Bayer 04Florian Wirtz will die größten Titel, bleibt aber (noch) in Leverkusen
Leverkusen – Am vergangenen Samstag prangte das Gesicht von Florian Wirtz groß auf der Titelseite der „Marca“, Spaniens führender Sportzeitung. Der 18-Jährige aus Brauweiler wurde mit weiteren Juwelen des Weltfußballs als „auf dem Radar“ von Real Madrid aufgeführt. Als ein möglicher Eckpfeiler der weiter schillernden Zukunft des größten Sportvereins des Planeten. „Das habe ich gar nicht mitbekommen“, sagt Wirtz, leicht lächelnd, am Mittwoch in einer Gesprächsrunde in der Bay-Arena. Bei allen Gerüchten um seine Person auf dem Laufenden zu bleiben, wäre auch ein Vollzeitjob für den Hochbegabten von Bayer 04 Leverkusen.
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„Mein Vertrag läuft noch bis 2026. Ich denke im Moment an nichts anderes, als auf dem Platz meine Leistung zu bringen. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen“, lautet Wirtz’ – vermutlich so mit dem Verein abgestimmte – Antwort auf alle Fragen mit den Signalwörtern „Zukunft“, „Vertrag“ und „Wechsel“. Der Regisseur von Bayer 04 und womöglich kommende Superstar des deutschen Fußballs spricht eher selten in der Öffentlichkeit. Zunächst will der Werksklub den 18-Jährigen schützen. Vor zu viel Druck von außen und auch vor sich selbst. Jeder kleine Nebensatz könnte als Öl für die brodelnde Gerüchteküche dienen.
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Nicht mehr als nötig in der Öffentlichkeit
Florian Wirtz ist zudem niemand, der die Öffentlichkeit auf diesem Weg sucht. „Ab und zu, wenn ich auf Instagram bin oder Leute mir was schicken, dann bekomme ich natürlich mit, dass über mich geredet wird oder es Gerüchte gibt“, sagt Wirtz, der in keiner Antwort ausschweift und kein anderes als das zuletzt angesprochene Thema aufgreift. Immer wieder scheint sich Wirtz mit kurzen Blicken in Richtung Pressesprecher Dirk Mesch zu versichern, ob alles Gesagte seine Richtigkeit habe. Nicht mehr als nötig, lautet die Devise von Florian Wirtz – konträr zu seinen spektakulären Leistungen auf dem Rasen.
Als jüngstes von zehn Geschwistern (fünf Brüder, fünf Schwestern) wuchs Wirtz in Brauweiler auf und wechselte 2010 in die Nachwuchsabteilung des großen Kölner Nachbarn. Beim FC wurde die außergewöhnliche Begabung des Angreifers schnell erkannt. Höhepunkt im Juniorenbereich war der Gewinn der B-Jugend-Meisterschaft im Juni 2019 gegen Favorit Borussia Dortmund. Doch es folgte eine Verkettung von Fehlern und Versäumnissen diverser Verantwortlicher, die zu einem der schwärzesten Kapitel der jüngeren Kölner Vereinsgeschichte führten: Anfang 2020, sechs Monate nach dem Titelgewinn, verließ Wirtz den FC. Ein Talent, wie es vielleicht nur einmal im Jahrzehnt im Land auftaucht, war weg. Dazu mögliche künftige Transfereinnahmen in Millionenhöhe. Man hatte die Ambitionen des Spielers fatal unterschätzt. Bayer 04 musste nur noch zugreifen – und zeigte von allerhöchster Stelle den gewünschten, direkten Weg in die Bundesliga auf.
„Der Wechsel ist natürlich nicht ganz spurlos an mir vorbeigegangen. Aber ich habe an meine fußballerische Zukunft gedacht und bereue keine Entscheidung, die ich bislang getroffen habe“, sagt Wirtz. „Leverkusen hat sich sehr um mich bemüht. Ich habe bei Trainer Peter Bosz das Gefühl gehabt, dass er der Richtige ist. Dieses Gefühl hat sich bestätigt. Ich habe bei Leverkusen eine bessere Perspektive für mich gesehen als in Köln.“ Ein Schlechtes Wort über den FC fällt nicht, Wirtz bedankt sich bei „vielen Leuten, die Gutes wollten für meinen fußballerischen Weg“.
