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WeltmeisterLukas Podolski über seine Anfänge in Köln und den Mythos FC

Lesezeit 9 Minuten
Lukas Podolski zu Besuch in seiner eigenen Loge im Rhein-Energie-Stadion bei einem Heimspiel des 1. FC Köln

Lukas Podolski zu Besuch in seiner eigenen Loge im Rhein-Energie-Stadion bei einem Heimspiel des 1. FC Köln

Lukas Podolski zog einst aus Köln aus, um die Fußballwelt einzureißen. Und das gelang beeindruckend. Im Interview erinnert er sich an seine Anfänge beim 1. FC Köln.

Herr Podolski, fangen wir mal nicht damit an, was Sie dem 1. FC Köln zum 75. Geburtstag wünschen, sondern wie Ihre Geschichte beim FC angefangen hat. Erzählen Sie doch mal…

Lukas Podolski: Meine Familie und ich sind von Polen nach Deutschland gekommen, genau genommen nach Bergheim, da war ich gerade mal zwei Jahre alt. Fußball war schon als Kind mein Sport. Mit sechs war dann Bergheim 07 mein erster Verein. Aber auch sonst wurde in der Freizeit in fast jeder freien Minute immer gekickt. Wir haben uns dann auf den Bolzplätzen in der Bergheimer Hochhaussiedlung getroffen. Das waren fast nur Migranten-Kinder, aber ich war ja auch einer von ihnen. Ich war der mit dem FC-Trikot. Ich kann mich noch genau an mein erstes FC-Trikot mit dem riesigen Ford-Logo erinnern. Die anderen Jungs hatten Argentinien-, Brasilien, Marokko- oder Trikots von türkischen Klubs an, für mich gab es schon damals nur den FC. Jeder Junge braucht doch einen Verein, zu dem er hält, den er liebt. Bei mir was das halt der FC. Und es war mein Traum, eines Tages mal für diesen zu spielen…

…dieser Traum erfüllte sich, als Sie zehn Jahre alt waren. Sie hätten ja auch zu Borussia Mönchengladbach wechseln können, der alte Bökelberg war ja von Bergheim auch nur rund 40 Kilometer entfernt.

Die Gladbacher wollten mich auch. Dortmund, Schalke und Leverkusen ebenfalls. Alle Klubs hatten Mitarbeiter geschickt, die dann bei meinem Vater auf den Sofa saßen und ihn und mich von einem Wechsel zu überzeugen. Bayer hatte sogar eine stattliche Summe Geld und meinem Vater eine Arbeitsstelle geboten. Für meine Familie war das damals ja alles nicht so einfach, die Sprache war neu, und wir hatten kein Geld. Doch ich wollte unbedingt nur zum FC. Und meine Kumpels, mit denen ich in Bergheim gekickt habe, haben mich dann bei den Spielen angefeuert, auch auswärts: 20 Mann, rein in die Bullis und beim Auswärtsspiel in Leverkusen oder Gladbach ordentlich Lärm gemacht: Eine geile Zeit! Zum Anfang jeder Saison gab es immer eine neue Tasche beim FC: Regenjacke, Pullover, Polo, Jogginghose und so weiter. Da bin ich dann auch daheim und privat fast immer in FC-Klamotten rumgelaufen. Was bis heute so geblieben ist.

Und Sie selbst haben die Profis dann bei ihren Heimspielen angefeuert?

Aber sicher! Damals wurde in der Bundesliga fast nur samstags um 15.30 Uhr gespielt, das passte dann ganz gut mit unseren Spielen. Mit Bus und Bahn ging es dann nach Müngersdorf. Wir hatten damals nicht so viel Geld, deshalb sammelte ich Pfandflaschen auf dem Oberrang und Unterrang. Für den Pfandbecher gab es zwei D-Mark, und wenn du dann 30, 40 der 50 zusammen hattest, war das ein ganz gutes Geschäft. Vor allem in Spielen gegen Bayern, Gladbach oder Dortmund, wenn das Stadion voll war. Blöd war es, wenn der Gegner Karlsruhe oder Rostock hieß – da wurde vor allem weniger Bier getrunken (lacht).

Ihr erstes Trikot eines FC-Profis war von…?

Janusz Dziwior. Der ist ja auch in der Nähe von Gleiwitz geboren. Ich war dann irgendwann Balljunge bei den Profispielen. Und da habe ihn auf Polnisch angesprochen, ob ich sein Trikot kriegen könnte. Hat er mir dann auch gegeben. Nach unseren Trainingseinheiten habe ich dann oft vor der Kabine auf die Profis gewartet, um ein Autogramm zu bekommen. Bodo Illgner, Toni Polster: Das waren Stars, die hat man bewundert. Und der Ehrgeiz wuchs, auch mal dort zu sein, wo diese Spieler sind. Mein Ziel war, selbst mal ein FC-Profi zu sein, der sich in dieser Kabine umzieht. Ich wollte da rein. Irgendwie schon lustig oder bitter, dass nach fast 30 Jahren die FC-Kabinen am Geißbockheim noch wie damals aussehen.

