internationalen Sportgerichtshof für den 1. FC Köln eingenommen zu haben. Schärfere Ansagen vermied er, was vor einem Urteil ein berechtigtes Vorgehen darstellte.
Philipp Türoff präsentierte solide Zahlen, war sich aber nicht zu schade, diese mit den Sondereffekten zu erklären. Er ließ damit die Chance aus, sich als genialischen Sanierer feiern zu lassen. Womöglich werden in den nächsten Jahren weitere, noch bessere Gelegenheiten dazu folgen.
Markus Rejek hatte erwartet, dass es Kritik am Engagement eines Sponsors aus der Glücksspiel-Branche geben würde, daher hatte er sich die Frage danach am sogenannten „Talk-Tresen“ sozusagen selbst gestellt. Was den neuen Geschäftsführer überrascht haben dürfte, war die Hartnäckigkeit der Kritiker – und dass seine an sich gut vorbereitete Argumentation nicht verfing. Was letztlich daran lag, dass der Sachverhalt zu problematisch ist, um ihn argumentativ geradezubiegen. So einfach lassen einen die Mitglieder des 1. FC Köln nicht davonkommen, das weiß Rejek nun.
Das Format: Moderatorin Jana Wosnitza (29) führte tapfer, professionell und mit bemerkenswerter Kondition durch den Abend. Dass sie gleichzeitig FC-Mitglied ist, war ein charmanter Nebenaspekt: Wosnitza stimmte bei Abstimmungen mit und hatte zudem die Möglichkeit, während der Moderation kleinere Verfahrensanträge zu stellen, was ein paar Abläufe erleichterte.
Die Berichte der Gremien in einem Talk-Format durchzuführen, erwies sich jedoch als nicht unbedingt erfolgreich. Die Mitglieder fühlten sich teils nicht ernst genommen. Außerdem liegen die Stärken mancher FC-Amtsträger nicht unbedingt in der öffentlichen Rede. Die abgelesenen Fragen und Antworten gerieten eher hölzern. Und waren ursächlich dafür, dass die Stimmung in der Mitgliederschaft genervt, zeitweise gar offen feindselig ausfiel.
Was die Straffung der Veranstaltung angeht: Mit mehr als sieben Stunden stellte der 1. FC Köln zwar keinen Rekord auf. Allerdings war die Tagesordnung am Mittwoch auch nicht gerade übervoll. Im kommenden Jahr wird ein neuer Mitgliederrat gewählt, jeder Kandidat wird sich dann einzeln vorstellen. Das könnte ausufern.
Die Satzungsänderungen: Die „Notverkaufsklausel“ war in den vergangenen Wochen zu einer gewissen Popularität gelangt, was auch daran lag, dass auf Transparenten im Stadion darauf hingewiesen wurde. Dass die Mitglieder ohne jede Ausnahme gefragt werden müssen, bevor Anteile am 1. FC Köln verkauft werden, zementiert die Linie, über die im Verein derzeit ohnehin Konsens besteht. Der Antrag war gut begründet; die große Not, die einen Vorstand zum Schnellverkauf treiben könnte, dürfte sich nicht von einem Tag auf den anderen ergeben. Außerdem würde kein seriöser Anteilskäufer den Klub unter Zeitdruck setzen. Es bliebe also Zeit für eine außerordentliche Mitgliederversammlung, daher bedeutet die Abschaffung der Klausel kein Risiko für den Verein.
Auch beim 1. FC Köln darf man nun mit 16 Jahren zur Wahl gehen
Außerdem dürfen Mitglieder nun bereits im Alter von 16 Jahren an Wahlen teilnehmen, womit der 1. FC Köln sich an die Regeln bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen anpasste. Der neue Mitgliederrat im nächsten Jahr sowie das neue Präsidium im Jahr 2025 werden also von einer potenziell jüngeren Wählerschaft bestimmt.