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Andenken an ToteSammler aus NRW hat Autogramme aus 50 Jahren Bundesliga-Geschichte

Lesezeit 6 Minuten
Peter Plum 1

Peter Plum in seinem zum Fußballarchiv umgebauten Keller

  1. Peter Plum aus Straelen hat lange Autogramme gesammelt, jetzt führt er ein Archiv der verstorbenen Bundesliga-Spieler und ihrer Geschichten.
  2. Plum ist ein Besessener – für ein Traninigslager des 1. FC Köln nahm er einmal 100 Kilometer mit dem Rad auf sich.
  3. Über einige Spieler ist aber auch wenig bis nichts bekannt. Für Informationen ist Plum dankbar.

Straelen – Gleich geht es hier um Fußball, Leben und Tod, aber erst mal hat Peter Plum draußen im Garten seines Hauses in der kleinen Straße in Straelen ein bisschen den Tisch gedeckt. Es gibt Streuselkuchen, „Kaffee?“ „Gerne.“ Die Tasse für den Gast trägt die stolze Aufschrift: „Plum’s Kaffee“. Wer aus der Aachener Gegend kommt, weiß Bescheid. „Sehr gut“, lobe ich, „Rösterei aus Aachen!“ Plum freut sich, dass sein kleiner Scherz bemerkt wurde. Ob er sich auskennt mit Aachen und der Alemannia? Ja, schon, sagt er, warum? Na ja, sage ich, und erzähle von einem Onkel, der da gespielt hat – Karl-Heinz Krott, und ob er den kennt? „Ja, sicher“, sagt Plum, und das sei ja lustig: „Darüber hab ich unlängst noch mit einem Kollegen gesprochen, wir waren nicht ganz sicher wegen der Adresse ...“ Mit der Adresse kann ich aushelfen, aber vor allem: Krott lebt noch.

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FC-Spieler: Hornig, Löhr, Hemmersbach, Schäfer, Sturm, Pott

Das ist wichtig zu betonen, denn Plum, im Zivilberuf ein kaufmännischer Berater, pflegt seit Jahren eine dezente Besessenheit: Er führt ein lückenloses Archiv aller verstorbenen Bundesliga-Spieler seit 1963. Warum? Nun, das kam so: Plum ist gebürtig aus Issum, einem Dorf im niederrheinischen Niemandsland zwischen Duisburg, Xanten und Venlo; Eltern und Großeltern kommen aus Mönchengladbach – die fußballerische Orientierung war vorgezeichnet: „Am 3. Januar 1965 war ich zum ersten Mal im Stadion am Bökelberg; ich war elf Jahre alt. Gegner war Viktoria Köln, wir haben 1:0 gewonnen, durch ein Tor von Walter Wimmer.“ Regionalliga West war das; Gladbach schon mit späteren Helden wie Netzer, Rupp und Heynckes und Trainer Hennes Weisweiler. Bei Viktoria spielten die späteren DFB-Granden Erich Ribbeck und Gero Bisanz.

100 Kilometer mit dem Rad zum 1. FC Köln und zurück gefahren

Vater Plum teilte die knospende Fußball-Leidenschaft des Sohnes nicht, erzählt Plum und lacht: „Deshalb bin ich dabei geblieben! Und vor allem habe ich angefangen, Autogramme zu sammeln.“ Oder präziser: „Autogramme, Autogramme, Autogramme!“ Er lacht wieder: „Einmal bin ich mit dem Rad von Issum nach Brüggen gefahren, da war der 1. FC Köln im Trainingslager an der Borner Mühle. 50 Kilometer hin. 50 Kilometer zurück.“ Der FC? Als Gladbacher? „Ach“, sagt er, „die Rivalität zu Köln gab es damals noch nicht; Fortuna Düsseldorf, SV Rheydt oder Alemannia Aachen – das waren die großen Widersacher.“

Was heute Panini-Bilder sind, waren damals die Foto-Serien der Firmen Heinerle und Bergmann, die sammelte man; darauf holte man die Autogramme. Die Klubs waren keine große Hilfe. Der MSV Duisburg (damals Meidericher SV) und der 1.FC Saarbrücken waren Mitte der 60er Jahre die ersten, die Autogramm-Karten hatten und verschickten, erzählt Plum, der FC Bayern und Gladbach kamen Anfang der 70er dazu, der 1. FC Köln noch etwas später.

Ungelöste Fälle

Über einige Spieler ist wenig bis nichts bekannt, nicht einmal das genaue Todesdatum; wenn jemand zu diesen Spielern Informationen hat, freut sichPeter Plum über eine Mail unter:p.plum@t-online.de

Diebel, Roger, 1. FC Nürnberg; verstorben: 1993.Feghelm, Siegbert , Eintr.Frankfurt;verstorben: September 1995.Hoffmann, Stephan, Tennis Borussia Berlin; verstorben: unbekannt.Klein, Manfred, 1. FC Saarbrücken;verstorben: März 2004.Kübert, Fritz, Eintracht Frankfurt;verstorben: September 1997.Reuther, Friedel, 1. FC Saarbrücken; verstorben: 1999.Topalovic, Slobodan (Jugoslawien),1. FC Köln; verstorben: Mai 1994.