Können Sie deshalb aus eigener Erfahrung nachvollziehen, dass sich an den Trainingsbedingungen beim 1. FC Köln etwas ändern muss?

Natürlich hat der FC da im Vergleich zur Konkurrenz einen Nachteil, das Gebäude am Geißbockheim ist uralt. Aber mir gefällt der Charme des Geißbockheims, sein Flair. Ich find das geil, wenn die Opas beim Training Karten kloppen, die Frau mit dem Hund dort steht und die Kids Autogramme oder Selfies wollen und auch bekommen. Diese Nähe, das macht auch den 1. FC Köln aus. Jeder weiß ja, wie wichtig mir die Fans und die FC-Fans im Speziellen sind. Der FC sollte den Mythos Geißbockheim pflegen. Wenn er mit den Profis aufs Land zieht, geht der verloren. Klar, irgendwann kommt der Alltag, zum Training auf der Wiese würden die Fans auch pilgern. Aber es wäre nicht mehr Dasselbe. Und ich weiß auch nicht, ob man unbedingt ein Fünf-Sterne-Resort als Trainingsgelände braucht, um Erfolg zu haben. Aber klar, natürlich muss sich am Geißbockheim etwas an der Situation verändern.

Lukas Podolski besucht im Dezember 2003 im polnischen Gleiwitz den Bolzplatz, auf dem er während seiner Besuche in Schlesien oft gekickt hat.

Lukas Podolski ist im polnischen Gleiwitz geboren. Als er zwei Jahre alt war, wanderte seine Familie nach Deutschland aus. Kurz nach Beginn seiner Profi-Karriere beim FC besuchte der Stürmer im Dezember 2003 den Bolzplatz, auf dem er während seiner Besuche in Schlesien oft gekickt hatte.

Zurück zu Ihnen. Wann hat sich abgezeichnet, dass es für eine Profi-Karriere reichen würde?

Erst mit 17,18 Jahren.

Ernsthaft? Sie trafen doch in den Jugendteams für den FC wie am Fließband.

Ja, sicherlich wusste man, dass da beim FC ein Junge ist, der dynamisch ist, einen super Linken hat und knipsen kann. Ich hatte zwar Selbstvertrauen, aber mir war klar, dass dir auch eine Chance gegeben werden musste. Die gab mir dann Cheftrainer Marcel Koller. Als er beim FC anfing, beobachte er auch immer die Trainings der älteren Jugendmannschaften. Das war damals nicht selbstverständlich.

Sie waren auch oft Trainingskiebitz bei den Profis. Einmal standen Sie dort und hatte eine Aldi-Tüte in der Hand, in der sich ein FC-Trikot des polnischen Verteidigers Tomasz Klos befand.

Ja –und? Was haben Sie denn jetzt gegen eine Aldi-Tüte? Ich bin ein Junge von der Straße, der läuft auch heute noch mit einer Aldi-, Penny oder Rewe oder sonst-was-Tüte rum, wenn ihm danach ist.

Im Rückblick ist das dennoch ganz putzig, schließlich verlief Ihre Karriere um Längen erfolgreicher als die von Dziwior oder Klosz.

Ja, aber ich war damals trotzdem glücklich über ihre Trikots.

Waren Sie damals vor den ersten Trainingseinheiten bei den Profis nervös?

Geht so. ,Et kütt wie et kütt‘, das ist bis heute mein Motto. Aber klar, als mich Marcel Koller anrief, ich solle doch mal in sein Trainerbüro kommen, war ich einfach nur stolz und glücklich, aber auch motiviert, es allen zu zeigen. Ich bin dem Trainer dafür dankbar, dass er mir diese Chance gegeben hat. Im Kurz-Trainingslager war ich dann erstmals bei den Profis dabei, eine Zeitung hatte mich falsch geschrieben, irgendwas mit Bodolski oder so. Aber nach den ersten Einheiten bei den Profis wusste ich, das kann was werden mit dem Traum vom Fußballprofi – und zwar bei meinem Lieblingsklub, dem FC. Und das war ja immer mein ganz großer Traum.

Ende 2003 Ihr Bundesliga-Debüt gegen den HSV, kurz darauf Ihr erstes Bundesliga-Tor in Rostock. Und im Anschluss ein legendäres TV-Interview mit dem damaligen Premiere-Reporter Christian Sprenger. Das vergisst man nie, oder?

