An diesem Donnerstag vor 100 Jahren ist Hennes Weisweiler geboren.
Bekannt war der erfolgreiche Trainer auch dafür, dass er sich mit Stars wir Günter Netzer, Johan Cruyff und Wolfgang Overath anlegte.
Insgesamt gewann Weisweiler vier deutsche Meistertitel mit seinen Teams – drei mit Mönchengladbach, einen mit dem 1. FC Köln.
Köln – Den Fußballtrainer Hennes Weisweiler muss man sich als ambivalenten Menschen vorstellen. Streng war er beizeiten, aber auch nachsichtig, wenn es der Sache diente. Freundlich und barsch. Demokratisch und herrisch. Zufrieden und anspruchsvoll. Gesellig und mürrisch. Zuvorkommend und abweisend. Alles zu seiner Zeit und zielführend dosiert. Über allem aber schwebten seine Maximen. Sie lauteten: Offensive. Ehrgeiz. Perfektion. Erfolg. Und letzteren hatte er mit seiner Methode des stürmischen Fußballs, der ihn berühmt machte und seine Teams zu Siegern.
An diesem Donnerstag, es ist der 5. Dezember, wäre Hennes Weisweiler, geboren in Lechenich, 100 Jahre alt geworden. Gestorben ist er am 5. Juli 1983 im Alter von 63 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts in der Nähe von Zürich. Kurze Zeit später fand die Trauerfeier im Kölner Dom statt, 20000 Menschen waren zugegen und viele der Spieler, die Weisweiler zu Stars gemacht hatte – mit seiner Art des Trainings, seiner Menschenführung und seiner Janusköpfigkeit als Mensch.
Perfekte Einstellung auf den Gegner
Toni Schumacher, der Torwart, den Weisweiler in seiner Kölner Zeit ab 1976 zunächst am liebsten aussortiert hätte, dann aber doch als Nummer eins etablierte, erlebte Weisweiler als „einen Trainer, der uns immer perfekt auf den Gegner einstellen konnte“. Weisweiler war zudem in der Lage, völlig entspannt zu sein, fröhlich mit seinen Spielern beim obligatorischen Essen nach dem Spiel. Danach, sagt Schumacher, habe Weisweiler „am nächsten Morgen unerschütterlich als Erster auf dem Platz“ gestanden, fit, ohne Anzeichen von Müdigkeit – im Winter mit kurzer Hose und mit von der Kälte rot gefärbten Oberschenkeln. Wie das denn bloß gehe, fragte Schumacher. „Disziplin, Junge. Disziplin.“
Mit ihr als Partner und seiner Version eines Offensivspektakels kam der Erfolg für Weisweiler. Und wie: Drei Meistertitel mit Borussia Mönchengladbach, wo er 1964 anfing, in den frühen 1970er Jahren, dazu ein Pokal- und Uefa-Cup-Erfolg. Mit dem 1.FC Köln gewann Weisweiler 1977 den Pokal und 1978 das Double aus Meisterschaft und Pokal. Mit Cosmos New York wurde er 1980 US-Champion, auch mit Grashoppers Zürich, seiner letzten Station von 1982 bis 1983, holte er das Double.
Im Museum von Borussia Mönchengladbach steht der ehemalige Gladbacher Weisweiler-Stürmer Herbert Laumen, vor einer Foto-Wand seines einstigen Fußballlehrers: Weisweiler vor einer Tafel, auf die er taktische Vorgaben geschrieben hat. Zudem: Weisweiler 1970 mit der Meisterschale in der Kabine inmitten seiner andächtig um ihn herumgruppierten Spieler. Laumen, 76 Jahre alt inzwischen, spielte schon 1964 bei der Borussia, als Weisweiler sich als neuer Trainer vorstellte. „Er hat bei uns die Strukturen professionalisiert“, sagt Laumen.
Ein Lehrling von Sepp Herberger
Gelernt hatte Weisweiler bei Sepp Herberger, dem Wunder-von-Bern-Bundestrainer, dessen Schüler und nach dem WM-Sieg von 1954 auch Assistent Weisweiler für ein Jahr war. So wichtig war Weisweiler für das deutsche Trainer-Wesen, dass er von 1957 bis 1970 als Lehrgangsleiter für die Ausbildung der Fußballlehrer an der Deutschen Sporthochschule in Köln verantwortlich war – parallel zu seinem Job als Coach. Seit 2005 heißt diese Stätte „Hennes-Weisweiler-Akademie“.
Und doch: Zu Weisweilers Arbeitsweise gehörte bei aller Selbstüberzeugung eben auch, dass er seine Spieler mit in seine Überlegungen einbezog. „Er hat bei Spielern nach Rat gefragt – auch in taktischer Hinsicht“, erzählt Laumen. In Gladbach vor allem bei Günter Netzer, dem Topstar der Gruppe. Der hatte als ungewohnt selbstbewusster Profi bisweilen eigene und andere Ideen als sein Fußballlehrer, weshalb die beiden häufig aneinandergerieten, sich aber auch gegenseitig Impulse gaben. Mit Folgen für Netzer, den Stürmer Jupp Heynckes oder auch Berti Vogts, die unter Weisweiler noch in den 1960er Jahren Nationalspieler wurden. Später galt das auch für Rainer Bonhof, Herbert Wimmer, Uli Stielike oder in Köln etwa für Pierre Littbarski und Bernd Schuster, Weisweilers FC-Premium-Entdeckungen.
