Leverkusen – Die wichtigste Nachricht der Woche hatte sich Bayer 04 Leverkusen als eine Art Weihnachtsgeschenk für seine Anhänger aufgehoben. Überraschend kam sie nicht mehr. Der Wert dieser News kann durch ihre Vorhersehbarkeit jedoch nicht geschmälert werden. Florian Wirtz (17) hat seinen Vertrag beim Werksklub bis Juni 2023 verlängert. Wenn es möglich gewesen wäre, hätten die Leverkusener ihm auch einen Vertrag bis 2040 gegeben, dann wäre Wirtz 37 Jahre alt. Immer noch im fußballfähigen Alter. Die Jugendparagrafen des Deutschen Fußball-Bundes erlauben in seinem Fall allerdings maximal eine Bindung an den Klub in Form eines Ausbildungsvertrages für die nächsten zweieinhalb Jahre. Man darf davon ausgehen, dass der Anschlussvertrag bereits ausgehandelt in der Schublade liegt.
Knapp ein Jahr nach seinem spektakulären Wechsel von der Ausbildungszentrale des 1. FC Köln zum Konkurrenten auf der anderen Rheinseite ist Wirtz eine der größten Sensationen der Bundesliga geworden. Die anglizistische Modephrase, dass einer die Welt mit seinen Leistungen „schockt“, darf bei ihm wörtlich genommen werden. Im Drei-Tage-Rhythmus reißt der Gymnasiast aus Pulheim-Brauweiler Spiele auf höchstem Niveau an sich, wirft sich in Zweikämpfe, will jeden Ball, gräbt mit Langsprints in alle Richtungen Furchen in das Spielfeld. Dazu kommt die Überbegabung mit dem Ball, der Blick für den Raum, Kaltschnäuzigkeit im Abschluss. Ein Horizont, ein Limit, ist bei ihm nicht zu erkennen. Trainer Peter Bosz hat in diesen Tagen erklärt, er verzichte darauf, mit diesem Naturtalent viel über Details des Spiels zu sprechen. „Da mache ich ihn nur schlechter.“
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Die Verlängerung des ersten Vertrages, der 2022 ausgelaufen wäre, wurde vom Werksklub mit Lobeshymnen begleitet. „Florian hat unsere ohnehin großen Erwartungen in seinem ersten Jahr bei den Profis schon weit übertroffen“, sagt Bayer 04-Sportgeschäftsführer Rudi Völler. „Wie selbstbewusst er in der Bundesliga und auf internationalem Parkett in der Europa League aufgetreten ist, war beeindruckend. Wenn er so weiterarbeitet und seine Entwicklung in dieser Form vorantreibt, wird Florian mit Sicherheit eine tolle Karriere machen.“
Der Verzicht auf öffentliche Äußerungen im Alltag ist das Einzige, was Florian Wirtz noch von einem normalen Fußball-Star unterscheidet. Zu seiner Vertragsunterschrift erklärte er auf der Homepage des Klubs, seine „schnelle Integration in einen absoluten Top-Kader“ sei eine „fantastische Motivation“ gewesen. „Wie mich das Trainerteam und die Mannschaft hier aufgenommen haben und wie sich die Klubführung um mich kümmert – das alles ist total imponierend. Ich spiele hier in einer super Truppe und glaube fest daran, dass wir zusammen etwas gewinnen können.“
Florian Wirtz hat seit seinem Debüt im Auswärtsspiel bei Werder Bremen am 18. Mai in drei Wettbewerben 27 Spiele absolviert, dabei sechs Tore erzielt und fünf vorbereitet. In der laufenden Saison hat er in zwölf Bundesliga-Einsätzen sechs Scorerpunkte zum Gesamterfolg des Tabellenzweiten beigetragen. Die Umstände seines Wechsels im Januar 2020 sind weiterhin Gegenstand von Spekulationen. Zehn Jahre lang hatte der Junge aus Brauweiler in den Nachwuchsmannschaften des FC überragende Leistungen gezeigt. Im Sommer 2019 hat er als jüngerer Jahrgang die B-Junioren des FC gegen das favorisierte Dortmunder Team mit Jung-Star Youssoufa Moukoko zum Deutschen Meistertitel geführt. Die Familie Wirtz gilt als bodenständig und vernünftig. Dennoch befand sie sich am Ende des Jahres in ernsthaften Verhandlungen mit Spitzenklubs wie Bayern München, Hoffenheim, Mönchengladbach und schließlich auch Bayer 04 Leverkusen. So hat der Werksklub den damals 16-Jährigen verpflichtet, obwohl zwischen den Vereinen ein Agreement bestand, sich keine Jugendspieler wegzunehmen. Die Entscheidung des Hauses Wirtz gegen Köln schien unumstößlich gewesen zu sein. Es war offenbar nur noch die Frage, in welche Richtung Florian Wirtz den FC verlässt.
Vor dem hart und glücklich erkämpften 2:1-Sieg über die bis dahin ungeschlagene Werkself vergangenen Samstag schwärmte Bayern-Trainer Hansi Flick: „Mit Florian Wirtz ist Leverkusen ein ganz großer Fang gelungen. Er gefällt mir. Er ist sehr reif für sein Alter. Sie haben es sehr gut gemacht, indem sie ihn auf die andere Rheinseite gelockt haben.“ Zwischen den Worten stand die Enttäuschung, diesen Spieler trotz wuchtigen Werbens nicht selbst bekommen zu haben.
Bayer-04-Sportdirektor Simon Rolfes, der vergangene Woche schon die langfristige Vertragsverlängerungen mit Abwehrspieler Edmond Tapsoba (bis 2026) und Außenstürmer Moussa Diaby (2025) verkündete, bastelt weiter am Team der Zukunft. „Schon jetzt ist Flo ein wichtiger Faktor in unserer Mannschaft. Ich freue mich sehr auf die kommenden Jahre mit ihm.“ Die Zwischenergebnisse stimmen ihn optimistisch. „Wir sind nicht nur Bundesliga-Zweiter nach 13 Spieltagen dieser Saison“, sagt Rolfes, „wir sind auch die zweitbeste Mannschaft des Kalenderjahres gewesen. Das ist für mich noch mehr wert, denn das zeigt, dass hier eine Entwicklung im Gange ist.“