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Nach Derbysieg in GladbachGisdol gesteht dem 1. FC Köln seine Liebe

Lesezeit 4 Minuten
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Markus Gisdol genießt mit seiner Mannschaft den Triumph in Mönchengladbach.

Köln – Das Klirren des Eisregens auf dem Dach des leeren Borussia-Parks war in stillen Flockenfall übergegangen, und während die Rasenheizung ihren Dienst quittierte, tanzte ein Pulk in Rot gekleideter Fußballer über den Platz und skandierte „Derbysieger, Derbysieger!“ Es war beinahe überraschend, eine derartige Freude zu sehen seitens der Mannschaft des 1. FC Köln nach dem 2:1 (1:1)-Sieg bei Borussia Mönchengladbach. FC-Profis der Gegenwart wird oft nachgesagt, die regionalen Rivalitäten weit weniger zu pflegen als die Fans auf den Rängen; Geisterderbys fühlen sich daher besonders still an.

Jubel vor dem leeren Kölner Block

Doch weit gefehlt, am Samstag verlegten die Kölner ihren Jubel bald in die Ecke des Stadions, in der üblicherweise ihre Fans stehen. Nahmen das Tuch mit der Mönchengladbacher Raute von der Eckfahne und hissten das FC-Trikot mit der Nummer 20, dessen Träger Elvis Rexhbecaj das Spiel mit zwei Treffern entschieden und sich selbst damit einen Platz in den Geschichtsbüchern und Poesiealben des Klubs gesichert hatte.

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Die Kölner jubeln mit Rexhbecajs Trikot auf der Eckfahne.

Der Kämpfer Rexhbecaj, 23, war der perfekte Entscheider dieser Partie. Er gewann Bälle, leitete Angriffe ein und erzielte zwei Treffer, für die es zwar keinen Schönheitspreis gibt. Die aber einen extrem seltenen Moment der Freude gebracht hatten: In den vergangenen zehn Jahren hatten die Kölner sechs Derbys in Mönchengladbach verloren und nur eines gewonnen, daheim ist die Bilanz kaum besser. Da war es wichtig, den Triumph auszukosten und den Jubel zu kopieren, den Marcus Thuram nach dem Mönchengladbacher Hinrundensieg in der Nordost-Ecke des Kölner Stadions zur Aufführung gebracht hatte. „Rache ist süß“, kommentierte Rexhbecaj. Als Zweijähriger war Rexhbecaj mit seinen Eltern vor dem Krieg im Kosovo nach Deutschland geflüchtet, seit Winter 2020 und noch bis zum Ende dieser Saison ist er vom VfL Wolfsburg nach Köln ausgeliehen. Eine Kaufoption ist nicht ausgemacht, Rexhbecaj droht, die finanziellen Möglichkeiten der Kölner im kommenden Sommer zu sprengen. „Elvis hat das ganz hervorragend gemacht“, lobte FC-Sportchef Horst Heldt am Sonntagmorgen, „schon fünf Saisontore – das ist ein toller Wert für einen Spieler, der überwiegend defensiv zum Einsatz kommt.“

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Es gebe zwar noch keine Gespräche, sagte Heldt. Doch immerhin könnte ein Kölner Unglück noch positive Spätfolgen haben: Der FC hätte für die nächste Saison gern Yannick Gerhardt aus Wolfsburg für das defensive Mittelfeld zurückgeholt, doch der Vertrag des 26-Jährigen beim VfL wurde nun bis 2025 verlängert. Womöglich hilft diese Kaderentscheidung den Kölnern, Rexhbecaj aus Wolfsburg loszueisen.

Markus Gisdol hatte die Leistung seiner Mannschaft zu emotionalen Höhen getrieben. „Dieser Klub ist verrückt, aber ich liebe diesen Klub“, hatte der FC-Trainer noch im Mönchengladbacher Stadion gesagt. „Der Derbysieg bedeutet unseren Fans viel. Und e hat auch meiner Mannschaft viel mehr bedeutet als jeder andere Sieg zuvor.“

Unruhige Vorbereitung

Der Erfolg könnte den Kölnern tatsächlich helfen, aus dem Krisenmodus zu kommen. Nur eines der jüngsten fünf Bundesligaspiele haben die Kölner verloren, das Elfmeterdebakel in Regensburg hat den zuletzt ordentlichen Eindruck ein wenig überdeckt. Dass der FC in Mönchengladbach eine Chance haben würde, hatte nach dem Pokalspiel und der Affäre um Dominick Drexler dennoch kaum jemand erwartet. „Drexlers Verfehlung hat uns den gesamten Samstagvormittag begleitet. Eine Derbyvorbereitung sieht eigentlich anders aus“, räumte Heldt ein.

In seiner Ansprache vor dem Spiel habe Markus Gisdol daher besondere Schwerpunkte gesetzt. „Es war eine außergewöhnliche Rede, wir haben sehr wenig über Taktik gesprochen, stattdessen viel über unsere Mannschaft“, berichtete Heldt: „Die Mannschaft hat es bravourös hinbekommen. Darauf kann man stolz sein.“

Gisdol hofft auf mehr Konstanz

Gisdol selbst hatte in der vergangenen Woche über die „Wellenbewegungen“ seiner Mannschaft geredet, die ihn „kirre“ machten, und tatsächlich ist auch der Trainer nach mehr als einem Jahr in Köln und trotz einer erfolgreichen Rettungsaktion kaum zur Ruhe gekommen. Die Liebeserklärung an den Verein, verbunden mit einem Derbysieg – womöglich könnten die Kölner nun zu etwas mehr Konstanz finden. Horst Heldt jedenfalls hofft darauf. „Solche Momente, so schwierig, wie sie sind, können auch zusammenschweißen. Aus so einer Situation kann man viel Gemeinschaft ziehen. Es ging für uns in Mönchengladbach auch um Zusammenhalt, und den hat die Mannschaft gezeigt.“