Bis dahin musste man die Spieler treffen oder anschreiben. Plum hat viel geschrieben. „Und die Antworten waren so nett oder pampig, jedenfalls bemerkenswert naiv“, sagt er, „wenn man sich das heute vorstellt mit all den Presseagenten, PR-Abteilungen und Managern ...“ Der Aufwand hat sich jedenfalls gelohnt: „Ich habe von jedem Spieler ein Autogramm – aus den ersten 50 Jahren Bundesliga.“ Und so stand irgendwann die Frage im Raum: Was ist aus all den Helden nach ihrer Karriere geworden?

Ungefähr 7000 Spieler haben es bislang in die oberste deutsche Spielklasse geschafft; rund 400 sind inzwischen verstorben. Der erste war Rudi Schmidt, der 1965 für Duisburg gespielt hat und 1966/67 zum FC Bayern gewechselt ist. Plum erzählt: „Gespielt hat er für die Bayern aber nicht, weil er im Trainingslager vor der Saison am Ammersee nach einem Fest auf dem Heimweg tödlich verunglückt ist. Das war eine große Sache damals.“

Ein Fußballspieler starb an Katzenbiss

Plum kennt sie fast alle und ihre Geschichten; Trinklein, Breitzke, Clute-Simon oder Georg Bosbach vom 1.FC Köln – kein Spiel für den Klub gemacht, 13. September 1973 gestorben in der Eifel; all diese Andenken hält Plum in seinem Keller in Ehren. Hier stehen ein Fitness-Rad, ein Schreibtisch mit Computer und klug im Raum verteilte Regale – Meter um Meter um Meter. Fachliteratur, Bücher, Magazine, Hefte, Archivmappen mit Zeitungsausschnitten und Fotos. Hier verwaltet Plum die Autogramme der Lebenden und die Geschichten der Toten – sein Archiv ist ihr Denkmal.

Es gibt seltsame Geschichten. Zum Beispiel Jürgen Linder von Tasmania Berlin – er starb 1967 an den Folgen eines Katzenbisses, den er sich bei einem Einsatz als Feuerwehrmann zugezogen hat. „Das wäre das gefragteste Autogramm überhaupt“, sagt Plum, „es gibt keine Sammelbilder von ihm, überhaupt keine Fotos, keine Autogramme, jüngst ist er auf einem Mannschaftsbild entdeckt worden, aber sonst ...“

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Säuberlich aufgereiht: die Akten der verstorbenen Spieler

Manche Spieler, erzählt er, haben alle Fehler dieser Welt gemacht, ihr Geld in kürzester Zeit verpulvert, manche waren Zocker und sind völlig verarmt, manche sind im Knast gelandet. „Erstaunlich viele sterben auf dem Tennisplatz“, sagt Plum. Und manche Geschichten sind sehr groß. Zum Beispiel die von Vladimir Durkovic, einem der überragenden Verteidiger für Jugoslawien bei der WM 1962; Weltauswahl-Spieler. Er durfte mit 30 Jahren in den Westen und kam in der Saison 1966/67 nach Gladbach zur Borussia. Spieler aus dem Ausland – das war damals was Besonderes.

Trainer Weisweiler war allerdings nicht beeindruckt; nach nur einer Saison und zehn Spielen für die Borussia ging Durkovic nach St. Etienne, wo heute eine Straße nach ihm benannt ist. 1971 wechselte Durkovic zum FC Sion in die Schweiz, wo er 1972 vor dem Nachtclub „La Matze“ von einem angetrunkenen Polizisten erschossen wurde. Plum hat die Geschichte aufgeschrieben für ein Buch über Gladbacher „Legenden“. „Der Polizist ist nach sieben Jahren aus dem Gefängnis gekommen“, sagt er, „ich hab’ seine Telefonnummer.“ Er lacht, natürlich hat er die.

Im Internet recherchiert es sich leichter

Ein anderes Beispiel ist Peter Woldmann, von 1963 bis 1965 beim Hamburger SV, gestorben am 1. Oktober 2003. „Den hatte ich immer angeschrieben“, sagt Plum, „irgendwann hat er nicht mehr geantwortet.“ So nehmen einige der Geschichten ihren Anfang. Wenn das der Fall ist, beginnen Plum und ein paar befreundete Sammler – es gibt da ein kleines Netzwerk – zu recherchieren. „Der HSV wusste nicht, dass der Spieler verstorben ist“, sagt Plum, „also habe ich die Friedhofsverwaltung angerufen – und da bin ich tatsächlich fündig geworden!“ Heute, in Zeiten des Datenschutzes, ist das nicht mehr so einfach.

Und ja, das Internet. Da lässt sich manches leichter recherchieren, sagt Plum. Es gibt ein paar Homepages mit den Todesdaten von Berühmten. Aber nicht jeder Ex-Fußballer ist berühmt – „und auch in Zeiten des Internets gibt es nicht alle Informationen online.“ Da muss man recherchieren.Dann holt er die Mappe von Alemannia Aachen. Wir blättern ein bisschen in den Autogrammen: „Da, Ihr Onkel.“ Die Bilder kenne ich alle, die hatte ich als Kind. Karl-Heinz Krott, 50 Spiele, 10 Tore. Und noch ziemlich quicklebendig.