AboAbonnieren

Der Bayer-04-MacherSimon Rolfes trifft harte Entscheidungen mit einem Lächeln

Lesezeit 4 Minuten
Rolfesbild

Simon Rolfes umarmt Moussa Diaby

Leverkusen – Es gibt eine grundsätzliche Erfahrung aus seiner Zeit als Fußball-Profi, die Simon Rolfes in diesen mit schlechten Nachrichten gepflasterten Tagen vor dem Saisonendspurt in der Fußball-Bundesliga nutzt: „Als Spieler habe ich gelernt, jede Situation so zu akzeptieren, wie sie ist und nur nach vorn zu schauen.“

Für den Sportdirektor der Werkself, die im Kampf um das Bundesliga-Saisonziel vier wichtige Spieler durch teilweise schwere Verletzungen verloren hat, heißt das aktuell: „Wir haben immer noch sehr gute Spieler. Natürlich hätten wir gern alle dabei, aber dieses Team hat jetzt die Chance, durch Zusammenhalt einen neuen Spirit zu entwickeln.“ Also etwas, das Bayer 04 Leverkusen traditionell abgesprochen wird. Titel können nach dem Aus in der Pokalwettbewerben nicht mehr gewonnen werden in dieser Saison. Aber die Qualifikation für die Champions League unter erschwerten Bedingungen wäre für den Tabellendritten eine Image-Korrektur, die er dringend gebrauchen könnte. Vor allem, weil es an den beiden letzten Spieltagen gegen die direkten Konkurrenten Hoffenheim und Freiburg geht. Bei Aufgaben wie der nächsten gegen Hertha BSC Berlin (Samstag, 15.30 Uhr, Bay-Arena) werden Siege erwartet.

Das könnte Sie auch interessieren:

Als Sportdirektor, der am 1. Juli Geschäftsführer von Bayer 04 wird, muss Simon Rolfes allerdings über die Saison hinaus denken. Jeremie Frimpong (Syndesmoseriss), Amine Adli (Muskel-Sehnenenriss) und Timothy Fosu-Mensah (Oberschenkelverletzung) werden zum Start der kommenden Saison wohl wieder vollständig gesund und belastbar sein. Auf Florian Wirtz trifft das nicht zu. Der 18-Jährige wird durch die Folgen seines gerade operierten Kreuzbandrisses noch monatelang ausfallen.

Ein offizieller Zeitrahmen für seine Rückkehr existiert nicht. Alle wissen, dass der Nationalspieler in der Reha jeden Tag darum kämpfen wird, doch noch ins Aufgebot für die WM in Katar (21. November bis 18. Dezember) zu kommen. Man will ihn da auch gar nicht bremsen. Doch das Risiko eines zu frühen Comebacks will bei Bayer 04 niemand zulassen. „Die OP ist gut verlaufen“, sagt Simon Rolfes dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „für uns ist die Gesundung von Flo am aller wichtigsten.“ So bleiben alle Möglichkeiten offen. Aber nur, wenn die junge Karriere dadurch nicht gefährdet wird. Darin sind sich die Leverkusener auch mit Bundestrainer Hansi Flick einig.

Eine Herausforderung ist die Vorbereitung der kommenden Saison mit dem Wissen, dass der zentrale offensive Mittelfeldspieler in der Vorrunde wohl weitgehend fehlen wird und danach mit seinem ganzen Talent und Einfluss auf das Spiel zurückkommt. Als möglicher Teilnehmer der Champions League will man auf höchster Ebene konkurrenzfähig sein und kann sich nicht ein halbes Jahr mit einem Loch im Kader erlauben. „Das müssen wir bei der Planung der kommenden Saison natürlich berücksichtigen“, sagt Rolfes. Wie ein zeitlich befristeter Ersatz für Wirtz aussehen könnte, ob er aus dem Kader selbst kommt oder durch ein Leihgeschäft möglich wird, bleibt offen. Spieler von der benötigten Qualität sind schwer zu bekommen, haben ihren Preis und ihre Vorstellungen.

Sicher ist dagegen, dass Simon Rolfes von 1. Juli an den nächsten Karriereschritt geht und im Alter von 40 Jahren Geschäftsführer Sport von Bayer 04 wird. Inhaltlich wird sich für ihn nicht sehr viel verändern. „Die alltägliche Arbeit, die Prozesse, die Personalplanung und Weiterentwicklung des Ganzen gehen ja immer weiter“, sagt Rolfes. Vom ersten Tag seines Amtsantritts als Sportdirektor am 1. Dezember 2018 hat er die sportliche Abteilung nach seinen Vorstellungen verändert. Die Verpflichtung des Chefscouts Tim Steidten von Werder Bremen war der erste Schritt. Die Transfers von Top-Talenten wie Moussa Diaby, Edmond Tapsoba, Florian Wirtz, Patrik Schick, Jeremie Frimpong und Mitchel Bakker gemeinsam mit Geschäftsführer Rudi Völler waren die direkte Folge dieser Arbeit. Wie im Fall von Kai Havertz, der für insgesamt bis zu 100 Millionen Euro (inklusive Boni) nach Chelsea verkauft wurde, werden sie dem Klub viel Geld einbringen.

Dass die Außensicht auf ihn als wichtigstem Entscheider neben Klubchef Fernando Carro anders wird, ist Simon Rolfes bewusst. Er und seine Arbeit werden noch mehr im Fokus stehen. „Dazu gehören natürlich auch harte Entscheidungen“, sagt Rolfes, „aber diese habe ich in den letzten Jahren auch schon getroffen“ Die Nachwuchsabteilung und Trainerausbildung wurden in ihrer Struktur nach seinen Vorstellungen auch personell stark verändert, die Frauenmannschaft hat mehr Gewicht bekommen, die Trennung von Trainer Bosz war auch keine Geschichte, bei der sich alle entspannt die Hände geschüttelt haben. Freundlichkeit sollte bei Simon Rolfes nicht mit einem Mangel an Entschlossenheit verwechselt werden. Diesen Ruf hatte er sich schon in seiner Zeit als Kapitän der Werkself (2008 bis 2015) erworben.

Auf die Zusammenarbeit mit Rudi Völler, der vor allem formal sein Vorgänger sein wird, weil niemand im deutschen Fußball „Nachfolger“ von Rudi Völler sein kann, freut er sich schon. „Der Rudi wird ja nicht weg sein, sondern uns als Botschafter von Bayer 04 erhalten bleiben und sich in anderer Form weiter einbringen“, sagt Simon Rolfes, „ich glaube, er wird an der neuen Rolle Spaß haben. Und ich am Austausch mit ihm.“