Leverkusen – Ein schneller Doppelpass mit Florian Wirtz, ein kurzer Sprint, ein strammer Rechtsschuss genau über den Kopf von Torhüter Stefan Ortega. Leon Baileys 1:0 beim 2:1-Sieg von Bayer 04 Leverkusen am Samstag in Bielefeld war ein für den Jamaikaner typischer Treffer: Technisch anspruchsvoll, doch dank der optimalen Ausführung scheinbar kinderleicht. „Wir haben eine gute Kommunikation auf dem Platz und sind füreinander da, auf und neben dem Feld“, sagte Bailey.
Die Kombination aus dieser Leichtfüßigkeit, seiner lange nicht gezeigten Effektivität und seiner noch länger nicht gezeigten Professionalität ist eine herausragende Nachricht für Bayer 04. Leon Bailey ist auf bestem Weg dorthin, wo er sich zuletzt rund um den Jahreswechsel 2017/18 befunden hatte: zur Schwelle zum internationalen Topspieler.
Baileys zwielichtiger Stiefvater
Von September bis Februar hatte der Flügelstürmer nach Belieben Tore geschossen, aus allen erdenklichen Positionen, egal wie der Gegner hieß. Als Kai Havertz gerade Fuß fasste in der Bundesliga, war Bailey scheinbar bereits auf dem Weg an die Spitze und – der Leverkusener Transfer-Logik folgend – zu einem internationalen Topverein. Dieses Selbstverständnis hatte sich schnell in Baileys Auftreten eingebrannt. Und war Grundlage allen Denkens von Baileys etwas zwielichtigem Stiefvater und Berater Craig Butler: Schneller, höher, teurer.
Doch stagnierte die Entwicklung Baileys nach der Saison 2017/18. Die Leistungen wurden schlechter, die Fehltritte abseits des Rasens häuften sich. So weigerte er sich im Herbst 2018 beispielsweise, für sein Heimatland Jamaika aufzulaufen, sollte sein Halbbruder Kyle Butler nicht auch nominiert werden. Die mangelnde Disziplin verdrängte die fulminante Abschlussqualität als Baileys Markenzeichen. Im November und Dezember 2019 gelang ihm das Kunststück, gleich zwei Platzverweise in Derbys mit Bayer 04 zu kassieren. Zunächst in der Schlussminute beim 1:2 gegen Gladbach wegen Nachtretens, einen Monat später wegen einer Tätlichkeit beim 0:2 gegen den 1.FC Köln.
Von Diaby und Wirtz überholt
Der Jamaikaner glänzte nur noch in Ausnahmefällen, er war am Tiefpunkt angekommen. Die Auftritte seiner Entourage sorgten bei den Bayer-04-Verantwortlichen zunehmend für Ärger. Links und rechts wurde Bailey von Jungstars wie Moussa Diaby und Florian Wirtz überholt. Im Sommer 2020 war er ein Verkaufskandidat. „Die Zeit ist reif“, hatte Butler gesagt, Baileys Stiefvater hätte ihn gerne in England spielen und noch mehr Geld verdienen sehen. Doch brachte die Corona-Krise den Transfermarkt ins Wanken, der Wechsel in die Premier League blieb ein Wunschdenken.
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Nach den Abgängen von Kai Havertz und Kevin Volland sowie der geplatzten Verpflichtung von Milot Rashica wäre im Sommer ein Leon Bailey in Topform für Leverkusen Gold wert gewesen. Doch war diese Vorstellung anfangs nur ein kühner Traum. Denn während sich die Werkself in der kurzen Sommervorbereitung auf die neue Saison einstellte, musste Bailey in Jamaika nach der Geburtstagsparty von Sprint-Ikone Usain Bolt, die sich zu einem Corona-Superspreading-Event entwickelte, eine zweiwöchige Quarantäne absitzen. Bailey verpasste den Saisonstart und musste zum wiederholten Male zum Rapport.
Acht Scorerpunkte in zehn Partien
Erstmals seit langer Zeit drangen die Worte nun aber durch zum Leverkusener Profi. Anders ist die Entwicklung Baileys seit Oktober nicht zu erklären. Er trifft nicht nur zuverlässig und bereitet vor, acht Scorerpunkte in zehn Partien – Bailey sieht sich auch als Teil des Defensivverbundes, geht weite Wege und arbeitet klug gegen den Ball. Im Angriff trifft er ebenfalls viel bessere Entscheidungen als in der Vergangenheit. „Leon steigert sich von Woche zu Woche, ich bin sehr zufrieden mit ihm“, lobte Trainer Peter Bosz zuletzt. Der Niederländer hatte Bailey zuletzt wieder auf dem rechten Flügel eingesetzt, seiner erklärten Lieblingsposition. „Ich habe ihm klar gesagt, dass er, wenn ich ihn dort aufstelle, seine Chance auch nutzen muss“, so Bosz.
Im anstehenden Europa-League-Heimspiel gegen Hapoel Be’er Sheva am Donnerstag (21 Uhr/Dazn) könnte diese Entwicklung fortgeführt werden. In Israel hatte Bailey beim 4:2 doppelt getroffen und das Spiel gedreht.