Vor dem Topspiel gegen den FC Bayern sprechen die Bayer-04-Bosse über den Leverkusener Aufschwung sowie die Zukunft von Florian Wirtz und Xabi Alonso.
Fernando Carro und Simon Rolfes„Selbst in Köln gehen die Kinder auch mit Leverkusen-Trikots in die Schule“
Herr Carro, Herr Rolfes, wenn Sie die Meisterschale und den DFB-Pokal so sehen und in den Händen halten, ist es immer noch etwas Besonderes, oder haben Sie sich schon daran gewöhnt?
Simon Rolfes: Es ist immer noch total besonders. Die Meisterschale und auch der Pokal, das sind für mich Kindheitsträume gewesen. Als ich aufgewachsen bin, habe ich diese Trophäen mit großen Augen vorm Fernseher gesehen. Es ist immer wieder schön, sie jetzt so nah zu sehen und auch zu merken, dass wir etwas Außergewöhnliches geschafft haben. Das ist auch für mich immer wieder ein Gänsehautmoment.
Fernando Carro: Fußball bedeutet Emotionen. Natürlich ist man immer ehrgeizig und will so viel wie möglich erreichen, aber das Schönste ist, so viele Leute glücklich gemacht zu haben. Damit werden wir immer wieder konfrontiert. Da ist sehr erfüllend, ein wahnsinniges Glücksgefühl. Das wird uns unser ganzes Leben lang begleiten.
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Ist dieser Erfolg auch ein bisschen Hypothek für diese Saison?
Rolfes: Die Erwartungshaltung im Sport ist häufig, dass man immer einen oben draufsetzt. Deswegen ist das Managen von Erwartungen wichtig. Denn es geht immer wieder von vorne los, man muss sich die Dinge erarbeiten. Dieses Mindset reinzubekommen, ist unsere Aufgabe. Wir machen gute Schritte, das Selbstvertrauen mitzunehmen und wieder neue Ziele anzusteuern. Diese Lust auf das Neue ist etwas ganz Wichtiges. Das spüre ich bei den Jungs.
Wie funktioniert die Zielsetzung nach so einer Saison?
Rolfes: Ich halte nichts davon, jedes Jahr die Saisonziele anzupassen. Wir haben eine klare Richtung als Verein: Wir wollen Top-4-Verein in Deutschland und Top-16-Verein in Europa sein. Das ist die Zielsetzung, die immer bleibt, auch wenn es mal eine schlechtere Saison geben sollte. Genauso bleibt sie nach der vergangenen Spielzeit. Top-4 schließt ja auch Platz eins mit ein.
Wie bewerten Sie den Start in die Saison?
Rolfes: Wir haben von sechs Spielen fünf gewonnen. Das ist ein guter Start. Wir haben gezeigt, dass wir offensiv als Mannschaft eine große Qualität haben, defensiv haben wir das noch nicht gezeigt. Die defensive Stabilität müssen wir zurückgewinnen. Das wird entscheidend für eine erfolgreiche Saison sein.
Am zweiten Spieltag gab es gegen Leipzig die erste Liganiederlage seit mehr als einem Jahr. Was hat das mit der Mannschaft gemacht?
Rolfes: Grundsätzlich gilt im Fußball: The trend is your friend. Wenn du einen positiven Lauf hast, musst du ihn weiter ankurbeln. Der Lauf in die andere Richtung ist gefährlich. Aber bei uns ist keiner so naiv gewesen, dass wir geglaubt haben, kein Spiel zu verlieren. Diese eine Niederlage hat aber nichts an unserem Selbstvertrauen geändert.
Herr Carro, Sie waren im Rahmen der Trophy Tour zuletzt in New York. Wie lautet das Feedback zu Bayer 04 und der Bundesliga im Ausland?
Carro: Es ist schon Wahnsinn, wie viele Menschen auch im Ausland unsere vergangene Saison mitverfolgt haben. Fußball bewegt die Menschen, auch und vor allem letztes Jahr der deutsche Fußball. Alle, die wir treffen, wünschen sich eine spannende Bundesliga. Nicht nur wir als Verein haben einen großen Sprung gemacht, sondern auch die Liga selbst profitiert letztlich von einem anderen Meister als Bayern München. Mit unserem Erfolg haben wir einen großen Beitrag für die internationale Wahrnehmung der Bundesliga geleistet, ich hoffe, ich darf das so selbstbewusst sagen. Jetzt ist es unser Anspruch, dieses Level zu halten und weiter für einen echten Wettbewerb unter den Klubs sorgen zu können.