Bayer 04 ist auf die Qualitäten von Wirtz angewiesen
Wirtz’ Entwicklung in den zwei Jahren nach dem Rheinseiten-Wechsel ist an diversen Bestmarken abzulesen: Jüngster Bundesliga-Profi mit 50 Einsätzen, viertjüngster Spieler beim Debüt, zweitjüngster Torschütze. Auf beeindruckende 37 Scorerpunkte in 71 Partien für Bayer 04 hat es der Teenager mittlerweile gebracht. Dazu ist er ein Bestandteil der Nationalmannschaft. „Ich habe mir keine genauen Gedanken gemacht, wie schnell es gehen soll. Ich hatte ein Ziel: Stammspieler in Leverkusen. Dass es so schnell gegangen ist, ist schön für mich. Und alle, die sich für mich freuen“, sagt Wirtz.
Ohne seinen Regisseur ist Bayer 04 inzwischen in der Regel eine Klasse schlechter. Die schnellen, wunderbar eleganten Bewegungen sind in Kombination mit Torgefahr und technischen Fähigkeiten einzigartig für einen Fußballer seines Alters in Deutschland. Gerade im letzten Jahr hatte er auch körperlich noch einmal zugelegt und damit auch die letzte Anmutung eines Jugendspielers verloren – noch immer wäre Wirtz in der U19 spielberechtigt. Druck macht er sich deswegen nicht. Wohl vor allem, weil er in Moussa Diaby und Patrik Schick zwei Ausnahme-Stürmer an seiner Seite weiß. Jedoch glänzen auch sie erst richtig, wenn Wirtz sie in Szene setzt. Dennoch sagt er: „Ich glaube nicht, dass die Leistung der Mannschaft nur an mir hängt.“
Den Ursprung seiner Leichtigkeit am Ball kennt Wirtz nach eigener Aussage nicht: „Ich weiß nicht, woran es liegt, dass es so aussieht. Ich bekomme es oft gesagt.“ Auch er verspüre zu Beginn eines Spiels Nervosität, „aber wenn ein paar Pässe gespielt sind, dann ist sie weg“. Einmal in diesem Tunnel angekommen, ist Wirtz nur schwer zu stoppen. „Ich versuche, meine Ideen so gut es geht auf dem Platz umzusetzen. Dass es leicht, locker und befreit aussieht, liegt wohl einfach an meiner Spielart und daran, wie ich mich bewege“, sagt er, bevor eine Art Geständnis folgt: „Ich mache mir natürlich auch Gedanken, wenn Gegenspieler auf mich zukommen.“ Doch kann Wirtz diese Gedanken in präzise fußballerischen Lösungen umsetzen, dass die Gegenspieler meist ins Leere laufen. Auch dank dieser Fähigkeiten ist Bayer 04 Tabellendritter und aktuell auf gutem Weg, sein größtes Saisonziel, die Champions League, zu erreichen.
Wirtz bleibt mindestens bis 2023 in Leverkusen
Einen kurzen Einblick in Wirtz’ persönliche Pläne für die Zukunft und nach Bayer 04 gibt es nur einmal. „Ich würde schon gerne die Champions League gewinnen. Was auch schön ist, wäre Weltmeister zu werden. Das sind die höchsten Ziele, die man als Fußballer haben kann. Und es sind meine allergrößten“, sagt er. Für einen Triumph in der Königsklasse wäre ein Schritt weg von der Werkself mit großer Wahrscheinlichkeit eine Grundvoraussetzung.
Doch noch fühlt sich Wirtz wohl in Leverkusen. Familie und Freunde sind in der Nähe, die Harmonie in der Mannschaft stimmt. „Ich treffe mich oft mit meinen Freunden. Oder ich spiele Playstation. Zu meinen Eltern gehe ich auch ab und zu, fahre öfter in Brauweiler vorbei. Ich bin eigentlich ganz zufrieden mit meinem Leben“, berichtet Wirtz von seiner Zeit abseits des Platzes. Bis mindestens zum Sommer 2023 wird der Hochbegabte wohl noch bei Bayer 04 bleiben, diese mündliche Vereinbarung mit der sportlichen Leitung gibt es.
Erst dann könnte es weitere Titelseiten zu Real Madrid geben. Oder Manchester City. Oder Paris Saint-Germain. Oder dem FC Bayern.