Sonderstellung für Günter Netzer
Netzer jedoch hatte dank seiner fußballerischen Klasse und seiner Intelligenz eine Sonderstellung. Der Kapitän hatte erkannt, dass Weisweilers Hurra-Fußball zwar schön aussieht und auch Tore verspricht, aber auf Dauer eben zu aufwendig ist. „Er wollte uns rauf und runter spielen. Ohne Pause. Ich habe ihm gesagt: »Herr Weisweiler, wir sind nach 60 Minuten tot. Wir gewinnen nichts.« Ich habe ihm zu Ruhephasen geraten. Und ihm empfohlen, unsere Stürmer mal zu fragen, gegen welche Gegenspieler sie überhaupt nicht spielen wollen. Und dass wir zwei von denen holen sollen“, erzählt Netzer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Daraufhin habe Weisweiler eben die Abwehr-Bolzen Ludwig Müller und Klaus-Dieter Sieloff verpflichten lassen – und prompt zwei Mal in Folge die Meisterschaft mit der Borussia geholt, 1970 und 1971.
Auf und abseits des Platzes war Netzer autark
Weisweiler hat seinem Star sehr viel gestattet, etwa, sich im Pokalfinale 1973 gegen den FC in der Verlängerung selbst einzuwechseln – was Netzer nutzte, um das Siegtor zum 2:1 zu erzielen. Aber auch abseits des Platzes war Netzer, der spätere Discobesitzer, autark. „Der Weisweiler war ein ganz schlauer Fuchs, der hat mir gewisse Freiheiten gestattet. Das war die Aufforderung: Wenn du nicht vernünftig spielst, fliegst du“, sagt Netzer. Doch Netzer spielte fast immer mehr als vernünftig. Und nur er durfte seinem Trainer in der Kabine sagen: „Sie haben von Fußball keine Ahnung.“ Aber auch Weisweiler teilte ja in Richtung Netzer aus: „Abseits ist, wenn dat lange Arschloch zu spät abspielt.“
1975 wechselte Weisweiler zum FC Barcelona, eine große Ehre für den kauzigen, kölsch sprechenden Rheinländer. Dort wagte er es, sich mit dem niederländischen Klubheiligen Johan Cruyff anzulegen. Weisweiler kritisierte Cruyffs Einstellung bei Auswärtsspielen und wechselte ihn einmal wegen laschen Spiels aus. Cruyff war fassungslos und wütend: „Wollen Sie Krieg?“ fragte er seinen Coach und veranlasste letztlich dessen Rauswurf nach neun Monaten.
Rückkehr nach Köln
Es folgte die Rückkehr nach Köln. Von 1976 bis 1980 übernahm Weisweiler zum dritten Mal in seiner Karriere den FC, dessen Geißbock-Maskottchen ja nach ihm benannt ist. Und dort bekam nun Wolfgang Overath sein Fett weg. Weisweiler sah in dem FC-Superstar, dem Weltmeister und dem Anführer des Teams, einen Spielbremser, unter dessen Spielführung die Erfolge ausblieben. Der FC erreichte am Ende von Weisweilers erster Saison das Pokalfinale gegen Hertha BSC Berlin. Overath war in der Startelf, wurde aber vor Beginn der Verlängerung ausgewechselt. Das Spiel endete 1:1. Damals bedeutete das: Wiederholungsspiel. Dort verzichtete Weisweiler auf Overath. Der fühlte sich gedemütigt und trat nach dem Ende der Saison – zermürbt von den Auseinandersetzungen mit dem Trainer – zurück. Overath sagt: „Hennes Weisweiler war sicher einer der größten und besten Trainer, die es in Deutschland je gegeben hat. Aber menschlich haben wir nicht zusammengefunden.“
Weisweiler jedoch reagierte wütend auf Anspielungen, er suche Ärger mit Stars und könne sich nicht mit den Besten in seinen Teams arrangieren. Zur Causa Overath sagte er: „Wir haben ohne ihn das Wiederholungsspiel gegen Hertha gewonnen und im nächsten Jahr sogar das Double. Was hat denn Köln erreicht in den Jahren als Overath hier das Kommando hatte?“Es gab natürlich auch Gewinner der Weisweiler-Zeit. Etwa Schumacher in Köln, aber auch Laumen und Netzer in Gladbach. Sie alle betonen die Besonderheit ihres Ex-Trainers. „Er hat mich gemacht“, sagt Netzer. „Das ist der Trainer, der bei mir an erster Stelle steht. Wäre er länger in Köln geblieben, hätten wir auch mehr Titel geholt“, sagt Schumacher. „Er war mein bester Trainer“, sagt Laumen.
Abschiedsbesuch in der Heimat
Zwei Wochen vor seinem plötzlichen Tod besuchte Hennes Weisweiler für ein Biografie-Projekt noch mal die Orte, die ihm besonders viel bedeutet haben. In Lechenich war er und dort am Grab seiner Eltern, in Mönchengladbach und Köln. Den Dom hat er sich dabei angeschaut und abends im „Örgelchen“ ein paar Kölsch getrunken. Der Kreis seines Lebens hatte sich da geschlossen. Beerdigt wurde Weisweiler neben seinen Eltern.Auf seinem Grabstein steht: „Ein Leben dem Fußball.“