In den vergangenen Wochen machen die Bayern aber gerade viel Eindruck, wirken wütend, stehen drei Punkte vor Bayer 04. Bleibt die Bundesliga also wirklich spannend?
Rolfes: Wir ordnen uns weiter da oben ein. Die vier, fünf dominierenden Mannschaften aus dem vergangenen Jahr zeigen auch jetzt mit dem Start, dass sie sich wieder oben versammeln und die Qualität haben, um den Titel zu spielen. Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Jahren in der Bundesliga einen harten Kampf um die Meisterschaft geben wird. Dass wir es geschafft haben, diese Serie von Bayern München zu durchbrechen, setzt mit Sicherheit auch bei anderen Klubs den Glauben frei, das schaffen zu können.
War die Haltung der anderen Klubs in den Jahren zuvor vielleicht etwas zu devot den Bayern gegenüber?
Rolfes: Die Bayern hatten natürlich über viele Jahre mit Abstand den besten Kader, haben viele Sachen sehr gut gemacht und waren in der Lage, 80 Punkte plus zu machen. Uns ist klar: Du musst selbst in der Lage sein, über 80 Punkte zu machen, dann kannst du dir Hoffnung machen, Deutscher Meister zu werden. Wenn du 60, 65, 68 Punkte machst, dann bist du in der Champions League, aber du wirst nicht im Meisterschaftsrennen dabei sein. Es geht darum, die eigene Stärke zu entwickeln, daran zu glauben, so viele Punkte zu machen.
Carro: Ich weiß nicht, ob man von devot sprechen kann. Bei uns wird jedenfalls keine devote Haltung akzeptiert. Ich glaube auch, dass Leipzig nicht devot ist. Dortmund auch nicht, die waren ja 2023 kurz davor, die Bayern zu knacken.
Die Bayern haben im vergangenen Transferfenster knapp 150 Millionen Euro ausgegeben, Sie rund um die 50 Millionen Euro. Wie lange lässt sich diese Kluft kompensieren?
Rolfes: Wenn man die Tabelle sieht, sind natürlich die Mannschaften weiter vorne, die größere Etats haben. Wir versuchen innerhalb unserer Möglichkeiten alles auszureizen und möglichst effizient und optimal mit unseren Budgets umzugehen. Wir wollen mehr herausholen, als vielleicht erwartbar wäre.
Müssten für eine richtig spannende Bundesliga dann nicht die TV-Gelder anders verteilt werden?
Carro: Leistung soll sich auszahlen. Man kann das nicht anders lösen. Dies wäre weder gerecht, noch würde es etwas bringen oder für mehr Spannung sorgen. Unter den gegebenen Umständen ist die aktuelle Verteilung die beste Lösung. Wir haben bereits 50 Prozent Gleichverteilung. Das ist schon sehr viel. Und damit sollten wir alle leben können.
Im Geld-Wettrüsten international mitzuhalten, könnte aber schwierig werden: Der Tabellenletzte der englischen Premier League erhält schließlich mehr TV-Geld als der Deutsche Meister.
Carro: Das gefällt uns auf jeden Fall nicht. Das ist ein Problem. Ich kann mich erinnern: Wir haben vor ein paar Jahren einen Spieler nicht bekommen, weil wir nicht bereit waren, mehr zu zahlen als ein Aufsteiger in die Premier League. Und wenn der in der Lage ist, einem Top-Vier-Verein aus Deutschland wie Bayer 04 aus finanziellen Gründen einen Spieler wegzuschnappen, dann ist das eine große Herausforderung. Wir müssen uns schließlich in diesem Markt mit diesen Mitkonkurrenten bewegen.
Also muss sich etwas ändern?
Carro: Was wird von uns erwartet? Sollen wir den Verantwortlichen in der Premier League sagen, dass sie weniger einnehmen sollen? Wir müssen versuchen, unsere Ressourcen für die Bundesliga Schritt für Schritt und dauerhaft zu erhöhen, zum Beispiel durch die internationalen TV-Gelder. Das System ist ja nicht nur auf nationale, sondern auch auf globale Einnahmen ausgelegt. Die Premier League ist den anderen Ligen hier über die letzten Jahre aus diversen Gründen enteilt.
Sie sind auch in internationalen Gremien tätig, sind zum Beispiel im Vorstand der Klub-Vereinigung ECA. Nehmen Sie den Status quo also einfach so hin?