Christian Sprenger hat mir danach noch eine DVD von dem Spiel samt Interview geschenkt. Ich weiß, über das Interview lachen sich heute noch einige Leute kaputt, ich finde das heute ja auch ganz lustig. Christian Sprenger hat mit mir das erste TV-Interview gemacht, er sollte dann auch das letzte bekommen. Der Mann muss aber leider noch etwas warten, ich spiele ja noch (lacht). Ich bin gerade mit meinem Klub Gornik Zabrze in den letzten Gesprächen. Ich bin fit, habe Freude und will noch weitermachen. Und danach sieht auch alles aus, mindestens ein Jahr will ich noch für Gornik spielen.

Lukas Podolski verabschiedete sich am 5. Mai 2012 nach dem Heimspiel gegen den FC Bayern von den Kölner Fans.

Emotionaler Moment: Lukas Podolski verabschiedete sich am 5. Mai 2012 nach dem Heimspiel gegen den FC Bayern von den Kölner Fans. Der Stürmer wechselte im Anschluss zum FC Arsenal nach London.

Jetzt fragen wir es doch: Was wünschen Sie dem 1. FC Köln zum 75.?

Alles Gute, alles, was man ihm nur wünschen kann. Ich will da jetzt nicht zwei, drei Sachen aufzählen, das wäre mir zu billig. Klar, irgendwann mal wieder einen Titel zu holen – das wäre schön. Aber der FC ist mehr für mich als ein Titel: Mit dem FC verbinde ich Gefühle, Emotionen, die Fans. Er ist für mich wie eine Familie und steht für die Stadt Köln wie sonst nur der Dom. Er ist, wie es die FC-Hymne auch ausdrückt: Man geht mit ihm auch durch et Füer. Denn man lebt und leidet mit dem FC. Wer mal leidet, der kann daraus auch neue Energie gewinnen, das kann einen stärker machen. Man sucht sich immer nur einen Verein aus – und das ist für mich der FC.

Was war Ihr schönster und Ihr schlimmster FC-Moment?

Auch da picke ich jetzt nichts Konkretes raus. Klar, die Abstiege waren natürlich Mist. Aber FC hat mich damals in einer für meine Familie nicht immer leichten Zeit toll aufgenommen und sowas vergisst man nicht. Fußball ist nicht immer nur auf dem Rasen und drei Punkte, sondern viel mehr. Der FC ist für mich eine Familie auf und neben dem Platz gewesen. Vom FC bin erst zum FC Bayern gewechselt, dann später von Köln zum FC Arsenal. Und daran hat der 1. FC Köln einen großen Anteil. Und wer kann von sich behaupten vom 1. FC Köln zu zwei Welt-Klubs gewechselt zu sein.

Sie haben über 14 Jahre für den FC gespielt, bei den Profis aber „nur“ sechs. Zu wenige?

Definitiv, zwei, drei Jahre oder mehr wären schöner gewesen. Aber es war doch auch so: Im Nachhinein betrachtet, war ich zum falschen Zeitpunkt am eigentlich für mich besten Ort. Es gab damals fast immer Unruhe im Verein, die Verantwortlichen kommen und gingen, die Spieler natürlich ebenso. So konnte man keinen nachhaltigen, dauerhaften Erfolg haben. Und dann kamen die Angebote von Bayern und Arsenal, da wir irgendwie auch verdammt zum Wechseln. Der FC hat für mich zudem zweimal eine zweistellige Millionenablöse bekommen, die er in schwierigen Zeiten sehr gut gebrauchen konnte. Dennoch: Ich habe ein paar Jahre zu wenig für den FC gespielt, das stimmt.

Aber Sie können ja auch nach Ihrer aktiven Karriere zum 1. FC Köln zurückkehren…?

Mal sehen, was die nächsten Jahre passiert. Wie gesagt, et kütt wie et kütt (lacht). Aber was ich versprechen kann: Ich werde zu 100 Prozent in die Kurve zurückkehren.

Jetzt machen Sie uns neugierig. Was ist denn konkret in Planung?

Ich Kopf und Herzen plant man immer. Noch ist nichts konkret, aber es wäre schön, dem 1. FC Köln und seinen vielen Fans noch einmal Dankeschön sagen. 2017 hat mir der DFB mit dem Spiel in Dortmund dazu in der Nationalmannschaft die Gelegenheit gegeben, daran erinnere ich mich noch heute mit Gänsehaut. Es wäre schön, dies auch in Köln zu machen.

Unabhängig davon könnten Sie später auch in anderer Funktion zu Ihrem Klub zurückkehren, oder?

Ich bin nicht der Typ, der jetzt schon weiß oder plant, was in zwei, drei oder fünf Jahren sein wird. Aber wenn ich nicht mehr aktiv bin, dann ist eine Rückkehr zum 1. FC Köln natürlich eine Möglichkeit.