Zuletzt hatten Nachwuchsspieler kaum Aussichten auf Einsätze bei den Profis. Es fehlte die Qualität.
Nur eine Einsatzminute für EigengewächseFlaute im Nachwuchs von Bayer 04 – Doch ein Jahrgang macht Hoffnung
Die Eckdaten der Nachwuchsabteilung von Bayer 04 sind auf den ersten Blick einigermaßen ernüchternd. Im derzeit 28 Profis starken Bundesliga-Kader des Werksklubs haben drei Spieler eine Vergangenheit in der Leverkusener Jugend: Niklas Lomb, die 29 Jahre alte Nummer drei im Tor, Ayman Azhil (21) sowie Joshua Eze (19). Gemeinsam kommt das Trio in der laufenden Bundesliga-Saison auf eine Einsatzminute.
Florian Wirtz wertet diese Statistik zwar auf, wurde aber hauptsächlich vom 1. FC Köln ausgebildet – der auch ohne das Supertalent das ligaweite Ranking zusammen mit Mainz (je elf Eigengewächse) anführt. Vergleichbar schlecht wie in Leverkusen ist die Bilanz nur bei RB Leipzig, Bochum, Augsburg und Union Berlin.
Thomas Eichin ist zuversichtlich
Thomas Eichin, einst Manager der Kölner Haie und seit Sommer 2020 Leiter von Leverkusens Nachwuchsabteilung, ist sich der Situation bewusst, gibt sich im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ aber betont zuversichtlich. „Dass es zuletzt kein Spieler aus unserem Nachwuchs dauerhaft zu den Profis geschafft hat, frustriert mich nicht. Ich bin hier angetreten, um die Voraussetzungen dafür zu verbessern. Aber es ist kein Sprint, es ist ein Marathon – und am Ende auch nicht zu 100 Prozent planbar“, sagt der 56-Jährige. „Es ist unser Ziel, dass Spieler, die bei Bayer 04 ausgebildet werden, im Profifußball ankommen – am besten natürlich bei uns in Leverkusen.“ Der Klub suche Spieler mit großer Qualität. „Die braucht es, um es bei unseren Profis zu schaffen.“
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In der aktuellen U19 gibt es diese Qualität nicht, wie auch in vielen vorherigen Jahrgängen. In der A-Junioren-Bundesliga West belegt der Werksklub nach elf von 15 Spieltagen Platz vier, deutlich abgeschlagen hinter Köln, Dortmund und Schalke. Schon in der vergangenen Saison hatte Bayer 04 die bundesweite Endrunde der besten deutschen Nachwuchsteams verpasst, das droht Leverkusen 2023 erneut. Im aktuellen Junioren-DFB-Pokal war im Achtelfinale Schluss. In der Youth League, der Nachwuchsversion der Champions League, war Bayer 04 in der Gruppenphase gegen Atlético, den FC Porto und den FC Brügge punktlos und mit 3:18 Toren ausgeschieden.
Andere Voraussetzungen im Rest Europas
Nachwuchschef Eichin will die Qualität des Nachwuchses aber nicht an Ergebnissen oder Tabellenplätzen festmachen, „sondern daran, wie viele Spieler letztlich den Weg in den Profifußball schaffen.“ Das schlechte Abschneiden in der Youth League müsse eingeordnet werden. „Unsere Gegner hatten ganz andere Voraussetzungen. In Belgien, Spanien und Portugal richten sich die Schulen komplett nach den Trainingszeiten der Vereine. Anders als bei uns. Wir unterliegen anderen Voraussetzungen und legen sehr viel Wert auf eine gute Schulbildung für den Fall, dass es mit der Profikarriere nichts wird.“ Die U-19-Teams aus anderen Ländern „spielen quasi unter Profibedingungen, das System ist für die Bundesliga ein Nachteil, da sind wir weit von weg“, sagt Eichin.
Leverkusen hatte die qualitativen Defizite seiner Jahrgänge 2004 und 2005 dennoch erkannt und versucht, mit den Verpflichtungen von ausländischen Talenten gegenzusteuern. So wurden 2021 und 2022 unter anderem Iker Bravo (FC Barcelona), Zidan Sertdemir (Nordsjaelland), Roy Steur (Amsterdam) und Jardell Kanga (Brommapojkarna) nach Leverkusen gelotst – allesamt in ihrer Heimat hochgehandelte Nachwuchsspieler, umgarnt von vielen Großklubs. Bayer 04 setzte sich im Werben durch. Die Jungstars aus verschiedenen Gründen später jedoch nicht in Leverkusen.
Bayer 04 Leverkusen meldete Zweitvertretung 2014 ab
Während Spieler wie Kai Havertz oder Florian Wirtz dank ihres Ausnahmetalentes der Sprung aus der U17 zu den Profis mehr oder weniger mühelos gelang, ist für die meisten A-Jugendlichen der direkte Schritt in den Erwachsenenfußball zu groß. Bayer 04 kann diesen Spielern nicht den Umweg über eine U23 anbieten – der Werksklub hatte seine Zweitvertretung 2014 abgemeldet. Um Talente aus der U17 und U19 schneller an den Bundesliga-Kader heranzuführen, wie es damals unter Geschäftsführer Michael Schade hieß. Bei Havertz und Wirtz ging der Plan auf – obwohl die beiden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein Regionalliga-Team übersprungen hätten, wäre eines vorhanden gewesen.
So bleiben dem Leverkusener Nachwuchs nur Leihgeschäfte. Verteidiger Sadik Fofana (19) spielt noch für eineinhalb Jahre in Nürnberg. Zum Club hatte Bayer 04 auch den Kolumbianer Gustavo Puerta (19) direkt nach seiner Verpflichtung aus Bogota verliehen. Stürmer Bravo läuft bis Sommer für die Reserve von Real Madrid auf, der Spanier wollte aus persönlichen Gründen zurück in die Heimat. An Sertdemir, der für eine Million Euro zurück zu seinem dänischen Heimatklub wechselte, hat sich Bayer die Transferrechte sowie eine Rückkaufoption gesichert.
Leverkusen hofft bei seinen Talenten vor allem auf eine externe sportliche Entwicklung, gefolgt von einer Rückkehr oder einem gewinnbringenden Verkauf. „Iker ist nach wie vor ein Spieler von Bayer 04. Und mit Zidan habe ich erst gestern telefoniert und ihm gesagt, dass er eines Tages vielleicht wieder hier in der Bay-Arena spielen wird“, sagt Leverkusens Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes.
Dominik Kohr als Beispiel
Doch Bayer 04 möchte die Voraussetzungen schaffen, dass es mehr Spieler auf direktem Weg zu den Profis schaffen. Nicht nur die Kaliber Havertz und Wirtz, mit denen man nicht planen kann. Sondern Fußballer der Kategorie Dominik Kohr. Der Mittelfeldspieler wurde bei Bayer 04 ausgebildet, später abgegeben und hat mittlerweile 233 Bundesliga-Spiele absolviert. „Die Änderungen müssen bei den jüngeren Jahrgängen anfangen. Dort müssen wir die Spieler widerstandsfähiger machen“, sagt Eichin. Basisarbeit ist wichtig, ein Verhätscheln darf es nicht mehr geben. „Vieles haben wir in den letzten Jahren schon vorangetrieben. Aber wir müssen weiter Gas geben“, sagt Rolfes. Hoffnung macht der 2007er-Jahrgang, die B-Jugend von Bayer 04. „Da bin ich optimistisch“, sagt Eichin. „Von den 21 Spielern beim letzten DFB-Lehrgang kamen sechs von uns.“