Carro: Wie gesagt, der Anspruch und das Ziel der Bundesliga muss es sein, die Einnahmen zu erhöhen. Die Premier League liegt bei den gesamten TV-Einnahmen bei über vier Milliarden Euro, Spanien bei rund zwei Milliarden. Es gibt nun einmal Realitäten. Die Frage ist, was die Bundesliga erwirtschaften kann. Man muss realistisch bleiben, vier Milliarden werden wir nicht erreichen. Vielleicht 1,5 bis zwei Milliarden. Wir müssen uns da rantasten. Darüber hinaus musst du versuchen, mit den vorhandenen Ressourcen intelligenter zu agieren als es die anderen tun. Wir haben zum Beispiel ein Drittel des Budgets des FC Bayern. Deshalb müssen auch wir gucken, dass wir diesen Nachteil gegenüber den Bayern durch kluge, vorausschauende Arbeit minimieren können. Das ist ein ähnliches Prinzip, und das Abschneiden der deutschen Klubs im Europapokal zeigt, dass es ein erfolgreiches sein kann.
Konkret: Wie muss sich die Bundesliga anders aufstellen?
Carro: Die offiziell angekündigte langfristige Partnerschaft mit dem Marketingriesen Relevent Sports ist schon mal ein wichtiger und richtiger Schritt. Damit verfolgen wir das Ziel, die Präsenz der Bundesliga in den international bedeutenden Märkten in Nord- und Lateinamerika erheblich zu steigern. Wir müssen grundsätzlich mehr investieren und in Vorleistung gehen. Die spanische Liga hat zuletzt einiges mehr investiert als wir. Wir haben versucht, als Liga mit weniger Ressourcen trotzdem viel zu erreichen. Man muss konstatieren: Da waren wir leider nicht so erfolgreich. Und deshalb müssen wir etwas ändern. Wenn wir als Liga konkurrenzfähig bleiben möchten, führt nichts an neuen, mutigen Wegen vorbei.
Der Bundesliga fehlen mittlerweile einige Traditionsklubs. Ist es für die internationale Vermarktung der Liga nicht ein Problem, wenn es zu viele Spiele wie Hoffenheim gegen Heidenheim oder Kiel gegen Wolfsburg gibt oder zu wenige wie HSV gegen Köln?
Carro: Am Ende bin ich der Meinung: Wenn Vereine nicht in der Lage sind, so gemanagt zu werden, dass sie erfolgreich sind, ist das in erster Linie ihr Problem. Es gilt ja kein Erbrecht, sondern das Leistungsprinzip: Wenn Kiel und Heidenheim es besser und erfolgreicher machen, dann gehören sie auch in die Bundesliga. Dann gibt es eben auch diese Duelle. Das anders zu regeln, wäre für mich nicht richtig und nicht fair. Auch für Traditionsvereine, die viele Anhänger haben, muss es darum gehen, dass sie am Ende mit maximaler Professionalität gemanagt werden. Auch wenn die Emotionen der Fans ausdrücklich wichtig sind und man sie involvieren muss: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Fußballvereine wie Unternehmen geführt werden müssen. Man kann nur Erfolg haben, wenn man in professionellen Strukturen arbeiten kann, wenn man maximal handlungs- und entscheidungsfähig ist.
Aber was verkauft man dann international? Professionelles Arbeiten, die großen Stadien mit den leidenschaftlichen Fans oder nicht doch die Stars wie zum Beispiel Leverkusens Florian Wirtz?
Rolfes: Das größte Interesse liegt bei den Top-Klubs und den Top-Spielern. Für die Internationalisierung der Liga sind starke Marken an der Spitze und interessante, herausragende Spieler das Wichtigste. Wir müssen deshalb noch mehr gute, junge Spieler haben, die wir idealerweise nicht aus dem Ausland dazukaufen, sondern in Deutschland entwickeln und somit die sportliche Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Liga steigern.
Herr Carro, Sie haben sich jüngst positiv zur Idee geäußert, den deutschen Supercup in Zukunft im Ausland austragen zu lassen. Befürchten Sie da nicht den Widerstand der Traditionalisten?
