Leverkusen erzwingt einen Last-Minute-Sieg. Dieses 1:0 in Augsburg ist auf vielen Ebenen von enormer Bedeutung.
Meilenstein im TitelkampfDas 1:0 in Augsburg ist für Leverkusen weit mehr als ein Sieg
Mehr als 93 Minuten ist Bayer 04 Leverkusen mittlerweile angerannt. 23 Mal hat die Werkself an diesem kalten Samstagnachmittag bisher aufs Tor des FC Augsburg geschossen – ohne Erfolg. Schiedsrichter Sven Jablonski hat fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt. Noch einmal rollt ein Angriff der Leverkusener über die linke Seite. Alejandro Grimaldo bringt den Ball einmal mehr scharf in den Strafraum. Im Gegensatz zu den vorigen Versuchen findet die Kugel diesmal den Weg zu einem Mitspieler.
Exequiel Palacios, der in diesem Spiel – wie eigentlich immer – viele Kilometer im zentralen Mittelfeld gerannt ist, steht acht Meter vor dem Tor am richtigen Ort. Dann zeigt der Argentinier, warum er sich Weltmeister nennen darf. Mit einem perfekten ersten Kontakt mit dem rechten Fuß nimmt er den Ball an, ehe er in einer schnellen, fließenden Bewegung mit einem strammen Linksvolley Finn Dahmen im Augsburger Tor keine Chance lässt. Der Rest ist eine emotionale Explosion aller, die es mit Bayer 04 halten.
Dieser 1:0-Siegtreffer in der Nachspielzeit ist gleichbedeutend mit der Hinrundenmeisterschaft. Nun sind es 23 Siege in 26 Pflichtspielen, der Vorsprung auf den FC Bayern beträgt weiter vier Punkte – bei einem absolvierten Spiel mehr. All das sind wichtige Zahlen, Rekorde und Umstände. Doch dieses 1:0 ist womöglich viel mehr, es könnte rückblickend als enorm wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem Titelgewinn gewertet werden. Denn die Gemengelage nach diesem Sieg ist auf einigen Ebenen eine gänzlich andere, als sie es nach einem 0:0 gewesen wäre. „So ein Sieg am Anfang des Jahres gibt natürlich noch mehr Selbstvertrauen“, betonte dann auch Torhüter Lukas Hradecky, der weitgehend beschäftigungslos war: „So ein Spiel musst du gewinnen, wenn man da oben hängen will.“
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Viel mehr Auftrieb zum Start ins neue Jahr scheint kaum möglich. Zumal die Bayern am Vortag mit dem 3:0 gegen Hoffenheim vorgelegt hatten, und sicher keine Gelegenheit ausgelassen hätten, um ein 0:0 des Konkurrenten für ihre Belange öffentlich auszuschlachten. So aber signalisierte Bayer 04 Stärke und bewies sich selbst einmal mehr, dass es in der Lage ist, Widerstände zu überwinden.
Schwierige Personallage
Und davon gab es in Augsburg reichlich. Zunächst war die personelle Ausgangssituation alles andere als optimal. Victor Boniface (Adduktoren-OP) und Arthur (Reha) fehlten genau so wie die Afrika-Cup-Fahrer Edmond Tapsoba, Odilon Kossounou und Amine Adli. Und auch für Unterschiedsspieler Florian Wirtz reichte es angeschlagen nicht zu einem Startelfeinsatz – seine Einwechslung brachte dann aber frischen Wind in eine zähe Partie auf schwierigem Untergrund für eine technisch so beschlagene Mannschaft.
Leverkusen fand zunächst nicht in den gewohnten Rhythmus, leistete sich ungewohnte Fehlpässe und Flüchtigkeitsfehler. Deshalb kamen die Gäste im ersten Durchgang nur zu wenigen Chancen. Die allerdings hatten es in sich. Pech hatte Alejandro Grimaldo mit einem Lattenkracher, Patrik Schick hingegen musste man bei seiner Chance – freistehend vor Dahmen – eher etwas Unvermögen attestieren. Augsburg konzentrierte sich aufs aggressive Verteidigen, ohne sich hinten reinzustellen und darauf, nach Ballgewinnen schnell Ermedin Demirovic einzusetzen. Kritische Situationen bereinigten die Leverkusener Verteidiger allerdings meist souverän.
Nach der Pause entwickelte sich dann immer mehr eine Art Powerplay auf das Augsburger Tor. Schick, Jeremie Frimpong, Palacios – es gab genug Chancen, um Augsburg schon früher den wohl entscheidenden Nackenschlag zu verpassen, doch es haperte an der Chancenverwertung. Es wirkte immer mehr wie ein Spiel, bei dem der Volksmund der drückenden Mannschaft gerne attestiert, sie könnte noch Stunden weiterspielen, ohne eine Tor zu schießen. Dann bracht Palacios den Bann.
Generell sollte man aber nicht von einem glücklichen Sieg sprechen. Er war viel mehr die Konsequenz einer immer weiter anrennenden Leverkusener Mannschaft, die im Kollektiv daran glaubte, den Erfolg noch erzwingen zu können. „Dieses Selbstvertrauen oder Selbstverständnis haben wir schon“, sagte Sportgeschäftsführer Simon Rolfes. „Wille, Zielstrebigkeit und Widerstandsfähigkeit“ würden diese Mannschaft auszeichnen. Der glückliche Aspekt bei diesem 1:0 war höchstens, dass es die Augsburger verpassten, eine der Kontergelegenheiten kaltschnäuzig zu Ende zu spielen.
FC Bayern mit drei Heimspielen
Die Last-Minute-Party in Augsburg muss Bayer 04 nun Schwung geben für die kommenden Wochen, denn auf dem Papier hat der FC Bayern vor dem Spiel in Leverkusen am 10. Februar das vermeintlich leichtere Programm. Nach dem Heimsieg gegen Hoffenheim wird die Tuchel-Elf noch drei Mal in der Allianz Arena antreten – gegen Werder Bremen, Union Berlin (Nachholspiel) und Borussia Mönchengladbach. Dazwischen liegt nur ein Auswärtsspiel – beim FC Augsburg.
Bayer 04 steht vor einer schweren Aufgabe am kommenden Samstag im Topspiel bei RB Leipzig. Zudem geht es vor dem Kracher gegen Bayern noch gegen Gladbach und nach Darmstadt. Jonas Hofmann hat für den Meisterschaftskampf aber bereits die Losung ausgegeben: „Für uns ist es wie bei einem Marathon“, erklärte er, „wir sind erst bei Kilometer 17.“