Carro: Ich habe nur gesagt, dass man über jede Idee zumindest nachdenken sollte. Ich hatte da noch die Erfahrung vom Supercup vor wenigen Wochen zwischen uns und dem VfB Stuttgart im Kopf, der von den aktiven Fanszenen beider Vereine leider mehrheitlich abgelehnt und boykottiert wurde. Der Ärger ist unter anderem aufgekommen, weil der Supercup am selben Wochenende wie die erste Runde im DFB-Pokal ausgetragen wurde. Und dann gab es zudem noch eine Diskussion zwischen uns und dem VfB, bei wem das Spiel stattfinden sollte. Natürlich kann man da auch die Fans mehr involvieren, auf ihre Wünsche eingehen und wieder ein reines DFB-Pokal-Wochenende für alle Mannschaften stattfinden lassen. Es gibt mehrere mögliche Schritte: Der erste wäre, dass du das DFB-Pokal-Wochenende nicht mehr wegen des Supercups splittest. Der zweite: Man lässt den Supercup auf neutralem Platz austragen, damit es keinen Ärger mehr zwischen den Klubs gibt. Der dritte: Wenn man den Supercup ohnehin schon auf einem neutralen Platz austragen lässt, dann könnte man auch über den Schritt ins Ausland nachdenken. Rein rational gedacht, könnte ein Supercup im Ausland Sinn machen. Gerade in den USA, wenn wir denn die Vereinigten Staaten als großen Markt sehen. Und das ist er, das habe ich gerade erst bei meiner USA-Reise wieder vor Augen geführt bekommen.
Wie würden Sie das Ansehen von Bayer 04 im internationalen Vergleich zu anderen europäischen Topklubs einordnen?
Carro: Es war schon immer auf einem hohen Niveau, seit dem Champions League Finale 2002 ist Bayer 04 regelmäßig im Europapokal aktiv, das hat sich in der Wahrnehmung bemerkbar gemacht. Unser Standing hat nach dem Double aber noch einmal eine riesige Aufwertung erhalten, national wie international. Durch die Titel und die Serie der ungeschlagenen Spiele warst du in aller Munde. International sind wir in die erweiterte europäische Spitze vorgedrungen, das macht uns stolz und da wollen wir uns festbeißen.
Und die Beliebtheit in Deutschland?
Carro: Da geht es auch nach oben, auf so vielen Ebenen. Allein die Übertragungswerte belegen das eindrucksvoll. Die Reichweite ist top – auch wenn wir keine Großstadt wie Frankfurt oder Stuttgart im Rücken haben. Obwohl wir in der Region Großklubs wie Dortmund, Gladbach, Schalke und Köln als Konkurrenten haben. Aber wenn andere über Jahre hinweg sportlich nicht liefern, macht sich das für uns gerade in der jetzigen Phase stark bemerkbar. Selbst in Köln gehen inzwischen die Kinder auch mit Leverkusen-Trikots in die Schule, das gab es vorher so nicht.
Wie ist das Verhältnis zwischen Bayer 04 und dem FC Bayern?
Rolfes: Es ist normal, ein gutes Verhältnis. Das ändert nichts daran, dass wir auf dem Platz konkurrieren.
Carro: Ich gehe mal mehr ins Detail. Die Beziehung zum FC Bayern ist gut, sie laden uns vor den Spielen immer zum Essen in die Loge ein, wir sie natürlich auch. Mit Karl-Heinz Rummenigge hatte ich immer ein sehr, sehr enges Verhältnis. Mit Jan-Christian Dreesen ist die Zusammenarbeit auch gut und regelmäßig. Das gilt übrigens insgesamt für das Verhältnis zwischen den Top-Klubs Bayern, Dortmund, Leipzig und Bayer 04.
Daran haben auch Ihre Aussagen zu Max Eberl im Zuge des gescheiterten Transfers von Jonathan Tah aus dem Sommer nichts geändert?
Carro: Wir können ein gutes Verhältnis zum FC Bayern haben, selbst wenn man gelegentlich in Diskussionen untereinander seine eigene Position klar vertritt. Das hat man in München in all den Jahren genauso gemacht.
Den Versuch, einander Topspieler abzujagen, nimmt man dann sportlich.
Rolfes: Wir werden Bayer 04 in Verhandlungen immer bestmöglich vertreten und versuchen, unsere Interessen durchzusetzen und das Beste für uns herauszuholen. Was woanders passiert, interessiert mich nur, wenn es für uns von Belang ist. Abgesehen davon gibt es aber Bereiche, in denen Vereine zusammenarbeiten und versuchen, die Liga attraktiver und stärker zu machen.
Viele Leverkusener Profis wecken durch ihr Potenzial und ihre Entwicklung großes Interesse bei anderen Klubs. Auf Bayer 04 werden weitere harte Verhandlungen warten.
Rolfes: Erst einmal blicken wir auf das Jetzt. Viele unserer Spieler waren, als wir sie geholt haben, noch lange nicht dort, wo sie jetzt sind. Da musstet ihr Journalisten sie hier und dort erst einmal googlen, oder? (lacht) Wir wollen weiter Spieler finden, von denen wir glauben, dass sie etwas Außergewöhnliches leisten können. Dafür muss ein Klub wie Bayer 04 häufig an Plätze fahren, wo nicht viele andere Interessenten sind oder Spieler finden, die andere Klubs vielleicht noch nicht so auf dem Schirm haben oder zu diesem Zeitpunkt keine Entscheidung über eine Verpflichtung treffen wollen. Wie es dann in der Zukunft für diese Spieler mal weitergeht, werden wir sehen. Aber natürlich ist es immer unser Ziel, dass wir das Beste für Bayer 04 erreichen.
Wie sieht die Zusammenarbeit im Alltag zwischen Ihnen beiden aus?
Carro: Unsere Büros sind nicht weit voneinander entfernt. Wenn wir beide da sind, sehen wir uns jeden Tag. Dazu sind wir oft zusammen auf Reisen, zum Beispiel bei Auswärtsspielen. Dann kann man viel unterwegs besprechen. Gerade in der Transferphase ist eine Menge los, es muss viel abgestimmt werden. Wir ergänzen uns sehr gut. Vier Augen sehen immer mehr als zwei. Bei vielen Dingen, für die ich die Verantwortung trage, will ich trotzdem die Meinung von Simon hören. Umgekehrt ist das ähnlich. Wir haben unterschiedliche Fähigkeiten und unterschiedliche Expertisen.
Rolfes: Wir kombinieren unsere Expertisen, um die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen.
Carro: Bei Spielerverhandlungen sage ich Simon oft, dass er dort nicht als Geschäftsführer Sport, sondern als ehemaliger Spieler reingehen soll. Diese Rolle kann ich natürlich nicht ausfüllen. Aber so bekommt man Spieler in Gesprächen eher überzeugt. Wir sind flexibel in unserer Rollenaufteilung, immer so, dass am Ende das bestmögliche Ergebnis für Bayer 04 herauskommt.
Was müssen die nächsten Schritte bei Bayer 04 sein, um nachhaltig ein Meisterschaftskandidat zu bleiben?
Rolfes: Eine Mannschaft wird sich immer wieder erneuern. Deswegen müssen wir immer wieder clevere Lösungen finden, um das Niveau hochzuhalten. Dafür ist auch der Nachwuchs sehr wichtig, wo wir aktuell eine sehr gute Entwicklung haben. Wir wollen mehr Spieler aus der eigenen Jugend durchbringen, damit wir einen Mix haben aus eigenen Nachwuchsspielern und welchen, die wir international scouten. Wir wollen und müssen es smarter machen als andere, um auf dem Transfermarkt auch mit Klubs aus der Premier League mithalten zu können.
Carro: Der sportliche Erfolg ist das A und O, aber wir wollen natürlich auch eine gewisse Infrastruktur dafür haben. Das ist auch für den von Simon angesprochenen Nachwuchs wichtig. Das Campusprojekt, das wir umsetzen wollen, ist enorm wichtig für die Zukunft des Vereins. Zudem geht es weiter um Wachstum und darum, international dauerhaft noch sichtbarer zu werden, unsere digital hohe Strahlkraft auch zunehmend wirtschaftlich zu nutzen. Wir haben im Merchandising einen Riesensprung gemacht, bei den Mitgliederzahlen ebenfalls. Die BayArena soll künftig immer ausverkauft bleiben, das Sponsorenengagement weiter anwachsen. Generell geht es immer darum, das Niveau an Ressourcen zu halten oder zu erhöhen. Gleichzeitig müssen wir eine intelligente Transferpolitik beibehalten, um die Mannschaft immer wieder zu erneuern.
Die Strahlkraft des Klubs hängt auch von den Aushängeschildern ab. Wie groß ist die Sorge, was passiert, wenn Xabi Alonso und Florian Wirtz weg sind?
Rolfes: Prägende Persönlichkeiten zu ersetzen, wird immer eine Herausforderung sein. Aber auch eine Chance. Kai Havertz war der Jahrhundertspieler von Bayer 04. Als er ging, sagten alle: Kai Havertz ist nicht zu ersetzen. Was ist passiert? Wir konnten dank Kai neue hervorragende Spieler für Bayer 04 gewinnen. Es ging weiter, es geht auch jetzt weiter und es wird auch in fünf oder zehn Jahren weitergehen. Wir wollen Spieler verpflichten, die unseren Verein prägen und ihn auf ein neues Level bringen. Das war mit Kai so, das ist jetzt mit Florian so. Ihre Rolle und Entwicklung bei Bayer 04 erhöht unsere Attraktivität auch für neue Spieler.
Bei Spielern dürfte das aber einfacher werden, als einen neuen Trainer von der Strahlkraft von Xabi Alonso zu finden, oder?
Rolfes: Du darfst nie den Fehler machen, eine Kopie zu suchen. Denn die gibt es nicht. Es gibt immer wieder Mitarbeiter, Trainer, Spieler, die den Verein auf ihre eigene Art prägen und weiterentwickeln können. Und ja, ich glaube an uns, dass wir in der Lage sind, das zu managen und gute Leute für Bayer 04 zu gewinnen, auf allen Ebenen. Unsere Qualität in vielen Bereichen ist mittlerweile so gut, dass wir auch Abgänge immer wieder kompensieren können.
Spielt der Business-Faktor neben der Qualität eine Rolle, wenn Sie Spieler verpflichten?
Rolfes: Die Leistung ist die Story. Nicht andersherum.
Wie lange werden Xabi Alonso und Florian Wirtz denn noch bleiben?
Rolfes: Vertraglich ist es relativ einfach. Florian hat bis 2027 Vertrag, Xabi bis 2026. Das ist die Situation. Und beide sind sehr happy bei Bayer 04.
Xabi Alonso hat sich im Endspurt der vergangenen Spielzeit zumindest bis 2025 zu Bayer 04 bekannt. Wie ist die Sprachregelung?
Carro: Wir benötigen keine. Wir haben zunächst über 2024/2025 gesprochen. Wir werden zu gegebener Zeit über 2025/2026 sprechen. Erstmal ist dieses Jahr wichtig.
Herr Rolfes, es ist bekannt, dass sie stets eine Liste mit Trainerkandidaten pflegen. Wir häufig wird die eigentlich aktualisiert?
Rolfes: Bei Spielern ist es ja auch so, dass wir permanent schauen, wer zu Bayer 04 passen könnte. Wir haben eine klare Vorstellung, wie wir Fußball spielen wollen. Und wie wir zusammen interagieren und arbeiten wollen. Es gehört zu meinem Job – unabhängig von Ergebnissen – auch potenzielle Trainerkandidaten im Blick zu haben.
Sie waren bei Jonathan Tah sehr hart in den Verhandlungen. Werden Sie bei Florian Wirtz im kommenden Sommer noch härter sein?
Rolfes: Wir versuchen immer, vernünftige Lösungen zu finden. Das ist unser Anspruch. Auch bei Florian Wirtz. Er war medial gefühlt schon sieben Mal weg, obwohl sein Vater und er gesagt haben, er sei glücklich bei Bayer 04. Alle wünschen sich von den Spielern Identifikation. Dass sie sich bekennen. Wenn sie es machen, glaubt man ihnen trotzdem nicht und es wird weiter spekuliert. Florian ist als Spieler ein Geschenk für Bayer 04 und für Deutschland. Er ist ein riesiges Vorbild, weil er sich immer darauf konzentriert, was das Entscheidende ist. Und das Entscheidende ist, zu trainieren, Fußball zu spielen und zu versuchen, besser zu werden. Er hat diesen Ehrgeiz. Wir unterstützen ihn, dass er sich darauf konzentrieren kann. Es ist fantastisch, wie Florian zusammen mit seiner Familie agiert. Sie wollen in Ruhe etwas aufbauen, beschäftigen sich mit vielen Dingen gar nicht. Irgendwann kommt für Florian ein Schritt. Es ist aber noch nicht klar, wann der kommen wird.
Herr Carro, es gibt einige gelungene Personalentscheidungen. Aber: Florian Wirtz für 300.000 Euro vom 1. FC Köln zu bekommen, war das der größte Coup?
Carro: Simon Rolfes zu holen, war dafür erstmal der erforderliche Coup. (lacht) Ohne Simon Rolfes wäre Florian nicht bei uns. Aber sein Transfer war auf jeden Fall unter den Top-Coups von Bayer 04 zu meiner Zeit. Dazu zählt dann natürlich auch noch Xabi Alonso.